Velbert/Wülfrath. Silvana und Üzeyir kämpfen in Flandersbach um das Leben ihres Hundes. Ihre 156 Hühner helfen ihnen dabei. Das ist ihre berührende Geschichte.

Was tut man, wenn man weiß, dass der eigene Hund in dieser Nacht sterben wird? „Wir haben die ganze Nacht damit verbracht, uns von ihm zu verabschieden“, erzählt Silvana Özlemis. Sie sitzt auf der Terrasse ihres kleinen Bauernhofs in Flandersbach, senkt den Blick und ascht ihre Zigarette hinter ihrem Rücken ab, damit man ihre glasigen Augen nicht sieht. „Der Tierarzt hat uns damals eine Menge Tabletten mitgegeben, darunter auch fünf Wassertabletten. Der arme Hund wusste gar nicht mehr, wie ihm geschah. Irgendetwas kam mir merkwürdig vor“, erzählt sie weiter. Schließlich entschied sie sich, nicht alle Tabletten zu verabreichen – eine Entscheidung, die ihrem zum Tode geweihten Hund das Leben gerettet hat.

„Ich kenne deine Tricks“, sagt die 31-jährige zu ihrem Kangal Ceza, als er die in einer Wurstscheibe versteckte Tablette rausschmeckt und ausspuckt. Beim zweiten Versuch schluckt er sie – ein cleverer Schachzug, um noch eine weitere Wurstscheibe zu ergattern. Ceza ist ein „liebevoller Frechdachs“, verrückt nach Leckerchen, ein Hass auf Fliegen, und immer auf Kuschelkurs – außer draußen, das ist ihm peinlich. Seit seiner DCM-Diagnose musste er oft hören, wie lange er noch zu leben hätte: ein Jahr, ein paar Monate, vielleicht nur noch diese Nacht. Am 17. September feiern er und sein Bruder Cezur ihren vierten Geburtstag. Doch um die Kosten für Medikamente und Tierarztbesuche zu decken, muss die Familie Tag und Nacht arbeiten.

Schock-Diagnose DCM: Das war der Auslöser

(L-R) Silke Emgenbroich, Spendeinitiatorin, Hund Ceza und Besitzerin Silvana Özlemis vom Kleinen Wülfrather Bauernhof.

„„Ich hatte das Gefühl, die Ärzte haben von Anfang an das Tier als Experiment betrachtet““

Silvana Özlemis

Als Ceza gerade einmal sechs Monate alt war, soll er plötzlich beim Gassigehen aufgeschrieen haben. Beim Tierarzt sei eine Bauchspeicheldrüseninsuffizienz diagnostiziert worden. „Er sollte 15 Novalgin-Tabletten pro Tag bekommen. Wir fragten: Ist das nicht ein bisschen viel? Nein, das ist angemessen, wurde uns gesagt. Er ist groß, und bei solchen starken Schmerzen seien 15 Novalgin-Tabletten nötig“, erzählt Ehemann Üzeyir Özlemis, 43. Doch bald darauf habe Ceza immer wieder das Bewusstsein verloren. Der Tierarzt habe festgestellt, dass die Medikamente eine Anämie ausgelöst hatten. Silvana beschloss, sich eine Zweitmeinung einzuholen.

Der herzkranke Kangal Ceza aus Wülfrath trägt ein T-Shirt, um den Juckreiz zu lindern. Statt einer unbequemen Halskrause möchte Silvana ihm eine möglichst angenehme letzte Zeit schenken.
Der herzkranke Kangal Ceza aus Wülfrath trägt ein T-Shirt, um den Juckreiz zu lindern. Statt einer unbequemen Halskrause möchte Silvana ihm eine möglichst angenehme letzte Zeit schenken. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Der neue Tierarzt habe sie schließlich zu einem Kardiologen überwiesen, wo sie schließlich die Schockdiagnose erhielten: DCM im Endstadium. „Sein Herz klingt wie Turnschuhe in der Waschmaschine“, beschreibt Üzeyir die Krankheit. DCM, eigentlich als „Dobermann-Krankheit“ bekannt, ist eine Herzmuskelerkrankung, bei der der Herzmuskel sich vergrößert und ausweitet. Man habe festgestellt, dass es sich um eine nicht genetisch bedingte Form der Krankheit handele. Denn: Die falschen Medikamente sollen die Krankheit ausgelöst haben. „Ich hatte das Gefühl, die Ärzte haben von Anfang an das Tier als Experiment betrachtet“, klagt Silvana.

So viel kostet Kangal Cezas Behandlung

Auch interessant

Silvana, Üzeyir und Ceza haben unzählige Tierarztbesuche hinter sich. Laut ihnen, geben sie fast jeden Monat 500 bis 600 Euro für Cezas Medikamente, und eine Arthrosespritze für etwa 160 Euro aus. Alle drei Monate kommen weitere 300 bis 400 Euro für den Kardiologen hinzu. Insgesamt belaufen sich dann die monatlichen Ausgaben für Cezas Behandlung auf über 800 Euro. „Wegen der Tabletten muss er sich ständig jucken. Dagegen haben sie uns Salben, Spritzen und noch mehr Tabletten verschrieben – das hat uns 573 Euro gekostet, aber nichts geholfen. Jetzt habe ich ihm Kokosnusscreme aufgetragen, und er juckt sich nicht mehr“, erzählt Silvana und zuckt mit den Schultern. Sie sei sich nicht mehr sicher, was guter tierärztlicher Rat ist und was reine Geldmacherei. Die Versicherung weigere sich, auch nur einen Cent zu übernehmen.

