Witten/Hattingen. Immer wieder werden am Kemnader See in Witten nachts Reifen abgekippt. Deren Entsorgung kostet tausende Euro. Die Tat einer organisierten Bande?
Immer wieder werden im Grünzug rund um den Kemnader Stausee riesige Berge von Altreifen entsorgt. Sie werden zu Hunderten nachts abgekippt, auf einem Areal nahe der A-43-Anschlussstelle Witten-Heven. Die Entsorgung kostet die Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr stets mehrere tausend Euro. Die Mitarbeiter sind desillusioniert – sie sehen sich als Opfer einer organisierten „Reifenmafia“.
Herumliegender und heimlich von Privatleuten entsorgter Müll ist für die Freizeitgesellschaft als Eigentümerin des Naherholungsgebiets nichts Neues. Die Reifenentsorgung aber sprengt jeden Rahmen. An der Seestraße, direkt gegenüber der A-43-Auffahrt in Richtung Münster, wurden die Altreifen mitten auf eine Zufahrt zum See gekippt. Sie stammen von Pkw oder Traktoren. Darunter sind auch Vollgummireifen, wie man sie von Gabelstaplern oder Baumaschinen kennt. Manche Reifen waren ausgeschäumt, das Profil restlos runtergefahren, viele Felgen sind verbeult und verrostet.
Verbrannter Dachstuhl und drei Lkw-Ladungen Reifen entsorgt
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Wie diese Entsorgung aussah, können Dirk Clemens (Betriebsleiter) und Thomas Krahforst (Liegenschaften) von der Freizeitgesellschaft rekonstruieren: Zuerst kommt jemand in einem Pkw vorgefahren, flext das Vorhängeschloss auf, öffnet das Stahltor. Dann fährt ein Lkw rückwärts in die Zufahrt und kippt seine Ladung ab. „Das passiert nachts, zwischen zwei und vier Uhr, und dauert höchstens 15 Minuten“, sagt Thomas Krahforst. Diese Verschmutzung wird oft mit Zeitverzögerung entdeckt. Die versteckt liegende Zufahrt nutzen nur eine Imkerin, die in den Ruhrwiesen Bienenstöcke stehen hat, und selten der Pächter des Golfplatzes.
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Immer wieder wurde das autobahnnahe Gelände als wilde Müllkippe genutzt. Allein 2020 wurde dort ein kompletter verbrannter Dachstuhl entsorgt sowie drei Lkw-Ladungen mit Altreifen. Auch auf dem benachbarten Parkplatz In der Lake lagen über Nacht über 40 Kubikmeter Altreifen.
Freizeitgesellschaft zahlt 6000 Euro Entsorgungskosten
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„Der EN-Kreis hat uns als Grundstückseigentümer natürlich beauftragt, den Sondermüll zu entsorgen. Das hat uns netto 6000 Euro gekostet“, sagt Thomas Krahforst. „Das ist Geld, das für Investitionen in das Ausflugsziel fehlt.“ Um den Spuk zu beenden, handelte die Freizeitgesellschaft außerdem. Das Gelände wurde mit Stacheldraht eingefriedet, bekam ein Stahltor. Und Hinweisschilder. „Achtung Videoüberwachung“ steht darauf, oder „Müll + Unrat abladen verboten“. Das Stahltor scherte die Täter wenig. Kaum ein halbes Jahr später kippten sie ihren Sondermüll wieder ab.
Deutlich mehr Müll
Seit Beginn der Corona-Pandemie ist das Müllaufkommen rund um den Kemnader Stausee deutlich gestiegen. Die Mülleimer quillen über mit To-go-Verpackungen und müssen nun täglich geleert werden. „Weil Imbiss und Restaurants geschlossen waren, bringen die Leute alles mit“, erklärt Betriebsleiter Dirk Clemens von der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr. Täglich gehen Mitteilungen über herumliegenden Müll über die Online-Mängelmelder der Städte Witten und Bochum ein. „Wir kommen mit der Bearbeitung kaum hinterher“, so Clemens. Zumeist sind es übrigens weggeworfene oder verlorene Masken.
In der Regel entsorgen die Reifenhändler und Kfz-Werkstätten Altreifen über Spezialunternehmen.
Einer der größten Wittener Reifenhändler erklärt das Prozedere: „Zweimal pro Woche werden Altreifen bei uns abgeholt. Das Unternehmen sortiert: Reifen, deren Profiltiefe in anderen Ländern noch gefahren werden dürfen, gehen ins Ausland. Den Rest muss er kostenpflichtig entsorgen.“ Für jeden Reifen muss der Reifenhändler (oder letztlich sein Kunde) zahlen. Wo die abgegebenen Reifen landen, wisse der Wittener Reifenhändler nicht. Der Polizei sind keine weiteren Entsorgungen im großen Stil bekannt. „Das sind Ordnungswidrigkeiten, die die Ordnungsämter der jeweiligen Städte erfassen“, sagt Polizeisprecher Marco Bischoff.
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„Wir gehen davon aus, dass das eine gewerbsmäßige Reifenentsorgung ist, bei der die Werkstätten abkassiert werden“, glaubt Dirk Clemens. Er hat wenig Hoffnung, dass die Täter je erwischt werden. „Das wäre wie ein Sechser im Lotto.“ Schließlich gehören zum Areal der Freizeitgesellschaft viele versteckte Ecken, die kaum zu überwachen sind.