Witten. Das Ruhrhochwasser hat im Juli 2021 den Campingplatz Steger in Witten zerstört. Seitdem ist die Hilfsbereitschaft groß – und geht zu Herzen.

Knapp acht Wochen ist es her, dass das Ruhrhochwasser den Campingplatz Steger in Witten überflutet und verwüstet hat. Direkt im Anschluss rollte eine weitere Welle an – der Hilfsbereitschaft. Diese reißt nicht ab. Spontan kam nun ein Camper aus dem Saarland in Bommern vorbei, um Peter Steger 1200 Euro in die Hand zu drücken. „Damit alles so wird, wie es einmal war“, sagt Wolfgang Backes, während es dem Campingwart mit der herrlich ruhrpottschen Kodderschnauze die Sprache verschlägt.

Backes hat die Hochwasser-Fotos vom Juli im Internet gesehen. Zwei Tage zuvor war der Mann aus Saarbrücken mit seinem Wohnmobil vom Platz gerollt, er hatte in Witten-Herbede seine Schwester besucht. Schon da stand die Ruhr hoch und es schüttete wie aus Kübeln, erinnert er sich. Und noch eine Situation ist ihm im Gedächtnis geblieben: Als er kurz vor Abfahrt zahlen wollte, konnte ihm Peter Steger kein passendes Wechselgeld herausgeben. Stattdessen kassierte er statt 54 nur 50 Euro, „denn du willst ja wiederkommen!“ Backes schwärmt: „Der Herr Steger war der erste Platzwart, der jeden Abend bei mir vorbeigekommen ist, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist.“ So entschloss er sich, nach Witten zu fahren und zu spenden – obwohl er Peter Steger doch kaum kennt.

„Peter, so’n Arsch kannste gar nicht sein“

Hochwasser wütet im Wittener Urlauberparadies

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Offenbar muss der rüstige Campingplatzbetreiber vielen in Erinnerung geblieben sein, denn die Hilfe, die ihm nun widerfährt, rührt ihn zutiefst. „Wenn ich mir in einer stillen Minute mal ein Tränchen verdrücke, denke ich mir: Peter, so’n Arsch kannste gar nicht sein“, sagt er. Da sind Wittener Handwerksfirmen, die ihm die Wohnung wiederherrichten. Das Möbelhaus hilft, der Nachbar vermittelt. Da sind viele hundert Leute, die Geld spenden und so viele, die in den ersten Tagen nach der Flut beherzt angepackt haben. Dass einer dann mal eben von Saarbrücken nach Witten fährt, um Geld zu spenden, passt. Peter Steger fällt ihm gerührt um den Hals.

Von 51 Wohnwagen am Ruhrufer wurden 49 in Mitleidenschaft gezogen, nur zwei der Dauercamper blieben von der Flut verschont. In manchen Caravans stand das Wasser einen Meter hoch, in anderen nur wenige Zentimeter. Zwei Wohnwagen hat die Ruhr ganz mitgenommen – sie sind übrigens bis heute nicht gefunden worden. Und trotzdem: Alle Camper haben sich entschlossen, ihre Parzelle zu behalten und dort neu anzufangen. Nur ein Mieter, über 80, hört aus Altersgründen auf. „Die Gemeinschaft ist halt supergut“, erklärt dies Detlef Wehmeier, der gerade schwitzend eine Schubkarre mit Sand schiebt. „Aber wir sind diesmal schlauer und bocken die Wohnwagen höher auf.“ Niemanden scheint der Gedanke an eine erneute Flut zu schrecken. „Ich hab’ keine Angst vor der Ruhr, aber unwahrscheinlichen Respekt“, sagt Peter Steger.

Spendenaktion liegt bei über 14.000 Euro

Für die Campinggemeinschaft Steger – also nicht Peter Steger als Privatmann – läuft immer noch eine große Spenden-Sammelaktion über Paypal Moneypool. Organisiert haben diese Robin Schmidt, einstiger Wirt des Ratskellers, und seine Mitspieler vom SV Bommern. 14.285 Euro an Spenden sind in den letzten 46 Tagen gesammelt worden, 20.000 Euro sollen es einmal werden. Die meisten Spender gaben kleine Summen, im Wert zwischen 15 und 50 Euro.Jeder der möchte, kann die Campinggemeinschaft, die durch Corona ohnehin große finanzielle Schwierigkeiten hat, unterstützen. Weil es sich um eine Sammelaktion handelt, kann eine offizielle Spendenquittung nicht ausgestellt werden.

Über den Parzellen lacht die Sonne, der Fluss fließt scheinbar harmlos direkt vor der Haustür vorbei. Bis auf die zerstörte Zufahrt erinnert wenig an das Hochwasser. Im Viertelstundentakt halten Radler an und fragen, ob der Biergarten geöffnet sei. „Erst nächstes Jahr wieder“, antwortet Steger. Seine drei Touristenstellplätze und die Gastronomie will und kann er dieses Jahr nicht mehr öffnen, der 76-Jährige setzt auf die Saison ab Mai 2022.

„Ich kann doch keine Urlauber aufnehmen, wenn die Dauercamper nebenan Matsche schippen“, sagt Peter Steger. Damit ist nach dem Corona-Jahr 2020 auch 2021 sprichwörtlich ins Wasser gefallen. Erst am 3. Juli hat er geöffnet, zehn Tage später war alles vorbei. Zum Saisonstart hat er eine neue Eistruhe angeschafft. Nach dem Hochwasser landete die direkt im Müllcontainer, am gleichen Tag kam die Rechnung für das Elektrogerät.

Noch ist seine Bierstube ein reines Chaos. Drei Bautrockner surren, die Einbau- und Kühlschränke sind allesamt Schrott. An die Außenwand will Peter Steger demnächst eine Tafel anbringen, mit der Linie, auf der die Ruhr am 15. Juli stand. 50 Zentimeter tiefer hängt auch so eine, vom letzten dramatischen Hochwasser: am 4. Mai 1960.