Velbert. Jedes Jahr freut sich Svenja mit ihrem Pferd Carlo auf St. Martin. Der einstige Traber ist nun die Attraktion bei zwei Martinszügen in Velbert.

Entspannt steht Carlchen auf dem Hof vor seiner Box. Mal gibt er Herrchen Nils ein Küsschen, mal schlabbert er genüsslich die Hände von Frauchen Svenja ab. Das fuchsfarbene Halbblut ist entspannt und stets zu einem Scherz aufgelegt.

Eigentlich heißt Carlchen ja Carlo von Quattro, doch so nennt ihn schon lange niemand mehr. Lediglich das Schild an der Boxentüre lässt noch auf seine Vergangenheit schließen. Denn Carlchen ist ein echtes Rennpferd, war einst als Traber auf der Rennbahn erfolgreich. Lange ist das schon her. Mit drei Jahren hatte Svenja Blümel ihn übernommen. Doch dass auch ihm mal ein Sankt-Martinspferd wird, daran hatte sie vor 12 Jahren noch nicht gedacht.

Pferd Carlchen ist das Highlight bei Velberter Martinsumzug

„Am Anfang war er nicht so entspannt“, erinnert sich Karlchens Besitzerin. „Bis auf die Rennbahn und das Gelände war alles für ihn ungewohnt“, erinnert sich die 28-jährige zweifache Mama. „Er brauchte eine Bezugsperson“. Die fand er in Svenja schnell und so wurde aus dem schnellen Traber ein braves, nervenstarkes Dressurpferd, das heute, mit 15 Jahren, auch einige Tricks beherrscht.

„Irgendwann hat uns dann mal jemand gefragt: Sag mal, du reitest doch, könntest du nicht der Sankt Martin für unseren Umzug sein?“ und Svenja zögerte nicht lange und sagte zu. „Wir haben dann viel mit Carlchen geübt.“ Nicht nur ins Gelände und an Straßen entlang sind sie mit dem Fuchswallach gegangen, sie haben in der Halle auch Antischrecktraining mit ihm gemacht. „Von Regenschirmen über Plastiktüten bis hin zu Steinen, die wir in Blechdosen geschüttelt haben. Wir haben sogar Leute um ihn herumspringen lassen.“ Für Carlchen alles kein Problem. Auch den ersten Martinszug führt er mit Bravour an. „Dann wurden die Nachfragen immer mehr, wir hatten auch mal eine Anzeige bei Kleinanzeigen geschaltet“, erinnert sich Svenja.

Svenja Blümel, sie ist dieses Jahr in Velbert die St. Martina
Nils und Svenja Blümel mit ihrem Pferd Carlchen. Für sie ist der Fuchswallach mehr als nur ein Tier: Er ist ein Familienmitglied. Beide sind stolz, dass auf ihn als Martinspferd Verlass ist. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Doch dann wurde es einfach zu viel.“ In der Höchstphase waren Carlchen und Svenja „täglich vom 4. bis zum 9. November unterwegs. Nur am Wochenende nicht.“ Und so beschließt die junge Familienmama, „wir reiten nur noch dort, wo wir persönlich gefragt werden.“

Für Velberterin Svenja ist St. Martina eine Herzenssache

Für Svenja Blümel ist der Auftrag, als „St. Martina“ unterwegs zu sein, eine Herzenssache. „Das Pferd gehört für mich zum Martinszug dazu. Es kommt ja sogar im Lied vor, dass Sankt Martin auf einem Pferd reitet.“ Auch liebt sie es, wenn sie mit ihrem Auftritt Kinderaugen zum Leuchten bringt. „Besonders natürlich, wenn es Kids sind, die vielleicht noch nie in ihrem Leben ein echtes Pferd gesehen haben.“ Und auch für Karlchen sind die Umzüge stets ein absolutes Highlight. „Er liebt Kinder einfach und sich von ihnen bekuscheln zu lassen.“ Für Svenja ist „es ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man da mit seinem selbst ausgebildeten Pferd steht, das mir uneingeschränkt vertraut.“ Dass jemand übrigens mal nach einem männlichen Reiter fragt, kam bislang nicht vor. „Wohl aber, ob wir nicht auch einen Schimmel haben, denn eigentlich ist St. Martin ja mit einem weißen Pferd unterwegs.“

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Die größte Herausforderung für Carlchen bei den Martinsumzügen sind die nicht Fahrzeuge oder die vielen Menschen. Auch die Musik und die Fackeln stören ihn nicht. und das, obwohl er seit fast neun Jahren auf einem Auge blind ist. „Am schwierigsten sind die unterschiedlichen Böden. Carlchen ist vorne und hinten beschlagen. Wenn es regnet, dann ist es in der Fußgängerzone sehr rutschig.“

Svenja Blümel, sie ist dieses Jahr in Velbert die St. Martina
Carlchen freut sich schon darauf, bald wieder im Mittelpunkt zu stehen. Besonders die vielen Kinder um ihn herum liebt er. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Speziell geübt wird mit dem Martinspferd nicht mehr. „Aber wir nehmen ihn raus aus dem Training, gehen mit ihm mehr ins Gelände ausreiten zur Entspannung“, denn das langsame Schritt-gehen vor dem Zug ist sehr anstrengend. Als Belohnung bekommt Carlchen eine besondere Mahlzeit: Mash mit Malzbier, „das ist für ihn wie für uns Schokolade“, und „ein Zuckerstückchen. Das darf er sonst auch nie.“ Und ab und fällt sogar ein Stück Weckmann für ihn ab. Die liebt er nämlich fast so sehr, wie die Kinder, die sich immer um ihn scharen. Wenn er die Martinszüge absolviert hat, bekommt er noch eine Woche „Entspannungszeit und Tüddelprogramm“. Denn das hat sich der Traber dann mehr als verdient.

Bald schon ist es wieder so weit. Bei drei Martinszügen werden die Beiden dann zur Hauptattraktion. Am 6. November beim Martinszug am Bartelskamp, am 7. November an der Christuskirche und am 8. geht es für die Beiden nach Hattingen. Dass sie beim Martinszug an der Christuskirche dabei ist, ist übrigens kein Zufall. „Meine Tochter geht zur Kita Glückspilz, die ihn mit ausrichtet.“ Und die ist natürlich mächtig stolz, wenn ihre Mama als Sankt Martina mit Carlo den Zug anführt. Wer übrigens den Alltag von Carlchen und seiner Familie bei Tiktok folgen. Dort heißen sie carlo.fuchsteufelswild

Svenja Blümel, sie ist dieses Jahr in Velbert die St. Martina
Ein gutes Team: St. Martina Svenja und ihr Carlo von Quattro © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska