Sprockhövel. Der 21. Dezember ist Gertrud Wielands Unglückstag: „Es ist schrecklich, wenn Eltern die Kinder überleben.“ Jetzt ist die 104-Jährige allein.
„Ich kann das nicht verkraften“, sagt Gertrud Wieland mit zitternder Stimme. Die 104-Jährige ist besonders hart vom Schicksal getroffen: Die Sprockhövelerin hat innerhalb von vier Jahren am gleichen Tag beide Töchter verloren und lebt nun ganz allein. In der Stadt gehörten die beiden verstorbenen Frauen zur Polit-Spitze: Helga Wieland-Polonyi und Marie-Luise Schatz waren nacheinander Vorsitzende der Wählergemeinschaft „Wir für Sprockhövel“. Auch für die hat der frühe Tod der Schwestern Folgen.
Geistig ist die Mutter noch hellwach
Vieles im Alltag fällt der hochbetagten Haßlinghauserin ohnehin schon schwer. Die Wohnung verlässt sie gar nicht mehr, sie hört nicht gut. Aber geistig ist Gertrud Wieland mit 104 Jahren noch hellwach; angesichts der Schicksalsschläge, die sie in den letzten Jahren erlitten hat, ist das jedoch kein Trost. Am 21. Dezember 2020 starb ihre Tochter Helga Wieland-Polonyi im Alter von nur 63 Jahren, exakt vier Jahre später, am 21. Dezember 2024, auch die ältere Tochter Marie-Luise Schatz mit 70 Jahren.
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„Das ist mein Unglückstag“, sagt Gertrud Wieland. Es sei schrecklich, wenn Eltern die eigenen Kinder überleben. Sie spricht ihre persönliche Situation an: „Verwandte gibt es nicht mehr in der Umgebung, ab und zu telefoniere ich mit Angehörigen, die weiter weg wohnen.“ Gertrud Wieland lebt noch in der eigenen Wohnung, es gibt Hilfe im Alltag. Ein Segen ist es für Gertrud Wieland, dass der Schwiegersohn Rolf Polonyi regelmäßig nach dem Wohlergehen der Seniorin schaut. Beide stützen sich auch im Umgang mit dem Schmerz.
„Ich kann das nicht verkraften.“
Der Tod der Wieland-Töchter wird aber auch in der politischen Landschaft Sprockhövels tiefe Spuren hinterlassen, das steht schon fest. Helga Wieland-Polonyi gilt als eine der Gründerinnen der Wählergemeinschaft WfS, nach ihrem Ableben hat die ältere Schwester Marie-Luise Schatz das Erbe von ihr fortgeführt, bis sie nun selbst überraschend gestorben ist.
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Die Wählergemeinschaft existiert seit zehn Jahren. „Wir waren in unserer Anfangszeit 30 Mitglieder in der Wählergemeinschaft, doch die Zahl ist trotz unserer erfolgreichen Arbeit im Stadtrat und in den Ausschüssen stetig gesunken“, sagt Rolf Polonyi, selbst Mitglied und Ehemann der verstorbenen ersten Vorsitzenden. Zuletzt seien es nur noch sieben Frauen und Männer gewesen, die sich engagiert hätten.
Bei einer Zusammenkunft in der vorvergangenen Woche beschlossen die verbliebenen Mitglieder, die Wählergemeinschaft aufzulösen. „An eine Beteiligung an der nächsten Kommunalwahl gab schon seit längerem keinen Gedanken mehr“, sagt Schatzmeisterin Annegret Peters, die nun die nächsten Schritte zur Vereinsauflösung mit Steuerberater und Anwalt einleiten wird.
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Unterdessen hat der Vorsitzende der anderen Sprockhöveler Wählergemeinschaft „Miteinander in Sprockhövel“ (MiS) und Freien Wähler, Martin Debold, bereits ein Signal an die WfS-Mitglieder gesendet. „Die Freien Wähler bieten allen Ex-Mitgliedern der WfS an, bei ihnen Mitglied zu werden und sich damit weiter gegen das Erstarken rechter Populisten in Sprockhövel zu engagieren.“
Eine Auflösung der WfS hat auch Folgen für die personelle Zusammensetzung des Stadtrates und der Fachausschüsse, darüber wird die Stadt in den nächsten Wochen Auskunft geben.