Oberhausen. Städte und Kirchen erlauben immer mehr Varianten, wie man sich bestatten lassen kann. Ein besonderes Modell betreiben Oberhausener Bestatter.

Für die einen ist es ein Urnenregal, für die anderen eine wertvolle Gedenkstätte voller persönlicher Gegenstände. „Es gibt nur zwei Meinungen über ein Kolumbarium“, sagt einer, der es wissen muss: Bestatter Heiner Brauckmann. Wir sprachen mit den Brüdern Heiner und Peter Brauckmann und Trauerbegleiter Sebastian Hahn über diese besondere Form der Beisetzung im Oberhausener Kolumbarium im Trauerzentrum am Buchenweg.

Herr Brauckmann, das Kolumbarium ist ein ganz normaler Friedhof, oder?

Heiner Brauckmann: Ja, es ist ein durch die Bezirksregierung genehmigter Friedhof. Wir müssen nur unterscheiden zwischen dem Träger des Friedhofs, das ist die Alt-Katholische Kirche, und dem Betreiber, das sind wir als Firma Brauckmann Bestattungen.

Das müssen Sie etwas erläutern.

Heiner Brauckmann: Ein Friedhof darf in Deutschland nur von einer Kommune oder einer Kirche betrieben werden. Damit soll unter anderem der Ewigkeitscharakter gewährleistet werden. So muss unser Kolumbarium für mindestens 99 Jahre bestehen.

Seit wann gibt es das Oberhausener Kolumbarium?

Peter Brauckmann: Das Kolumbarium existiert seit November 2018 und bietet Platz für bis zu 2000 Urnen, die in etwa 1000 Kammern untergebracht werden können. Es gibt drei verschiedene Größen von Kammern, für eine bis zu drei Urnen. Seit 2018 hatten wir rund 90 solcher Bestattungen pro Jahr.

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Die Kammern werden gemietet?

Heiner Brauckmann: Ich würde es nicht mieten nennen, sondern Erwerb eines Nutzungsrechtes, so heißt es auf allen Friedhöfen. Jede Kammer wird für 15 Jahre überlassen, mit der Möglichkeit, die Nutzungsdauer anschließend zu verlängern. Sollte keine Verlängerung vorgenommen werden, greifen die gängigen Regelungen, wie sie für die Urnenaufbewahrung auf Friedhöfen üblich sind.

Das heißt, die Kammern werden aufgelöst, die Urne wird woanders bestattet?

Heiner Brauckmann: Genau, zum Beispiel auf einem Friedhof der Alt-Katholischen Kirche, in einem Friedwald oder als Seebestattung. Das ist dann die ewige Ruhestätte.

Wie reagieren die Besucher?

Sebastian Hahn: Die Reaktionen sind geteilt. Besucher, die das Kolumbarium zum ersten Mal betreten, lassen sich meist schnell in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe ist begeistert und findet die Gestaltung unheimlich schön. Die andere Gruppe reagiert hingegen ablehnend und sagt: „Um Gottes Willen, für mich ist das gar nichts.“ Zwischen diesen beiden Extremen gibt es nur wenige differenzierte Ansichten.

Kolumbarium in Königshardt
Die Bestatter Peter und Heiner Brauckmann (von links) und Trauerbegleiter Sebastian Hahn (Mitte) im Kolumbarium in Oberhausen-Königshardt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Warum wählen Menschen das Kolumbarium?

Peter Brauckmann: Es gibt durchaus praktische Erwägungen, die eine Rolle spielen. Viele bevorzugen diese Bestattungsform, weil sie pflegefrei ist und die Angehörigen dadurch entlastet werden. Ein weiterer Vorteil ist der Schutz vor Witterung sowie der Zugang zu beleuchteten, geschützten Räumen. Das wird insbesondere in der kalten Jahreszeit als großer Pluspunkt empfunden.

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Wie können die Angehörigen die Kammer gestalten?

