Neviges. Vor 50 Jahren gründete sich der Bürgerverein in Neviges, entstanden aus einer aufmüpfigen Gemeinschaft. Der Vorsitzende erinnert sich.
Noch gut ist August-Friedrich Tonscheid jener Tag im Mai 1974 im Gedächtnis, als die Stadthalle an der Wilhelmstraße in Velbert-Neviges aus allen Nähten platzte: „400 Leute, das war rappelvoll, da war richtig Stimmung“, erinnert sich das Nevigeser Urgestein (75). Geklatscht oder gejubelt über eine Aufführung hatte da allerdings niemand, vielmehr war die Stimmung aufgeheizt, kämpferisch. „Damals hatte sich eine Kommission zusammengesetzt.“ Ziel der Interessensgemeinschaft: Für ein unabhängiges Neviges zu kämpfen, die Pläne der Politik zu durchkreuzen, dass Neviges künftig im Zuge der kommunalen Neugliederung zu Velbert gehören sollte. Was bekanntermaßen misslang.
Fünf Monate später gründete sich in der Glocke der Bürgerverein (BV) Neviges. „Wir wollten ein Auge darauf haben, dass Neviges nicht zu kurz kommt“, sagt August-Friedrich Tonscheid, damals Gründungsmitglied und seit 2017 erster Vorsitzender des Vereins, der inzwischen Bürgerverein Hardenberg-Neviges heißt.
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Vorweg gesagt: Heute ist der engagierte Nevigeser, der in Tönisheide aufgewachsen ist, überzeugt, dass Neviges als selbstständige Stadt finanziell keine Chance gehabt hätte. Aber auch heute noch setzt sich der engagierte Nevigeser mit viel Herzblut und Wissen für sein Neviges ein. Und auch heute noch, wie vor 50 Jahren bei der Gründungsversammlung in der Glocke, lautet die erste und goldene Regel: Der Bürgerverein muss parteipolitisch unabhängig sein.
Dem Bürgerverein in Velbert-Neviges fehlt der Nachwuchs
„Da war und bin ich immer konsequent, ich trenne Politik und Ehrenamt“, sagt der 75-Jährige mit Nachdruck, der auch leidenschaftlicher Politiker ist: Vor 30 Jahren gründete er die Wählergemeinschaft „Velbert anders“, ist seitdem auch ihr Vorsitzender.
Was nicht heißt, dass sich Bürgervereine nicht einmischen dürfen, sondern es vielmehr sogar sollen, wenn „man das Gefühl hat, da läuft was schief“, so Tonscheid. Auch, wenn die „Wachhunde auf der Rathaustreppe“, wie unter anderem Heinz Schneckmann, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Bürgervereine des Kreises, die Bürgervereine einst nannte, nicht mehr so laut kläffen oder gar beißen: „Der Politik auf die Finger zu schauen, das hat sich irgendwann tot gelaufen“, sagt Tonscheid, eine Existenzberechtigung hätten Bürgervereine aber nach wie vor. Es habe sich nur einiges geändert, was auch damit zusammenhänge, dass etwa dem Bürgerverein Hardenberg-Neviges der Nachwuchs fehlt. „Und dann wird es auch schwierig, etwa Feste zu organisieren, dazu braucht man einfach auch ein paar jüngere Leute.“
Treffen bei „Seidl“
Der Bürgerverein Hardenberg-Neviges trifft sich jeden zweiten Freitag im Monat um 18 Uhr im Restaurant „Parkhaus Seidl“, Bernsaustraße 35. Es ist ein offenes Treffen, man muss kein Mitglied sein, Gäste sind stets willkommen. Häufig werden auch Referenten zu bestimmten Themen eingeladen. Nächster Termin ist Freitag, 8. November.
Eine Mitgliedschaft kostet 15 Euro im Jahr. Bei Interesse: Anmeldung auf Facebook Bürgerverein Hardenberg-Neviges, oder eine Mail schreiben an: tonscheid@t-online.de
Und die standen voller Tatkraft und unverzüglich parat am 14. Oktober 1974 bei der Gründungsversammlung in der Glocke: Von den knapp 80 Leuten, die aus Interesse kamen, traten über 50 sofort ein, darunter auch der heutige Vorsitzende. Sehr fix sei auch die Wahl über die Bühne gegangen, erinnert sich August-Friedrich Tonscheid: Erster Vorsitzender war Alois Stüber, zweiter Vorsitzender Kurt Sprungmann, zur Geschäftsführerin wurde Virginia Steinmetz gewählt. Manfred Hagling übernahm das Amt des Schriftführers, Schatzmeister wurde Bernd Haseke. Beisitzer waren damals Ilse Becks, Günter Flück, Karl Anton Kaiser und Klaus Stüken, einst auch Kopf der kämpferischen Interessensgemeinschaft.
Unter anderem wurde damals festgelegt, dass stets jemand aus dem Vorstand jeden Montag von 17 bis 19 Uhr in der Glocke eine Sprechstunde abhält, in der die Bürger Sorgen und Nöte los werden konnten. Wohl gemerkt, jeden Montag. Innerhalb weniger Tage hatte der neue BV 120 Mitglieder, zufälligerweise ist das genau die Zahl, die auch jetzt, im Jubiläumsjahr, auf den Verein zutrifft. In dem übrigens nicht immer eitel Sonnenschein herrschte: Ende der 90er Jahre kam es zu einer Abspaltung, da hatten einige Mitglieder ihren eigenen Bürgerverein Hardenberg gegründet, doch bereits 2011 stand die Fusion zum heutigen Bürgerverein Hardenberg-Neviges an.
Wiese im Stadtgarten gepachtet
Als August-Friedrich Tonscheid im Sommer 2017 gefragt wurde, ob er nicht den Vorsitz übernehmen könne, sah es hier alles andere als rosig aus: kaum Aktivitäten, der Verein drohte in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. „Ich hab dann ein paar Flyer verteilt, auch in Neubaugebieten, das war wohl ganz gut“, sagt Tonscheid beiläufig und lässt unerwähnt, dass innerhalb eines Jahres 30 neue Mitglieder gewonnen werden konnten, darunter auch jüngere Leute. „Wir hatten sogar 200 Mitglieder, leider jetzt eben nur 120. Viele sind gestorben, das ist einfach so.“
In seiner Amtszeit hat er zahlreiche Treffen auf die Beine gestellt, war auch der Initiator, als der Verein 2018 von den TBV die Wiese im Stadtgarten pachtete. Nicht nur für die Herbstfeste, auch die Boulebahn wurde hier auf Vordermann gebracht, zwei Vereins-Hütten aufgestellt. Dass die insgesamt acht Mal aufgebrochen wurden, ist mit ein Grund, warum ausgerechnet zum 50. Geburtstag kein Fest im Stadtgarten steigt: „Unter diesen Umständen hab ich einfach keine Lust.“
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Auch, wenn der Bürgerverein jetzt hauptsächlich etwas für die Geselligkeit tut, „man muss die Leute mal rausholen aus ihrem Alltag“, so der engagierte Ehrenamtler, nach wie vor gibt es hier auch ganz konkrete Unterstützung. „Ich hab letztens mal jemandem beim Wohngeld-Antrag geholfen. 18 Seiten, da steigt man ja wirklich kaum durch. Oder die Pflege-Versicherung ...“ Und so ist, bei aller Veränderung, ein bisschen was von den hehren Ziele geblieben, die sich der Bürgerverein einst bei seiner Gründung gesetzt hat: „sich aller Probleme anzunehmen und versuchen, zu helfen“.