Sprockhövel/Duisburg.. Die Angehörigen der Loveparade-Katastrophe von Duisburg kommen auch fast vier Jahre später nicht zur Ruhe. Die Betroffenen-Initiative “Lopa 2010“ glaubt nicht , dass der strafrechtliche Prozess etwas bringen wird. Stattdessen ist eine zivilrechtliche Klage in Planung, die Ende April verschickt werden soll.
Auch fast vier Jahre nach der Loveparade-Katastrophe von Duisburg lässt das Ereignis die Betroffenen nicht los. Der Sprockhöveler Jörn Teich von der Betroffenen-Initiative „Lopa 2010“ glaubt nicht, dass der bevorstehende strafrechtliche Prozess etwas bringen wird, stattdessen setzt er auf ein zivilrechtliches Verfahren.
Als die Staatsanwaltschaft im Februar ihre Anklage gegen zehn Personen aus der zweiten Reihe der Stadtverwaltung und vom Veranstalter Lopavent öffentlich machte, spielten die Betroffenen und Hinterbliebenen dabei keine Rolle. „Die Eltern wurden vor der Tür stehen gelassen“, sagt Jörn Teich. „Im strafrechtlichen Prozess geht es darum, wer ins Gefängnis geht.“
Zivilklage gegen „die Richtigen“
Zum einen glaubt Jörn Teich nicht, dass jemand wegen der Katastrophe von 2010, bei der 21 Besucher starben und mehr als 500 verletzt wurden, zur Verantwortung gezogen wird. Zum anderen säßen im strafrechtlichen Prozess eben nicht die Menschen auf der Anklagebank, die die Eltern und Betroffenen dort sehen wollten. Deshalb sei eine zivilrechtliche Klage, in der es darum gehe, wer zahlt, in Vorbereitung: Gegen Lopavent, ihren Geschäftsführer Rainer Schaller privat, das Land NRW und die Stadt Duisburg. „Ende April schicken wir die Anklage raus.“
Das Leid der Betroffenen und Angehörigen hält an. „Das ist ein Fass ohne Boden. Wir schöpfen grade noch an der Oberfläche.“ Immer noch, so sagt Jörn Teich, würden sich Hilfsbedürftige bei ihm melden. „Alleine in den letzten vier Wochen waren es drei.“ Viel Arbeit mache immer noch die Seelsorge. „Das geht vom Jugendlichen, der seinen Weg einfach weiter geht, bis zu denen, die Selbstmordgedanken äußern.“ Manchmal werden diese Gedanken nicht nur geäußert: Um den Jahrestag des Unglücks am 24. Juli vergangenen Jahres hätten sich zwei Betroffene das Leben genommen.
Hohe Kosten für Betreuung
Wer mit Jörn Teich über seine Tätigkeit bei „Lopa 2010“ redet, dem wird ganz schnell deutlich, dass ihm eigentlich nur eines wichtig ist: Dass Betroffene und Angehörige mit ihren Nöten wahrgenommen werden. Das ist alles andere als selbstverständlich. „Manche müssen sich tatsächlich anhören, sie seien selbst schuld, weil sie dorthin gegangen seien“, sagt er.
Hinzu komme fehlende finanzielle Hilfe. Wenn beispielsweise ein Jugendlicher aus Norddeutschland sich melde und Hilfe brauche, müsse eine Privatperson dorthin – auf eigene Kosten. Er schätze die Kosten für Betreuung und alles, was dazu gehört, auf einen Millionenbetrag“, so Teich. Ein Beispiel: Wenn der Vater eines australischen Opfers den Unfallort seines Kindes besuchen wolle, koste ihn das 4000 Euro – für einen einzigen Besuch.
"Alle versuchen, sich rauszuhalten"
„Alle versuchen, sich rauszuhalten. Sie sagen: Ich war das nicht – ich helfe auch nicht“, sagt Jörn Teich. Dabei sei es der größte Wunsch der Angehörigen und Betroffenen, einen „gemeinschaftlichen Weg“ zu gehen – wenn schon keine Hilfe kommt, dann sollte es doch wenigstens Gespräche geben. Gut unterwegs sei man auf diesem Weg mittlerweile mit der Stadt Duisburg, die unter anderem eine Betroffenenstelle unterhalte. Hilfsbedürftige von dort seien daher die Ausnahme geworden, so Jörn Teich.
Überhaupt nicht gut hingegen stehe es um Gespräche mit Rainer Schallers Veranstaltungsfirma Lopavent. Er könne nicht verstehen, wieso Schaller, dessen Firma McFit hohe Umsätze mache, sich nicht für die Opfer der Katastrophe engagiere.