Velbert. Der Kabarettist begeistert das Publikum in der ausverkauften Vorburg. Es ist unser Alltag, den Netenjacob so treffend auf die Schippe nimmt.

Darf man angesichts der Lage in Europa Spaß haben? Das fragt sich Moritz Netenjakob gleich zu Beginn seines Auftritts in der Vorburg. Dort gastiert er mit seinem Programm „Das Ufo parkt falsch“. Sein Humor ist ihm vorausgeeilt und hat den Saal Corona-konform gefüllt: Ausverkauft. Zu Recht, denn das Publikum hängt an seinen Lippen, seine Stimmen schallen auf direktem Weg zu den Ohren und aktivieren die Lachmuskeln: mal langsamer, mal schneller, immer herzerfrischend.

Amüsante Parodien in der Vorburg Velbert-Neviges

Seine Stimmen? Ja, was sagen Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Jan Delay, Peter Maffay, Dieter Hallervorden, Gerhard Schröder, Gerd Rubenbauer, Karl Lauterbach oder Rainer Calmund zur Invasion aus dem Weltall? Moritz Netenjakob parodiert sie alle, amüsant typisiert und inhaltlich ins komisch Absurde transferiert. Dabei gewährt er den Zuschauern einen Einblick in seinen Kopf. Schlüsselreize lösen scheinbar den Sprung in die Rolle aus. Beispiel: Eierlikör, den er mit Udo Lindenberg verbindet oder Motorrad mit Peter Maffay.

Der Grimmepreisträger machte brüllend komische Beobachtungen. Sein Auftritt war eine Mischung aus Lesung und Schauspiel.
Der Grimmepreisträger machte brüllend komische Beobachtungen. Sein Auftritt war eine Mischung aus Lesung und Schauspiel. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Zwei Welten in einer Nummer

Oftmals zieht er in seinen Nummern zwei Welten zusammen und setzt Figuren hinein. Den Kölner Hooligan Rudi platziert er mit einer Flasche Bier in die Philharmonie, in der die 8. Symphonie von Schostakowitsch zu hören ist. Es ist ein Stück, das er vor 15 Jahren schrieb. „Ich wusste nicht, dass es noch einmal aktuell ist“, sagt er. Warum, erklärt er nicht. Er macht Corona-Andeutungen, mehr nicht. Doch sei erwähnt, dass musikwissenschaftlich diese Symphonie das Grauen des Krieges widerspiegelt. Schostakowitsch komponierte sie 1943. Es spielen Geiger gegen Bläser. Und Rudi grölt „Diri, wir wissen, wo dein Auto steht!“ Kurzweilig ist der Abend.

Vielleicht liegt es daran, weil er Einblick in sein privates Leben gibt, die Zuschauer mitnimmt, auch in seine türkische Großfamilie. Stets beginnt es nachvollziehbar und vertraut, so gesagt „normal“, bis er mit Analogien der Situation beschreibt oder Gedanken eines VIPs reinparodiert. Es entstehen urkomische Situationen, die er teilweise aus seinen Büchern vorliest.

Von Kichern bis hin zu herzhaftem Gelächster

Heißt, ein Teil des Abends war eine Lesung, unterbrochen von Glucksen und Kichern bis hin zu herzhaftem Gelächter. Kompliment an den Autor Netenjakob: Nicht eine Minute hat er sein Publikum verloren. Und fehlte aus seiner Sicht ein Lachen, kitzelt er es mit geübten Worten doch noch aus. Zwischenapplaus und Spaß garantiert. Bücher schreibt er nicht nur, sondern schleppt sie und andere angeordnete Gegenstände auch von Vorstellung zu Vorstellung. Und nicht nur Bücher, sondern gleich die Regale oder besser, die weißen Billys. Allerdings recht zweidimensional, denn es sind Roll-ups. Zwischen denen sitzt er, eingerahmt, an einem kleinen Tisch und erzählt oder liest.

Es wirkt, als ob jeder Gegenstand und jedes Buch eine Hommage an eine Nummer ist. Über die elektrische Zahnbürste mit WLAN wundert sich Netenjakob, gelinde gesagt nur. „Wenn man auf der Couch sitzt, kann man über einer App auf dem Handy schauen, ob der Zahnbürsten-Akku geladen ist.“

Parodie des ganz normalen Alltags

Der Kabarettist fragt und wundert sich sein ganzes Programm. Kernfrage: Warum machen wir das? Wie kommt man auf so bescheuerte Ideen? Eine der verrückten Antworten könnte sein: Es ist unser Alltag, den er parodiert und den Zuschauern Bilder in Kopf redet. Wie in einem Film leitet der Ü50-Jährige junge wie ältere Zuschauer in die Szenen, sitzend nur mit seiner Stimme und seinen Worten, manchmal auch mit Händen und Armen. Die Vorführung über Humor im Alltag tut einfach gut. „Angst schwächt das Immunsystem“, sagt er. Und Humor könne die Angstblase platzen lassen. Für Moritz Netenjakob ist Humor systemrelevant.

>>>Skurrile Tour-Erlebnisse

Eine Nummer zieht sich durch das Programm: die zehn skurrilsten Tourerlebnisse! Wieder wahre Begebenheiten, die die Zuschauer in ihren Bann ziehen und herzlich zum Lachen bringen.

Kein Vorwegnehmen, neudeutsch Spoilern, nur ein Eindruck: Von einer Drag-Queen wird er als Moritz Netanjahu angesagt. Übrigens: Drag-Queens parodiert Netenjakob überzeugend im Sitzen.