Masku/Langenberg. USA, Australien, England, Frankreich - das kann jeder. Aber Merlin Wolff aus Langenberg hat sich für sein Austauschjahr ein anderes Ziel gesucht.
Während in Langenberg der erste Schnee gefallen ist, erlebt Merlin Wolff gerade, was Winter wirklich bedeutet. Der bald 17-Jährige Schüler ist nämlich gerade zum Austausch in Finnland - und hat seinen ersten Schneesturm erlebt. „Das geht aber“, sagt er. „Letztes Jahr Weihnachten gab es hier anderthalb Meter, im April hatten die hier sogar mehr als zwei Meter.“
Erlebt hat er das selber nicht, ist er doch erst seit wenigen Monaten in Masku. Die kleine Stadt mit ihren knapp 10.000 Einwohnern liegt etwas nordwestlich von Turku, rund dreieinhalb Stunden Fahrt von Helsinki entfernt. „Aber ich freue mich auf Weihnachten“, sagt er.
Nicht nur, weil er zwei Tage vorher Geburtstag hat. Nicht nur, weil dann vielleicht noch mehr Schnee liegt. „Sondern auch, weil Weihnachten hier ein richtig großes Ding ist.“ Schon seit zwei Wochen seien die Finnen in vorweihnachtlicher Stimmung. „Vieles ist ähnlich wie bei uns“, sagt der Langenberger Schüler, „aber hier ist es doch noch viel traditioneller, als in Deutschland“.
Technologiebegeisterung und gutes Schulsystem
Doch warum ausgerechnet Finnland? Nicht gerade das klassische Ziel für ein Auslandsjahr während der Schulzeit, oder? „Vor vier Jahren etwa habe ich mich entschlossen, dass ich Finnland mag“, sagt der 16-Jährige. „Das Land ist technologisch so viel weiter als wir, auch das Schulsystem hat mir gut gefallen.“
Dieser Eindruck habe sich nun erst recht verfestigt. „In der Schule geht es weniger streng zu und es gibt weniger Notendruck“, erzählt er. „Es gibt zum Beispiel keine mündlichen Noten.“ Zudem finde sehr viel digital oder online statt, „wir müssen zum Beispiel keine schweren Bücher mehr schleppen.“ Dem Niveau des Bildungssystem schadet das alles auch nicht, das zumindest legen die regelmäßigen Studien der OECD nahe: In denen landet Finnland regelmäßig auf einem Spitzenplatz.
Sprache? Kein Problem, „Finnen sprechen sehr gut Englisch“
Aber ist die Sprache nicht eine große Hürde? „Theoretisch ja“, sagt Merlin Wolff. Seit anderthalb Jahren lerne er Finnisch, „aber ich kann mich kaum mit den Leuten hier unterhalten. So schwierig ist das“. Beispiel gefällig? „Während Deutsch vier grammatikalische Fälle kennt, sind es im Finnischen zwölf.“
Was den Austausch dennoch erleichtert ist der Fakt, dass nahezu jede Finnin und jeder Finne gut bis sehr gut Englisch spricht. „Das ist Pflichtfach in der Schule“, sagt der Teenager aus Langenberg, „und selbst mit meinem Gastbruder, der ja erst 10 ist, klappt die Kommunikation super.“
Langenberger hat sich in Finnland eingelebt
Neben der Sprache habe ihm auch noch etwas anderes das Ankommen erleichtert. „Ich habe meine Gastfamilie schon im März zugewiesen bekommen und seit dem wöchentlich Kontakt mit denen gehabt.“ Während andere Austauschschüler ihre Gastfamilie manchmal erst kurz vor Start des Programms kennenlernen, „war es für mich eher wie ein Besuch bei guten Freunden. Ich hatte schon sehr viel Glück“.
Inzwischen hat Merlin Wolff sich gut eingelebt, das Leben in Finnland kennengelernt. Und so groß seien die Unterschiede zu Deutschland gar nicht, findet er. „Wie auch bei uns ist der Lebensstandard hier sehr hoch.“ Drei Dinge sind ihm aber trotzdem aufgefallen.
Hohe Preise, große Sicherheit
„Das Leben ist teuer, alles kostet rund 20 Prozent mehr, als in Deutschland.“ Teilweise sei das auf die Folgen des Ukraine-Krieges zurückzuführen, teilweise sei das aber auch gewollt. „Als Reaktion auf Übergewicht bei Kindern hat die Regierung eine Steuer für alles Zuckerhaltige eingeführt“, berichtet er. „Deswegen kostet eine Tafel Schokolade auch 4,50 Euro.“
Während die hohen Preise nicht so schön sind, gefallen dem Langenberger zwei andere Aspekte wesentlich besser: „Das gegenseitige Vertrauen unter den Menschen ist enorm hoch.“ Der Schüler nennt Beispiele: „Wer mit dem Roller oder Motorrad unterwegs ist, kann den Helm am Lenker fest machen. Der wird dann auch nicht geklaut.“
Und in seiner Schule gebe es eine Süßigkeiten-Box mit Selbstbedienung. Bezahlt wird in eine Kasse neben der Box. „Es würde keiner auf die Idee kommen, nicht zu bezahlen. Oder gar Geld aus der Kasse zu nehmen. Das funktioniert hier einfach.“
Wenn Finnen Freundschaft schließen, dann richtig
Vielleicht hänge das auch mit der Mentalität der Finnen zusammen, überlegt er. „Die Menschen hier sind sehr introvertiert, es dauert, bis man als Fremder Kontakt bekommt.“ Zwar würden sich seine finnischen Mitschülerinnen und Mitschüler durchaus für die Austauschschüler interessieren, „aber sie sprechen einen nicht sofort an“.
Das sei am Anfang gewöhnungsbedürftig gewesen. „Wenn man aber einmal das Vertrauen der Finnen gewonnen hat, sich einmal mit ihnen angefreundet hat, dann verliert man das auch nicht mehr so schnell. Die Freundschaft fühlt sich irgendwie echter an, tiefer.“
Nun dauert es nicht mehr ganz so lange, dann muss Merlin Wolff schon wieder nach Hause. Im Januar ist das halbe Jahr Austausch vorbei, „und ich bereue es schon, dass ich nicht für ein Jahr bleiben kann“. Und was nimmt er mit? „Ich habe die Sauna für mich entdeckt, das ist so entspannend“, schwärmt er. „Diese Sauna-Kultur hier ist mit nichts vergleichbar. Ich liebe es.“