Velbert. Ein Buch von Sara Malangeri und Jürgen Lohbeck wirft ein Licht auf die erschütternden Lebensbedingungen von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg.

Auf den Velberter Friedhöfen erinnern einige Grabsteine an sie, doch ihre Schicksale sind aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden, wenn nicht verdrängt. Mehr als 12.000 Zwangsarbeiter lebten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs allein in Velbert-Mitte, das damals insgesamt etwas mehr als 30.000 Einwohner hatten. Ihr Schicksal hat Sara Malangeri bewegt, sie widmete ihnen ihre Diplomarbeit, die nun ergänzt um einige Kapitel durch Jürgen Lohbeck, den Vorsitzenden des Geschichtsvereins, als Buch erschienen ist. Herausgegeben hat „Zwangsarbeit in Velbert“ der Velberter Scala-Verlag.

Gebürtige Velberterin entdeckte das Thema für sich

Während ihres sozialwissenschaftlichen Studiums ist die gebürtige Velberterin Sara Malangeri mit dem Thema Zwangsarbeit in Berührung gekommen und wollte wissen, wie es um die Zwangsarbeit in ihrer Heimatstadt bestellt war. Schnell stellte sie fest, dass es keinerlei größere Abhandlungen zu dem Thema gab. Im Velberter Stadtarchiv lagerten nur mehr als 12.000 Karteikarten, eine für jeden Zwangsarbeiter, die noch nie wissenschaftlich untersucht worden waren. So war das Thema für die Diplomarbeit gefunden.

Das Buch „Zwangsarbeit in Velbert“  ist im Scala-Verlag erschienen.
Das Buch „Zwangsarbeit in Velbert“ ist im Scala-Verlag erschienen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Viele Zwangsarbeiter waren sehr jung

„Was ich am meisten erschüttert hat, war das Alter der Zwangsarbeiter, aus Russland, Polen oder Westeuropa. Die größte Zahl von ihnen war zwischen 14 und 20 Jahre alt“, sagt die Sozialwissenschaftlerin. Die zweitgrößte Gruppe war zwischen 21 und 25 Jahre alt. Untergebracht waren sie entweder in Unterkünften bei ihren Dienstherren oder in größeren Lagern bei den jeweiligen Industriebetrieben, oft beinahe mitten in der Stadt. „Diese Lager sind auf Luftbildern aus den Kriegsjahren gut zu erkennen“, erklärt Jürgen Lohbeck bei der Vorstellung des Buches. Über die Karteikarten erschließt sich, dass jede größere Firma zahlreiche Zwangsarbeiter beschäftigte. So lebten bei Yale 340 Zwangsarbeiter, bei August Engels waren es 141 Arbeiter und zwei Arbeiterinnen, bei CES 63, bei der Holzhandlung Voß 238, bei Witte 187, bei HUF 244, bei Woeste 185 und Tiefental 372, um nur einige zu nennen. Im Buch sind die Zwangsarbeiterwohnplätze nach Straßen sortiert aufgeführt.

Auch an der heutigen Schmalenhofer Straße gab es ein Zwangsarbeiterlager.
Auch an der heutigen Schmalenhofer Straße gab es ein Zwangsarbeiterlager. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Keine Bewegungsfreiheit

Während sich die Zwangsarbeiter aus den westlichen Staaten noch relativ frei in der Stadt bewegen konnten, war die Freizeit der Ostarbeiter durch viele Sicherheitsvorkehrungen drastisch geregelt, „deutsche Volksgenossen“ sollten nicht gestört werden, hieß es in einer Anweisung. Kontakte waren unerwünscht, ja wurden sogar bestraft. So schildert Malangeri den Fall eines deutschen Arbeiters, gegen den ermittelt wurde, weil er einen polnischen Zwangsarbeiter freundlich behandelt hatte. Ein anderer Pole wurde hingerichtet, weil er angeblich ein Liebesverhältnis zu einer deutschen Frau hatte.

Vortrag im Museum

In einer Veranstaltung des Bergischen Geschichtsvereins wird Sara Malangeri das Buch und ihre Arbeit am Dienstag, 20. August, im Deutschen Schloss- und Beschlägemuseum Velbert vorstellen. Der Vortrag zum Thema „Zwangsarbeit in Velbert im 2. Weltkrieg“ beginnt um 18.30 Uhr.

Kein Zugang zu Luftschutzräumen

Nach Angaben von Jürgen Lohbeck befinden sich unter den 673 in Velbert registrierten Kriegsgräbern mindestens 158 russische und 24 polnische Tote, dazu noch einige anderer Nationen. Diese ehemaligen Zwangsarbeiter seien verstorben an Entkräftung, Unterernährung, Krankheiten und teils an der Gewalt ihrer Peiniger. Nur wenige kamen durch Kriegseinwirkungen um, obwohl es den Zwangsarbeitern verboten war, sich in Luftschutzräumen aufzuhalten.

Die Baracken des Lagers Böttinger Platz wurde auch in der Nachkriegszeit noch Unterkünfte benutzt.
Die Baracken des Lagers Böttinger Platz wurde auch in der Nachkriegszeit noch Unterkünfte benutzt. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Pionierarbeit geleistet

Sara Malangeri hat mit ihrer Diplomarbeit Pionierarbeit geleistet, die es verdient hat, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu werden. Deswegen machten sich Stadtarchivar Ulrich Morgenroth und der Geschichtsverein für die Veröffentlichung stark. Jürgen Lohbeck hat Buch durch einen Blick auch auf Langenberg und Neviges bereichert, zudem liefert er umfangreiches Luftbildmaterial.

Das Buch „Zwangsarbeit in Velbert“ gibt es für 24 Euro im Buchhandel oder beim Scala-Verlag.