Velbert. Aleksandra Sokols Arbeitsplatz ist 109 Kilometer lang: Die Expertin der Technischen Betriebe Velbert kontrolliert die Bäume an den Waldrändern.

Was sich wohl kaum jemand klar macht, aber tatsächlich so ist: Das Betreten des Waldes erfolgt grundsätzlich stets auf eigene Gefahr. Am Waldrand sieht die Geschichte allerdings schon etwas anders aus. Dort hat der jeweilige Eigentümer – und das sind hier vor Ort beim öffentlichen Forst die Technischen Betriebe Velbert (TBV) – „eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht“, wie Peter Tunecke als zuständiger TBV-Geschäftsbereichsleiter betont. Sprich: Man muss dafür Sorge tragen, dass dort z. B. keine Äste auf die Straße – und womöglich sogar Autos oder Fußgänger – fallen, dass auch keine Bäume gegen Häuser kippen. Fürs Aufpassen und zwecks Verhütung solcher Fälle haben die TBV jetzt eine neue Baum-Kontrolleurin.

Studiert und zertifiziert

700 Hektar im Stadtgebiet sind Forstflächen

Nach Angaben der Technischen Betriebe umfasst der TBV-eigene Forst im Stadtgebiet insgesamt rund 700 Hektar. Schwerpunkte seien der Langenhorst und der Senderwald sowie der Bereich rund um das Schloss Hardenberg. Hinzu kämen zahlreiche Gemengelagen und kleinere Areale zwischen bebauten Flächen.Zum Geschäftsbereich Forst, den Peter Tunecke Am Lindenkamp leitet, gehören zehn Mitarbeiter. „Davon sind sieben eigentlich immer draußen im Wald“, sagt der Oberforstrat.

Aleksandra Sokol hat für diese sich über 109 Kilometer erstreckende Aufgabe – so lang sind nämlich addiert sämtliche öffentlichen Waldsäume in Velbert – nicht nur mit „Forstwissenschaften mit Schwerpunkt Schutz des Waldes“ das passende Studium und ist zudem zertifizierte Baum-Kontrolleurin. Sie bringt auch viele Jahre Praxis aus ihrem Job bei einer Baumpflege-Firma am Niederrhein mit.

Andere Bäume, anderer Kontrolleur

Aleksandra Sokol gehört jetzt zum grünen Team von Stadtförster Peter Tunecke. Ein Arbeitsschwerpunkt von ihr ist auch der Artenschutz.
Aleksandra Sokol gehört jetzt zum grünen Team von Stadtförster Peter Tunecke. Ein Arbeitsschwerpunkt von ihr ist auch der Artenschutz. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Ich wollte weg von den Straßenbäumen und wieder zum Wald“, sagt die 43-Jährige und Nachfolgerin von Jan Swierzy, und schließlich habe sie ja genau die Ausbildung und Qualifikation, wie sie in der TBV-Stellenausschreibung erwartet worden sei. Die TBV haben mit Daniel Bierig noch einen weiteren Kontrolleur, doch kümmert der sich ausschließlich um die Bäume entlang der Straßen, in Parks und Grünflächen. Das sind immerhin aber auch 21.000 Exemplare.

Kaum Technik für die Arbeit nötig

„Es geht vor allem um die Stand- und Bruchsicherheit“, erklärt die Expertin, die bei ihrer Arbeit weitgehend ohne technische Hilfsmittel klar kommt. A und O sei nämlich die Inaugenscheinnahme vom Boden aus, betont sie. Und zwar angefangen von der Wurzel – also natürlich nur ihren über der Erde sichtbaren Anläufen –, dann den gesamten Stamm entlang bis hoch in die Krone. Neben einem Sondierstab kommt bei der Überprüfung häufig der so genannte Schonhammer zum Einsatz, der vorne lediglich einen Kunststoffkopf hat und die Rinde tatsächlich schont. Aleksandra Sokol macht’s vor, klopft mit nur leichtem, gefühlvollen Schwung gegen den Stamm – und ihr geübtes Ohr sagt ihr durch den Widerhall, ob es im Innern Fäule gibt oder sich Hohlräume gebildet haben.

Lebensstätten und -bedingungen schonen

Von innen verfault: eine Buche in Langenberg.
Von innen verfault: eine Buche in Langenberg. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Und dann ist da noch die Sprühfarbe, mit der die Fachfrau einen als akut gefährdet identifizierten Baum markiert, damit ihn die TBV-Forstwirte später leicht finden. Es liegt in ihrem Ermessen, ob der gesamte Baum gefällt werden muss, oder ob es z. B. genügt, einen einzelnen Ast wegzunehmen. Und das legt sie auch fest und weist die Forstwirte entsprechend an. Dabei spielen immer auch Belange des Artenschutzes eine Rolle. „Wenn in dem Baum eine Bruthöhle ist, beauftragen wir einen Baumkletterer, der nur die Krone abträgt. Der Stamm mit der Bruthöhle bleibt erhalten“, schildert Oberforstrat Tunecke exemplarisch das Vorgehen. Per Gesetz dürfe man im Wald ganzjährig ran. Insbesondere dann, wenn Gefahr im Verzug sei. Bei streng geschützten Arten wie etwa Haselmaus, Fledermaus, Hohltaube oder Specht gehe es darum, ihre Lebensstätten und -bedingungen zu schonen und die Population zu erhalten.

Vorerkunden vor eigenen Baumaßnahmen

Sehen nicht nur traurig aus, sondern sind ein Zeichen für den Zustand dieser Bäume: ausgedünnte Kronen.
Sehen nicht nur traurig aus, sondern sind ein Zeichen für den Zustand dieser Bäume: ausgedünnte Kronen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Bisher haben wir vieles mit externen Büros gemacht, aber jetzt haben wir ja eine eigene Expertin“, sagt der Geschäftsbereichschef ein bisschen stolz, und erläutert, dass zum Verantwortungsbereich seiner Kollegin Sokol darüber hinaus der „Schwerpunkt Artenschutz“ gehöre. Sie werde bei Baumaßnahmen der TBV schon im Vorfeld bei der nötigen Vorerkundung für den Artenschutz aktiv. Zudem werde sie im Wald die Aufnahme bzw. Dokumentation von Horst- und Höhlen- sowie Biotopbäumen fortsetzen und intensivieren.

Plötzlich treten Totalverluste auf

Eine große Sorge treibt beide gleichermaßen um: Der aktuelle Wasservorrat im Boden reiche wohl für die Landwirtschaft, aber längst nicht für den Wald. Ein Großteil der Alt-Bäume, sagt Peter Tunecke ahnungsvoll, „wird ein viertes Trockenjahr nicht mehr überstehen. Wir haben immer wieder plötzlich Totalverluste.“ Und die Gefahr für Spaziergänger, Wanderer etc. komme von oben – in Form von abgebrochenen oder angebrochenen Ästen.

Bürger können ihre Beobachtungen und Hinweise unter 02051/262626 im TBV-Servicecenter melden.