Velbert. Beim Öffnen der Post fällt eine Velberterin aus allen Wolken: Sie soll für ihren Wasserverbrauch plötzlich eine sechsstellige Summe zahlen. Der Grund.
Sonja van der Pütten bringt so schnell nichts aus der Fassung. Als Mitglied der Bezirksvertretung Mitte, wo sie als sachkundige Bürgerin für die Piraten aktiv ist, und Geschäftsführerin der Alfred und Helga Barnhusen Stiftung ist sie mit vielen Themen in Velbert vertraut. Doch mit diesem Brief bzw. diesem Inhalt hätte sie „nie im Leben“ gerechnet, wie sie im Gespräch mit der Redaktion – noch immer etwas fassungslos – schildert.
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Es handelte sich um Post von den Stadtwerken Velbert: die Wasserrechnung für die Grundstücksgemeinschaft Borsigstraße. Der Energieversorger forderte für die letzten zwölf Monate die stolze Summe von 107.453,88 Euro – und als Abschläge für die künftige Lieferung Ende November direkt noch einmal 7756 Euro, Ende Dezember dann „nur“ noch weitere 3878 Euro.
Velberterin starrt ungläubig auf die astronomische Rechnung
„Ich habe erst einmal ungläubig auf die Rechnung gestarrt und dann tief Luft geholt“, so Sonja van der Pütten. Schließlich verbrauchen wir am betreffenden Zähler nur rund ein paar hundert Kubikmeter im Jahr – also bewegen wir uns preislich im gerade einmal im unteren vierstelligen Euro-Bereich.“ Berechnet worden waren hingegen 31.428 Kubikmeter.
Das ist der Grund für die völlig überhöhte Rechnung
Sonja van der Pütten reagierte schnell, widerrief die Einzugsermächtigung, kontaktierte die Stadtwerke. Den Grund konnte sie sich dann nach und nach zusammenreimen: Im September 2023 – also vor mehr als einem Jahr – hatte eine Ablesung durch die Stadtwerke einen exorbitant hohen Verbrauch ergeben. Schnell war klar, dass es einen massiven Wasserschaden gegeben haben musste. „Dazu waren wir damals natürlich im Austausch mit den Stadtwerken“, sagt Sonja van der Pütten. Der Schaden wurde beseitigt, in Rechnung gestellt wurde der Grundstücksgemeinschaft der Durchschnittsverbrauch der Vorjahre. Der darüber hinausgehende Betrag sollte separat ausgewiesen werden, um diesen bei der Versicherung einreichen zu können. „Das ist bis heute nicht passiert“, sagt Sonja van der Pütten.
Stadtwerke Velbert geben geschätzten Wert an
Als die Geschäftsführerin die Rechnung studierte, stellte sie fest, dass für die aktuelle Berechnung nicht etwa ein tatsächlicher Zählerstand zugrunde gelegt wurde, sondern eine Schätzung – die wiederum offenbar auf einem hierfür nicht korrigierten Wasserschaden-Wert basierte. Van der Pütten: „Hätte man einfach den Zähler abgelesen, wäre man auf den korrekten Wert von 576 Kubikmetern gekommen und nicht auf einen Schätzwert von 31.428 Kubikmetern.“
Das sagen die Stadtwerke zu dem Vorfall
Auf Anfrage der WAZ haben die Stadtwerke den ganzen Fall noch einmal geprüft: „Im Zeitraum vom 20. September bis zum 6. Oktober 2023 kam es bei der Kundin zu einem Wasserrohrbruch, zu dem wir bereits im vergangenen Jahr in Kontakt standen“, bestätigt Stadtwerke-Sprecherin Karina Tigges die Schilderungen von Sonja van der Pütten. „Im Falle von Wasserrohrbrüchen, die zu einem erheblichen Mehrverbrauch führen, besteht die Möglichkeit, einen Kulanzantrag auf Rechnungsminderung bei uns einzureichen. Dieser Antrag wird individuell geprüft. In unseren Regelungen ist festgelegt, dass bei gemeldeten Schäden, die durch eine Versicherung abgedeckt sind, üblicherweise kein zusätzlicher Nachlass von unserer Seite erfolgt, da die Kosten in solchen Fällen durch die Versicherung übernommen werden. Aus Kulanz haben wir uns in diesem Fall mit der Kundin jedoch auf einen Nachlass geeinigt.“
Zähler wurde abgelesen, der Wert aber nicht korrekt übertragen
Am 4. September dieses Jahres sei der betreffende Zähler durch die Stadtwerke abgelesen worden – „jedoch kam dieser Zählerwert aufgrund eines Übertragungsfehlers nicht in unserem System an“, so Karina Tigges. In der Folge sei der Verbrauch auf Basis der vorherigen Ablesung geschätzt worden, „was aufgrund des Wasserrohrbruchs zu einer ungewöhnlich hohen Verbrauchsschätzung und damit zu einer entsprechend hohen Rechnung führte“.
Nach Rücksprache mit der Kundin habe man zur Klärung ein aktuelles Foto des Zählers angefordert, die Rechnung sei daraufhin zur Korrektur angewiesen worden „und ist mittlerweile storniert und angepasst“, so die Stadtwerke-Sprecherin. . Das aktuell hohe Aufkommen von Anfragen habe möglicherweise zu Verzögerungen in der Bearbeitung geführt – man werde die Kundin aber „zeitnah über den aktuellen Stand informieren“, so Tigges. „Wir bedauern die entstandenen Unannehmlichkeiten und arbeiten kontinuierlich daran, unseren Service weiter zu verbessern, um solche Situationen künftig zu vermeiden.“
Sonja van der Pütten hofft, dass nun zumindest die richtigen Daten an die Stadt Velbert übermittelt werden, denn diese berechnet anhand des Wasserverbrauchs die Abwassergebühren. „Sonst haben wir da den nächsten Handlungsbedarf“, sagt die Stadtwerke-Kundin seufzend. „Man hat ja auch nichts anderes zu tun.“