Witten. Die Schülerzahlen und damit der Betreuungsbedarf in Witten steigen. Hat die Stadt das ignoriert? Eltern der Brenschenschule erheben Vorwürfe.

Offene Ganztagsplätze sind an allen Grundschulen in Witten stark nachgefragt. Ohne sie ist eine Berufstätigkeit der Eltern oft nicht möglich. In der Brenschenschule in Bommern ist die Situation besonders schwierig.

28 Kinder, also eine ganze Schulklasse, können ab August 2022 nach dem Unterricht nicht betreut werden. Die Krux: In dem boomenden Stadtteil kann die Grundschule zwar mehr Schüler aufnehmen. Der Offene Ganztag hat laut Träger Awo aber seine Grenzen erreicht.

Wittens größte Grundschule zählt derzeit 13 Klassen und 300 Schüler. Im letzten Sommer startete die Schule erstmals mit vier statt der üblichen drei Eingangsklassen. Im August werden erneut 80 i-Dötzchen erwartet. „Wir haben die Betreuungsplätze an der Brenschenschule im letzten Jahr massiv ausgebaut“, sagt Petra Hartmann, Koordinatorin der OGS-Plätze bei der Awo EN.

Kinder müssen in drei Schichten nacheinander Mittag essen

Es wurde um eine Gruppe aufgestockt, von 113 auf 138 Kinder. Das funktioniert nur, weil Klassenräume auch nachmittags genutzt werden können und die Kinder in drei Schichten nacheinander in der Mensa essen. „Die Stadt als Schulträger und die Awo sind ständig dabei, die Plätze zu vergrößern. Aber wir stoßen in Bommern an unsere Grenzen“, sagt Hartmann. „Die Kinder müssen vernünftig verpflegt werden und die OGS soll auch qualitativ gut sein. Wir haben ja einen Bildungsauftrag.“

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Deswegen habe man 16 Kinder für den Offenen Ganztag und zwölf für die einfache Nachmittagsbetreuung bis 13 Uhr ablehnen müssen. Petra Hartmann bestätigt, dass es nirgendwo sonst in Witten einen solchen Andrang gebe. „Wir haben an vielen Standorten die OGS kontinuierlich erweitert, indem etwa Klassenräume genutzt werden, zum Beispiel in Rüdinghausen, an der Dorfschule und der Bruchschule.“ Nur an der Baedekerschule gäbe es noch Engpässe.

Absagen kamen erst Mitte Mai

Für die Bommeraner Eltern ist jede Ablehnung eine Katastrophe. „Allen stellt sich die Frage, wie hierbei Arbeit und Familie miteinander vereinbart werden sollen“, schreiben die beiden Elternvertreter Stephanie Wurm und Tobias Stens in einem Brandbrief an die Stadt. Ihre größte Kritik: Die Absagen kamen erst Mitte Mai, sechs Wochen vor den Sommerferien. Wie die Eltern sich nun organisieren, bleibt ihnen selbst überlassen.

„Für uns ist ein OGS-Platz existenziell“, schildert ein Bommeraner Familienvater seine Situation. Beide Eltern arbeiten in Wuppertal, die große Schwester wechselt aufs Gymnasium. Der kleine Sohn, ein Inklusionskind, sollte nun an der Brenschenschule eingeschult werden. Sogar eine Integrationskraft, zufällig eine Bekannte der Familie, war gefunden. Zur OGS kam ewig keine Info, dann die Absage.

„Wir mussten uns so kurz vor den Sommerferien um eine neue Schule kümmern“, ist die Familie empört. Letztlich wurde ihr Junge an der Vormholzer Grundschule aufgenommen. Zur Brenschenschule hätte er zu Fuß gehen können, nach Vormholz muss er nun gefahren werden. „Wir fühlen uns komplett im Stich gelassen“, sagt der Vater.

„Situation wissentlich in Kauf genommen“

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Die Eltern machen der Stadt Vorwürfe. Denn dass es einen Mangel an Betreuungsplätzen geben wird, sei seit langer Zeit absehbar. Seit 2015 gibt es geburtenstarke Jahrgänge, der steigende Bedarf ist auch im Schulentwicklungsplan verzeichnet.

Die Awo hatte gegenüber Stadt und Land seit längerem angemahnt, mehr Betreuungsplätze zu schaffen. „Wir fragen uns, wie eine über Jahre bekannte und zunehmen verschlechternde Situation wissentlich in Kauf genommen werden kann, ohne dass zumindest Lösungsideen entwickelt werden“, sagen die Elternvertreter Tobias Stens und Stephanie Wurm. Dabei hätten sie Vorschläge parat. Um Platz zu schaffen, könne die Mensa zum Beispiel in eine provisorische Containerlösung auf dem Schulhof ausgelagert oder eine Hausmeisterwohnung umgebaut werden. „Der Aufwand erscheint uns im Verhältnis zu den Sorgen, die nun für viele Familien bestehen, vertretbar.“