Sprockhövel. Frischer Wind an der Sprockhöveler Gesamtschule: Silvio Geßner (43) hat sich nach oben gekämpft will nun mit Schülern und Kollegium durchstarten.

Von wegen Schule - Uni - Schule: Den üblichen stromlinienförmigen Lebenslauf hat Silvio Geßner nicht vorzuweisen. Vielmehr ist der neue Leiter der Gesamtschule in Sprockhövel im Leben viel tiefer gestartet als seine Kollegen und hat einige ungewöhnliche berufliche Stationen hinter sich. Der Mann kennt sich mit dem Leben aus und bringt viel mit in die Haßlinghauser Schule.

Dienst hat er bereits angetreten

Er ist Menschenfreund, Anwalt der Schülerinnen und Schüler, er ist Systementwickler, Führungskraft und Teamplayer: seit 1. August hat die Wilhelm-Kraft-Gesamtschule (WKG) mit Silvio Geßner einen neuen Schulleiter. Er hat seinen Dienst bereits angetreten und freut sich auf seine neue Aufgabe.

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„Rollenklarheit“ ist ihm wichtig, aber gerade davon gibt es einige im Leben des Vollblut-Pädagogen. Der Vater dreier Söhne ist engagierter Familienmensch, Dozent an der Bergischen Universität im Bereich der Lehrerausbildung. Schulentwicklung liegt ihm am Herzen, und als pädagogische Leitung an der Else-Lasker-Gesamtschule in Wuppertal hat Geßner bereits in leitender Funktion gearbeitet. Außerdem bezeichnet er sich selbst als Utopisten und sieht besonders die gesellschaftsgestaltende Aufgabe von Schule und der pädagogischen Arbeit als überaus wichtig an.

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Dem ehrgeizigen 43-Jährigen, der für sich grundsätzlich schon mal über die Qualifikation als Schulleiter nachgedacht hatte, schien die Herausforderung spannend, Schule mit einem tollen Kollegenteam bei der Zukunftsfähigkeit mitzugestalten. Der Berufswunsch „Lehrer“ hat sich bei Silvio Geßner entwickelt, obwohl er selbst heftigen Schulfrust und Mobbing erlebt hat. Schulwechsel, den Abschluss der Klasse 10 mit einem guten Hauptschulabschluss, und eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker hat er abgeschlossen.

Vorbilder haben eine wichige Rolle gespielt

Es waren es immer wieder tolle Lehrerpersönlichkeiten, Vorbilder, die verhinderten, dass der Jugendliche komplett zum Schulverweigerer wurde. Einer davon war sein Schulleiter an der Hauptschule, Friedhelm Sylvester. Auch ein Lehrer am Bergischen Kolleg sei so motivierend gewesen, dass er schließlich sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg machte und über ein Studium nachdachte. Auch den Umweg über eine Musical-Akademie in Wien ging Silvio Geßner, war mit Leidenschaft dabei, musste aber aufhören, weil die Schule zu teuer war.

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Lehrer sein, das war es, was er wollte, weil er der Überzeugung ist: „Niemand kann nichts. Irgendein Talent schlummert in jedem!“ Das gelte es herauszufinden und die jungen Menschen bei der Entwicklung ihrer Talente zu begleiten. Zwar verstehe er sich als „Kapitän“ des großen Kutters WKG, denn die Leitung liege ja nun mal bei ihm. Seine Entscheidungen hätten rechtliche Konsequenzen, er müsse dafür „den Kopf hinhalten.“ Aber: Ohne eine kompetente und engagierte Mannschaft wird auch der beste Kapitän es nicht schaffen, den Kutter in den Hafen der guten Bildung zu manövrieren.

Er will Schule von der Basis aus gestalten

Und die „Mannschaft“ soll im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben mit großer Freiheit arbeiten, ist seine Vorstellung von Leitung: „Mein Konzept von Schulorganisation ist das bottom-up-Prinzip. Es gilt, Schule von der Basis aus zu gestalten. Dazu gehören natürlich unsere Schülerinnen und Schüler, die Eltern, Lehrkräfte und alle, die in unserer Schule mitarbeiten. Vom Hausmeister bis zur Reinigungskraft. Sie alle verdienen eine angemessene Wertschätzung“, erläutert Silvio Geßner sein Verständnis von Schule und Schulentwicklung. „Lehrer brauchen die Berechtigung zu autonomem Handeln!“ lautet sein Handlungsprinzip.

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Er hat die Schülerinnen und Schüler im Blick, will, dass sich Schule mehr auf die Stärken und Schwächen konzentriert. Silvio Geßner hat als Grundschüler, der mit seinen Eltern nach der Wende aus Thüringen nach Wuppertal kam, Bitteres erlebt, ohne verbittert zu werden.

Als „dummer Ossi“ gebrandmarkt

Im Gegenteil: „Der Kommentar, ich lernte dieses oder jenes als dummer Ossi ja ohnehin nicht, haben mich nur zwischenzeitlich deprimiert und ein bisschen renitent werden lassen“, amüsiert sich der spätere Karrieremann. Ehrgeiz und die Freude, laufend Neues zu lernen, sind eher die Folgen des Erlittenen, das seinen Lern- und Leistungswillen angestachelt hat.

Referendariat an der „Else“ in Wuppertal

Schon im Studium arbeitete Geßner als studentische Hilfskraft am Pädagogischen Institut, machte sein Referendariat an der „Else“, blieb, wurde Klassenlehrer, Ausbildungsbeauftragter, didaktischer Leiter. Richtig stolz ist er darauf, an der Entwicklung der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule dahingehend mitgearbeitet zu haben, dass sie zu den Top 14 von Deutschlands Schulen gehört. Die werden jährlich in Berlin mit dem „Deutschen Schulpreis“ ausgezeichnet. Deshalb überrascht es nicht, dass Geßner auch für „seine“ Schule, die WKG, eine solche Auszeichnung anpeilt.

Schulleiterprüfung mit Bestnote bestanden

Seine unbändige Lust, sich mit neuen Herausforderungen zu beschäftigen, ließen ihn schon mal vorab die Module der Schulleiterqualifikation absolvieren. Schulentwicklung denken, ein nettes Team, das war noch recht entspannt. Aber das Damoklesschwert der „Schulleitereignungsprüfung“, eines knallharten Assessment-Centers des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, das alle Schulleiteranwärter absolvieren müssen, schwebte noch über dem Familienvater. „Ohne die Unterstützung meiner Familie hätte ich das nicht geschafft. Ich habe wochenlang nur gelernt“, geht ein dickes Dankeschön an seine Frau und seine der Kinder. Das Büffeln hat sich gelohnt, und die Überzeugung, dass sein Traum Wirklichkeit werden kann, hat sich – wie so oft in Silvio Geßners Leben - bewahrheitet: Der in der Grundschule „diagnostizierte Looser“, hat seine Schulleiterprüfung mit Bestnoten bestanden: „Die Leistungen übertreffen die Anforderungen in besonderem Maße“ attestierte ihm die Prüfungskommission.

Bürotür steht immer offen

Die Tür zum hellen, modern eingerichteten Büro stehe immer offen, ist seine Vorstellung fürs Tagesgeschäft, die sich mit Visionen für beispielsweise einem überregionalen „Zentrum für Kleinkunst“ an der WKG kombiniert, um Schule mehr nach außen zu öffnen. Er möchte die Gesamtschule im Ennepe-Ruhr-Kreis und in Sprockhövel fest etablieren, um letztlich auch die Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren zu stärken.