Ceza versteht sich mit allen: Selbst mit den Hühnern auf dem Wülfrather Bauernhof lebt der herzkranke Hund friedlich zusammen.
Ceza versteht sich mit allen: Selbst mit den Hühnern auf dem Wülfrather Bauernhof lebt der herzkranke Hund friedlich zusammen. © Silvana Özlemis

„Am Telefon hat man uns das Blaue vom Himmel versprochen, ‚Ja klar, wir unterstützen euch‘, wurde uns gesagt“, berichtet Silvana. Nachdem ihre ursprüngliche Versicherung keine Unterstützung für Ceza geboten habe, entschieden sie sich für einen Wechsel. Am Telefon soll das Pärchen die Mitarbeiter ausführlich über ihre Situation informiert haben, einschließlich der Herzkrankheit. Doch nach Vertragsabschluss kam die große Enttäuschung: Die neue Versicherung lehnte die Kostenübernahme ab, da die Herzkrankheit bereits vor Vertragsbeginn bekannt war. Silvana und Üzeyir fühlen sich betrogen.

Mit dem Wülfrather Eiermobil die Tierarztrechnungen stemmen

Auf dem Wülfrather Bauernhof finanziert das Eiermobil Cezas teure Medikamente.
Auf dem Wülfrather Bauernhof finanziert das Eiermobil Cezas teure Medikamente. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Üzeyir arbeitet Vollzeit als Maler und Lackierer, während Silvana, ausgebildete Automobilkauffrau, sich nun um den Hof und um Ceza kümmert und nebenbei Teilzeit als Fahrerin arbeitet. Auf ihrem Hof leben 156 Hühner, 8 Wellensittiche, 6 Wachteln, 2 Laufenten, 3 separate Haushühner, 2 zugelaufene Kater und die Kangale Ceza und Cezur. Silvana und Üzeyir müssen schmunzeln: Wenn sie sich keine Tiere bewusst anschaffen, finden diese ihren Weg zu ihnen. Oft retten sie Tiere vor dem Schlachthof und päppeln sie wieder auf. „Wir sind einfach tierlieb. Wir können nicht anders“, sagt Üzeyir lachend.

Ein stolzer Hahn wacht über den kleinen Wülfrather Bauernhof.
Ein stolzer Hahn wacht über den kleinen Wülfrather Bauernhof. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Finanziell ist die Situation trotzdem alles andere als einfach. Hühner wollten Silvana und Üzeyir schon immer haben – angefangen haben sie mit 10, dann wurden es irgendwann 80 und jetzt sind es 156. Auf dem Hof verkaufen sie die Eier: 3,50 Euro für eine Zehnerpackung. Mit dem Erlös finanzieren sie Cezas Medikamente. Sie haben an der Eierklappe sogar eine treue Stammkundschaft, doch der Hof bedeutet viel Arbeit und deckt die Kosten bei weitem nicht vollständig ab. Monat für Monat kämpfen sich Silvana und Üzeyir gerade so über die Runden. Sich selbst etwas zu gönnen oder auszugehen, ist für sie nicht drin. Silvanas Arbeitskolleginnen Sibel Seker (40) und Silke Emgenbroich (44) hatten anfangs nur am Rande von Silvanas Situation mitbekommen, bis sie schließlich selbst aktiv wurden.

Gofundme Spende für Ceza: „Hatte anfangs keine Ahnung“

Auch interessant

„Die beiden sind herzensgut. Sie helfen uns manchmal auf dem Hof, damit wir auch mal durchatmen können“, erzählt Silvana über ihre Kolleginnen. Eines Tages erfuhr sie von einer Gofundme-Spendenaktion für einen kleinen Bauernhof mit einem herzkranken Hund. „Ich wollte sofort spenden – die Armen, denen geht’s genauso wie uns!“ Was Silvana nicht wusste: Diese Spendenaktion hatten ihre Kolleginnen ins Leben gerufen, um ihr und Üzeyir zu helfen. Eigentlich hatten sie geplant, die Aktion heimlich laufen zu lassen und Silvana eines Tages mit dem gesammelten Geld zu überraschen.

Silvana Özlemis umgeben von ihren 156 Hühnern auf dem Wülfrather Bauernhof.
Silvana Özlemis umgeben von ihren 156 Hühnern auf dem Wülfrather Bauernhof. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

„Erst kürzlich hatte Ceza eine Magendrehung. Die Klinik rief ständig an, um zu fragen, ob das Geld schon überwiesen wurde.“ Finanziell ist es eine Herausforderung für Silvana und Üzeyir, aber sie haben gelernt, mit wenig auszukommen und trotzdem ein erfülltes Leben zu führen. Doch unerwartete Ausgaben reißen immer wieder ein Loch in die Kasse. Bisher konnten die beiden Kolleginnen „nur“ 100 Euro sammeln, hoffen aber auf weitere Spenden. Die Spendenaktion mit dem Titel „Ein Herz für Tiere“ ist auf der Webseite Gofundme.de zu finden.

Tiere aus Velbert – Mehr zum Thema