Langenberg. Liebessehnsucht, Leid und Verwandlung: Mit einem Mythos aus der Antike wird das hochkarätig besetzte „Langenberg Festival“ eröffnet.

„Alles was in den Herzen vergraben“ ist, will Nina Reddig mit ihrer Musik zum Leben erwecken. Mit diesen Worten eröffnete die Künstlerin in der Vereinigten Gesellschaft das mittlerweile schon traditionsreiche „Langenberg Festival“. Sie will „Saiten in Schwung bringen, die wir vergessen haben“, um einen „inneren Reichtum davonzutragen“. Ein Ziel, das weit hinausreicht über eine Kammermusikreihe, auch wenn diese mit hochrangigen Künstlern besetzt ist. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, der Musik generell solche Wirkungen zuzuschreiben, aber einer Kammermusikreihe diese Absicht voranzustellen, zeigt die innere Beteiligung und Leidenschaft, mit der Nina Reddig ihr Festival betreibt.

Vom Dunkel zum Licht

Hochkarätig besetztes Festival

Barbara Schachtner hat sich besonders als Gründungsmitglied oder Leiterin diverser Ensembles hervorgetan, u.a. das Ensemble Unterwegs, Kunst, Raum, Klang, Theater der Klänge (in Düsseldorf). Fil Liotis, griechischer Pianist, gewann eine Vielzahl internationaler Preise, u. a, einen Echo-Klassik Preis.Nina Reddig ist als Kammermusikerin, Solistin und Konzertmeisterin auf internationalen Podien zu Gast. Die ARD-Wettbewerbspreisträgerin bezeichnet als Herzstück ihrer Arbeit das Langenberg Festival, das sie 2015 in ihrer Wahlheimat gegründet hat.

Mit „Amaryllis“ war das Eröffnungskonzert des Festivals überschrieben. Ein Thema, das seinen Mythos aus der Antike hat: Liebessehnsucht und Verwandlung, Leid und Trost oder „Vom Dunkel zum Licht“, wie Reddig auch ihr Festival betitelt. Da stand am Anfang die berühmte Arie des frühbarocken Komponisten Giulio Caccini : „Amarilli mia bella“, ein Liebeslied, das die Sängerin Barbara Schachtner mit anrührendem Affekt vortrug. Auch weitere Liebes- und Klagelieder aus der frühen Musik, so von Dowland und Purcell, wurden von ihr eindrücklich und überzeugend interpretiert, in dieser Reihenfolge wohl ausgedacht von Nina Reddig, um die Geschichte der jungen Hirtin Amaryllis und ihrem Geliebten Alteo nachzuzeichnen, nachzuerleben.

Gedichte Friedrich Hölderlins

Bei dem Künstlergespräch einen Tag nach der Eröffnung unterhielt sich Barbara Schachtner (Gesang) mit Stephan Roth (Steinklänge)
Bei dem Künstlergespräch einen Tag nach der Eröffnung unterhielt sich Barbara Schachtner (Gesang) mit Stephan Roth (Steinklänge) © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Unterstützt wurde diese Schilderung durch Gedichte von Friedrich Hölderlin und Paul Celan, ebenfalls berührend vorgetragen von der Sängerin Barbara Schachtner. Hauptwerk war an diesem Abend die G-dur Sonate für Violine und Klavier von Johannes Brahms, vorgetragen von Nina Reddig und dem Pianisten Fil Liotis. Hier zeigte sich Nina Reddig voller Emphase, der Brahmsschen Musik hingegeben, voller Leidenschaft und Gestaltungs-Freude. Virtuosität ist für sie selbstverständlich, aber nie vordergründig, nur Mittel für eine stilvolle, lebenssprühende, dem Willen des Komponisten verpflichtete Interpretation. Sie lotete die Facetten Brahmsscher Romantik in ihrer Vielseitigkeit voll aus, die zwischen heiterer Grazie und wilder Emotionsentladung zu orten ist. Wunderbar, wie sie volle, warme Töne ihrer Geige entlockt und geschmeidig in der Bogenhaltung die Übergänge bruchlos in einander fließen lässt.

Vergessene Saiten schwingen

Und sie zeigte sich ihr erklärtes Ziel verwirklichend, in dem sie in die geheimnisvollen Tiefen Brahmsscher Musik eintauchte und in manchem Zuhörer dadurch dessen „vergessene Saiten in Schwingung“ brachte. Kongenialer Partner in diesem schlafwandlerischem Weg war Fil Liotis, der das verschlungene Melos und die rhythmisch verschränkte Webart Brahmsscher Musik der Violine kontrastreich entgegenbrachte. Beide Musiker schienen sich gegenseitig zu inspirieren und den Augenblick der gemeinsamen Schwingung auszukosten. Und dabei blieb es nicht.

Es schloss sich ein wunderschönes „Intermezzo“ für Violine und Klavier von Francis Poulenc an, das sich wie eine Fortsetzung Brahmsscher Musik in unsere Zeit anhörte, und das französischem Charakter entsprechend von lauter Zärtlichkeit kündete. So spannte sich der künstlerische Bogen von der frühen Musik bis in die Moderne. Auch dies ein Beweis, wie weit Nina Reddig den Horizont musikalischen Erlebens setzt. So gelang auch dieses 7. Langenberger Festival nicht nur zu einem Kammermusik- Erlebnis mit begabten, renommierten Künstlern, sondern zu einem umfassenden künstlerischen Ereignis, das in diesem Sinne sicher einen Höhepunkt im kulturellen Leben in Velbert, ja wohl des ganzen Kreises darstellt.