Neviges. Das SOS-Team wird die historischen Telefonzellen am Busbahnhof in Neviges nicht mehr bestücken. Das sind die Gründe für den Rückzug.

Sie haben beide Tränen in den Augen. „Wir haben uns immer so viel Mühe gegeben, haben alles in Schuss gehalten. Aber anscheinend gibt es Leute, die wollen uns hier weg haben“, sagt Michael Adler, Leiter des Gebrauchtwarenhauses des S.O.S-Teams in Velbert. Auch Carola Rother, engagierte Ehrenamtliche, hat einen dicken Kloß im Hals. „Die Bücherschränke, das war nach unserem Umzug das einzige, was von uns blieb in Neviges. Wir haben immer gesagt, das ist unser Mahnmal.“ Die rote britische Telefonzelle und das französische Pendant, beide gut gefüllt mit Büchern, sind seit 2011 ein Hingucker am Busbahnhof in Velbert-Neviges. All die Jahre wurden die Bücherschränke gehegt und gepflegt vom S.0.S. Team. Doch jetzt gibt der Verein frustriert auf.

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Ein Anblick, der nicht nur das S.O.S-Team ärgert: In einem der Bücherschränke liegt der Lesestoff achtlos auf dem Boden.
Ein Anblick, der nicht nur das S.O.S-Team ärgert: In einem der Bücherschränke liegt der Lesestoff achtlos auf dem Boden. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Noch schlimmer als den Vandalismus, als die wiederholt beschädigten Scharniere, die Michael Adler immer wieder repariert, ist für die beiden: Das Prinzip des Bücherschrankes werde von einigen nicht mehr verstanden, schlimmer noch, mit den Füßen getreten. Die Menschen mitten in Neviges kostenlos und unkompliziert mit Lesestoff zu versorgen, „zum Beispiel mit Romanen, bevor sie in die S-Bahn steigen“, so Michael Adler, das sei ja die Grundidee. Einfacher geht‘s nicht: ein Buch herausnehmen oder auch hineinlegen, ganz wie man mag. Doch seit etwa einem Jahr nehme der Missbrauch zu: „Viele benutzen unsere Schränke, um ihr Haus bequem zu entrümpeln. Manchmal haben wir da ganze Kartons mit Geschirr rausgeholt. Oder irgendwelchen Unrat.“ Was ihn am meisten schmerzt: „Wir kontrollieren immer alles, bringen es in Ordnung. Doch einen Tag später steht da irgendwelcher Müll drin. Und dann bekommen wir Anrufe von Bürgern, dass wir uns nicht um die Schränke kümmern, die verlottern lassen, werden beleidigt und beschimpft.“

Regelmäßig von Velbert-Mitte nach Neviges gefahren

So geht es auch: Im Schrank daneben ist alles in schönster Ordnung. Dafür hat bisher das S.O.S-Team gesorgt.
So geht es auch: Im Schrank daneben ist alles in schönster Ordnung. Dafür hat bisher das S.O.S-Team gesorgt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Abgabe nur nach Termin

Der Verein S.O.S.-Team, ein sozial-orientierter Service, ist mit seinem Gebrauchtwarenhaus im November 2020 von Neviges in die Schwanenstraße 48a in Velbert-Mitte gezogen.

Für den Einkauf ist das Gebrauchtwarenhaus montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Eine Spendenabgabe ist nur nach Termin möglich, montags bis donnerstags von 9 bis 15.30 Uhr und freitags 9 bis 14 Uhr. Kontakt 02051 8099230 oder per Mail: service@sos-team-ev.de. Weitere Informationen auf www.sos-team-ev.de

Sprachlos habe ihn auch folgender Anruf einer Frau gemacht: „Sie sagte, dass sie viele Bücher aus dem Schrank genommen hatte, um sie auf dem Trödelmarkt zu verkaufen. Sie sei aber nicht alle los geworden. Ob wir uns nicht an dem Tisch beteiligen wollten, den hätte sie ja extra für den Flohmarkt gekauft.“ Michael Adler schütteln den Kopf: „Ich hab dann nur aufgelegt.“ So sehr es ihm leidtue um all die Nevigeserinnen und Nevigeser, die den Bücherservice zu schätzen wissen: „Wir geben auf, so geht es einfach nicht mehr.“ Wer Michael Adler und auch Carola Rother kennt, der weiß, wie schwer ihnen dieser Schritt fällt. Auch nach dem Umzug 2020 von Neviges in die Schwanenstraße, so erzählen sie, sei man jeden Dienstag und Mittwoch von Velbert-Mitte zum Busbahnhof nach Neviges gefahren, um die Bücherschränke zu kontrollieren. Denn donnerstags, am Markttag, sei das Angebot besonders gern angenommen worden.

Inhalte der Bücher werden kontrolliert

„Die Neuzugänge bekamen unseren Stempel, Namen oder Widmungen der Vorbesitzer wurden unkenntlich gemacht“, erzählt Carola Rother, auch habe man stets einen Blick auf die Titel geworfen: Bücher mit rechtsradikalem Inhalt hätten dort ebenso wenig zu suchen wie Flyer einer „sektenartigen Gemeinschaft“, so Michael Adler. Noch gut können sich beide daran erinnern, als das S.O.S.-Team im Jahr 2011 die beiden Telefonzellen bekam, die früher in der Corby-Gasse in Velbert-Mitte standen: als Zeichen für die Partnerstädte Corby und Châtellerault.

Besitzer der Schränke sind die TBV

„Anfangs wurde sie ja tatsächlich als Telefonzellen genutzt. Als die Handys immer mehr aufkamen, hat die Telekom die Technik ausgebaut, seitdem gehören sie der Stadt“, erzählt Carola Rother. Da immer schon viele Bücher in dem Gebrauchtwarenhaus abgegeben wurden, das damals noch an der Bernsaustraße lag, hatte man sich um die beiden Telefonzellen als originelle Bücherschränke bemüht. Und sie bekommen. „Ich hab die dann ausgemessen, mit Brettern aus Bankirai-Holz ausgestattet. Das ist dafür das beste Holz, es musste ja robust und wetterfest sein“ erinnert sich Michael Adler wehmütig. Auch ihm lag das Bücherprojekt all die Jahre besonders am Herzen.

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Die beiden Telefon-Häuser sind nach wie vor Eigentum der Technischen Betriebe Velbert (TBV), die nun auch entscheiden, was künftig damit passiert. Carola Rother: „Wir finden das so schade, sind wirklich traurig. Aber was seit dem letzten Jahr alles vorgefallen ist, nein, es geht einfach nicht mehr.“