Sprockhövel. Gemeinde in Sprockhövel hat zwei Pfarrstellen eingebüßt. Damit sie handlungsfähig bleibt, geht sie neue Wege: Am Sonntag startet das Experiment.

Der Fachkräftemangel wird immer wieder diskutiert, kaum ein Beruf, der davon nicht betroffen wäre. Auch an Pfarrern herrscht Mangel, in Sprockhövel ist das Problem aktuell in der evangelischen Kirchengemeinde Haßlinghausen-Herzkamp-Silschede zu besichtigen. In Herzkamp soll jetzt ein Experiment gewagt werden.

Zwei Pfarrstellen verloren

Vier Pfarrstellen gab es in der Kirchengemeinde in Sprockhövel, nach Dr. Uwe Renfordt ist zuletzt auch Thomas Bracht in den Ruhestand verabschiedet worden. Ersatz kommt für beide nicht. Das stellt die Gemeinde mit den besagten Standorten vor große Herausforderungen, besonders beim Angebot an sonntäglichen Gottesdiensten.

Lesen Sie auch:

Pfarrer Ortwin Pfläging berichtet davon, dass er mit seiner 75-Prozent-Stelle (ein Viertel Arbeitskraft bringt er auf Kirchenkreisebene ein) zusammen mit Pfarrer Peter Hayungs absehbar nicht alle Bedürfnisse der evangelischen Kirchengemeinde befriedigen kann. „Wir haben zwar noch einen Prädikanten, der Amtshandlungen übernimmt, auch Pfarrer im Ruhestand helfen ab und zu aus“, berichtet Pfläging. Aber das löst nicht das Veranstaltungsproblem bei den Gottesdiensten.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Sprockhövel verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

Immerhin: Das Angebot der üblichen Amtshandlungen in der Kirchengemeinde bleibt vorerst gesichert: Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen werden vollzogen, auch mit Pfarrer. Aber für die Gottesdienste in Herzkamp haben sich Pfarrer Pfläging und eine größere Gruppe von Freiwilligen ein Experiment überlegt.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion hier auf Instagram unter auf Facebook – hier finden Sie uns.

„Es ist ein Gemeindeprojekt, das wir bereits im Juni gestartet haben“, sagt Pfläging. Es trägt den Titel „Gottesdienst ohne Talar“ und spielt auf die Amtskleidung der ordinierten Pfarrerinnen und Pfarrer an, die sie im Gottesdienst zu tragen haben. Lässt man ihn weg, sind es Menschen in ziviler Kleidung und ohne den Anspruch der theologischen Ansprache, die für die Gestaltung eines Gottesdienstes die Verantwortung übernehmen sollen. „Wir haben im Juni ein Team aus rund 25 Frauen und Männern aus der Gemeinde gebildet, die zunächst versuchsweise den neuen Weg gehen, dass Laien Gottesdienste abhalten.“

Freundeskreis mit bürgerlichen Berufen

Fachverkäufer, Lehrer, Jurist, Forstwirt, Bauer, Vermessungsingenieur: „Solche Berufe haben die weiblichen und männlichen Mitglieder dieses Teams, und bei Passionsandachten haben wir dieses Modell bereits sehr erfolgreich ausprobiert“, sagt der Pfarrer. Ortwin Pfläging ist überzeugt, dass hier aus der Not des Mangels an akademisch ausgebildetem Pfarrerpersonal ein Tugend werden kann und dem „Flaggschiff“ des Gemeindelebens, dem Sonntagsgottesdienst, neues Leben einzuhauchen vermag. „Hier kommen engagierte, kreative und musikalische Leute zusammen, ohne vermeintlichen Hauptdarsteller, den Talarträger“, betont Pfläging. Nicht die distanziert formulierte Predigt, sondern Mitmenschen, die aus eigenem Erleben berichten können.

>>> Hier gibt es mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

Aber geht Kirchengemeinde überhaupt ohne Theologie? Ohne Bibelauslegung? Wo bleibt der Anspruch? Pfarrer Pfläging winkt ab. Schon Martin Luther habe das „Priestertum aller Gläubigen“ postuliert, will sagen: Jeder kann Gottesdienst. Allein bei der öffentlichen Verkündigung verlange die Kirche den Einsatz von Ausgebildeten. Pfläging, der selbst in wenigen Jahren in den Ruhestand versetzt wird, möchte eine lebendige Gemeinde, wo auch wieder mehr Menschen in den Gottesdienst kommen.

Am kommenden Sonntag (29.9.) soll in dieser Hinsicht Premiere sein: Neugierige wie Skeptiker sind dann eingeladen, um 11 Uhr in die Kirche Herzkamp zu kommen. Regie führen wird dann besagter Freundeskreis „Gottesdienst ohne Talar“. Erstmals, aber wohl nicht letztmalig.