Sprockhövel. Der Grüne Alexander Karsten ist Landtagskandidat für Hattingen, Schwelm, Sprockhövel und Wetter. Über seine Vorstellungen sprach der mit der WAZ.
Seit sich der FDP-Politiker Bodo Middeldorf beruflich umorientierte, hat Sprockhövel keinen Abgeordneten mehr im Landtag. Doch nun haben Bündnis 90/Die Grünen im EN-Kreis den Sprockhöveler Alexander Karsten zu ihrem Kandidaten für die Landtagswahl 2022 bestimmt. In seiner Partei hat der 49-jährige Zollbeamte einen Senkrechtstart hingelegt.
WAZ: Ratsmandat im letzten Herbst, stellvertretender Bürgermeister – und jetzt auch noch Landtagskandidat: Haben Sie eine Karriereplanung für die Politik?
Alexander Karsten: Nein, es gibt keinen Karriereplan. Die für meine Partei sehr gut ausgegangene Kommunalwahl entzog sich jeder Planbarkeit. Ich habe mir vielmehr ein paar Fragen gestellt und mir von unterschiedlichen Stellen Rat eingeholt: Hätte ich eine realistische Chance anzutreten? Ich bin jetzt bald 50 Jahre alt, ein Alter, in dem ich noch etwas Neues versuchen möchte. Außerdem könnte ich sehr interessante Erfahrungen sammeln. Da habe ich meinen Hut in den Ring geworfen.
Wie steht Ihre Familie zur Perspektive, Landtagsabgeordneter zu werden?
Meine beiden Töchter sind erwachsen und studieren, und meine Frau weiß: Wenn ich etwas erreichen möchte und ich mich für eine Sache einsetze, möchte ich es gut machen und mich voll einbringen. Kurzum: Meine Familie unterstützt mich und meinen Einsatz mit voller Überzeugung bei diesem Schritt.
Was bringen Sie mit für die Aufgabe als Landtagsabgeordneter?
Mein persönlicher Anspruch ist der, bei den Menschen zu sein. Nicht als routinierter, gestandener Berufspolitiker, sondern mit der vollen Aufmerksamkeit für mein Gegenüber. Ich bin viel, unterwegs, erfahre viel. Ich sehe mich als Ansprechpartner und möchte Menschen zusammenbringen. Meine über 15 – jährige Erfahrung als Betriebsprüfer hilft mir, Zusammenhänge in den Unternehmen zu verstehen. Meine Frau ist Erzieherin in einer Kita, von dort bekomme ich viel mit. Außerdem bin ich gespannt, Vorstellungen von Bürgerinnen und Bürgern zu den unterschiedlichsten politischen Bereichen zu erfahren, um diese Ideen weiterzutragen.
Bodo Middeldorf hat konkret für Sprockhövel den Baubeginn der L70n-Umgehungsstraße beschleunigt, was wollen Sie für Ihre Stadt als Landtagsabgeordneter erreichen?
Es gibt Ziele, die ich – wenn es so kommt – nach Düsseldorf tragen will. Ganz wichtig ist mir, zur Entschuldung der Gemeinden beizutragen. Die Städte meines Wahlkreises sind jeweils mit rund 70 Millionen Euro verschuldet, da sind die Kosten für den Offenen Ganztag, die Kosten der Unterbringung oder die vielen freiwilligen Leistungen kaum zu schultern. Das muss sich ändern, indem die Kommunen finanziell vom Land besser ausgestattet werden. Die Corona-Krise und die daraus resultierenden immensen Folgekosten werden über sehr viele Jahre abzutragen sein, das darf nicht auf Kosten der Gestaltungsmöglichkeiten in den Städten gehen.
Haben Sie noch ein Ziel?
Ja, die Gleichwertigkeit der verschiedenen Verkehrsteilnehmer ist mir wichtig. Radwege etwa müssen ausgebaut werden. Da hat Sprockhövel noch wenig zu bieten.
Viele Menschen fürchten sich davor, dass wenn die Grünen maßgeblich Regierungsverantwortung übernähmen, sie massive Eingriffe in ihr Leben zu befürchten hätten – ein paar Stichworte: Ernährungsgewohnheiten, Mobilität. Haben Sie dafür Verständnis?
Man muss die Menschen mitnehmen. Aber die Veränderungen, die jetzt notwendig werden, kommen ja nicht auf Geheiß der Grünen. Politik soll die Leitplanken setzen, aber es sind die Unternehmen, die schon viel weiter sind: Denken Sie an Audi und Opel, die legen sich fest und wollen in wenigen Jahren nur noch E-Autos bauen. Der Discounter Aldi will Billigfleisch aus seinem Sortiment entfernen. Das sind nur wenige Beispiele. Der Wandel hin zu einer nachhaltig wirtschaftenden und konsumierenden Gesellschaft ist dynamisch. Und noch ein Wort zu unserem Wahlprogramm: Das gibt die Richtung vor die wir uns vorstellen und das, was unseren Mitgliedern wichtig ist. Ziel von Koalitionsverhandlungen muss sein, dass noch viel Grünes übrig bleibt. So funktioniert Demokratie.
Haben Sie eine Vision für Sprockhövel, wie soll es in Zukunft sein?
Es soll seinen dörflichen Charakter behalten. Aber mit zahlreichen Verbesserungen: schnelles Internet, mehr Radwege, Kita-Plätze und deutlich bessere Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Wir haben ja schon zahlreiche Vorteile: Mitten drin im Grünen, die großen Städte vor der Haustür. Aber es hapert an den Anbindungen, wir brauchen neue Buslinien, überhaupt ein besseres ÖPNV-Netz.
Zur Person des Kandidaten
Der Grünen-Politiker Alexander Karsten (49), wurde in Hattingen geboren, doch schon als Kleinkind zog er mit seiner Familie nach Sprockhövel. Er besuchte die Grundschule Börgersbruch, besuchte die Realschule in Hattingen und dort auch die höhere Handelsschule. Er erlernte den Beruf des Speditionskaufmanns.
Seinen Zivildienst leistete er beim Diakonischen Werk in der Pflege ab, arbeitete als kaufmännischer Angestellter, bevor der 1995 im gehobenen Dienst beim Zoll begann. Seine Ausbildung hier endete als Diplom-Finanzwirt. Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen in Sprockhövel wurde Alexander Karsten 2016.