Heiner Brauckmann: Die Gestaltung der Kammern wird von den Angehörigen sehr individuell gehandhabt. Sie stellen Dinge hinein, die mit dem Verstorbenen verbunden waren oder welche, die für die Hinterbliebenen eine besondere Bedeutung haben, als eine Art letzten Liebesbeweis. Häufig sieht man Bilder, persönliche Gegenstände wie Uhren, Spielkarten, Modell-Wohnmobile, Mini-Motorräder, Fußbälle oder Bücher. Diese Gräber erzählen dann eine Geschichte. Die Angehörigen können sich bei der Gestaltung relativ frei entfalten und haben rund zwei Wochen Zeit dafür.

Aber es gibt doch sicherlich Grenzen?

Heiner Brauckmann: Man darf die Kammer nicht baulich verändern, durch Bohren beispielsweise und wir geben den Tipp, dass Kleber sich im Laufe der Zeit auflöst. Dann wollen wir verhindern, dass andere Besucher verstört oder belästigt werden.

Wer entscheidet über den Inhalt der Kammer?

Heiner Brauckmann: Jede Grabstelle, auch woanders, hat eine nutzungsberechtigte Person, die darf entscheiden.

Man könnte sagen, jede Kammer erzählt eine kleine Geschichte über den Verstorbenen?

Peter Brauckmann: Ja, und die Hinterbliebenen verwenden große Mühe darauf. Eine Familie hat die Größe der Kammer zuhause nachgestellt, um zu sehen, wie alles passt und aussieht. Angehörige fuhren am Tag vor der Beisetzung nach Holland, um vom Lieblingsstrand etwas Sand zu holen oder Freunde bastelten ein geliebtes Auto mit Werkstatt in Miniatur nach. Man muss wissen, dass die Kammern nachträglich nicht mehr geöffnet werden dürfen. Das wäre eine Störung der Totenruhe und ist strafbar.

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Was ist die kleine Ablage vor der Kammer?

Heiner Brauckmann: Das nennen wir den „Balkon“. Das können die Hinterbliebenen jederzeit umdekorieren, was auch häufig geschieht, oft nach den Jahreszeiten und natürlich mit LED-Kerzen.

Wie erhalten Besucher Zugang zum Kolumbarium?

Peter Brauckmann: Es gibt keine Einschränkungen hinsichtlich der Uhrzeit. Mit einem Transponder, den wir als Chip bezeichnen, können die Besitzer jeden Tag rund um die Uhr Zugang zum Haus erhalten. Zusätzlich gibt es feste Öffnungszeiten, während derer jeder Zutritt hat, nämlich von Montag bis Freitag zwischen 10 und 17 Uhr.

Warum entscheiden sich Menschen für diese Art der Bestattung?

Sebastian Hahn: Ein Hauptgrund ist die Möglichkeit, durch die Glasscheibe in das Grab hineinzuschauen und dieses sehr individuell und liebevoll zu gestalten. Die Qualität der Erinnerungen ist eine andere durch die Bilder und Gegenstände, sie ist stärker und hält länger an. Wir ermöglichen Zeit für die Abschiednahme, denn wenn eine Urne in der Erde bestattet oder auf einer Stele auf dem Friedhof platziert wird, ist sie nicht mehr sichtbar. Das bedeutet, der gesamte Moment, sei es während der Beerdigung oder vielleicht 20 bis 25 Minuten zuvor in der Kirche, endet an diesem Tag. Im Grunde genommen verabschiedet man sich dabei für immer.

Behindert eine Kammer mit persönlichen Dingen nicht auch das Abschiednehmen?

Sebastian Hahn: Das Kolumbarium erlaubt es den Hinterbliebenen in ihrem Tempo Abschied zu nehmen. Es ist normal, dass man zunächst häufiger kommt, aber gerade in den ersten Wochen nach dem Verlust hilft es den Menschen, dass die Kammer wie ein Ort des Gedenkens, der Zwiesprache, wirkt.

Vielen Dank für das Gespräch.