Oberhausen. Der Oberhausener Verein Notmeeris Ruhrgebiet kümmert sich um verwaiste Meerschweinchen. Oft landen hier Tiere, die keinen Platz mehr haben.
Ein dicker Kürbis liegt im Stroh. Noch ist er unberührt, denn es gibt Petersilie. Viel Petersilie. Wenn aber der Appetit gestillt ist und der Hunger einsetzt, und das wird er, dann machen sich Igor, Tarzan und ihre Freunde über den Kürbis her und verputzen ihn. „Das können sie ohne Probleme“, sagt Christina Budzynski. Ein Meerschweinchen-Leben, wie man es sich nur wünschen kann.
Christina Budzynski steht in einem Anbau mit mehreren Boxen. Es knistert, wenn die Meerschweinchen von einem Unterschlupf zum nächsten flüchten. Unbekannte Menschen im Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite der Boxen stapelt sich das Essen. Gurken, Paprika, alles frisch. „Meerschweinchen sind sensibel“, sagt die 36-jährige Oberhausenerin. „Die essen nur Frisches.“ Auf einem Regal stehen drei Boxen, eine mit dem Namen „Sternchen“ beschriftet. Das Meerschweinchen ist ganz still. „Sie wurde heute abgegeben.“
Oberhausener Verein hilft Meerschweinchen: „Einer muss sich ja kümmern“
Seit über zehn Jahren kümmert sich der Verein Notmeeris Ruhrgebiet um kranke, beschlagnahmte und verwaiste Meerschweinchen und Kaninchen. Christina Budzynski und ihre Mitstreiterin Nina Schwarz nehmen die Tiere auf, pflegen sie, machen sie gesund, vermitteln sie weiter. „Einer muss sich ja um die Meerschweinchen kümmern“, sagt Christina Budzynski. Weil das keine Selbstverständlichkeit ist, wurde der Verein in Düsseldorf mit dem NRW-Tierschutzpreis ausgezeichnet.
Auch wenn es den Meerschweinchen in der Notstation an nichts fehlt, haben sie ihre Scheu nicht verloren. Ein jedes Meerschweinchen hat seine eigene Geschichte: Tarzan etwa, der im Gebüsch einer Klinik gefunden wurde und nur dank einer tierlieben Mitbürgerin gefangen werden konnte. Oder Igor, das „schüchternste Meerschweinchen, das wir bisher hatten“. Oder jenes aus der Transportbox, das Blasensteine, einen Tumor und Zysten hat und vermutlich wegen zu teurer Tierarztkosten abgegeben wurde.
Meerschweinchen: Kosten für Behandlungen können teuer sein
Wenn Christina Budzynski das „Diensthandy“ einschaltet, findet sie darin schon zig Mails. „Heute waren es sechzig“, sagt die Oberhausenerin. Die Menschen suchen für ihre Meerschweinchen einen behüteten Platz und sind erleichtert, wenn sie eine Zusage bekommen. Emotional ist es nicht oft. „Sie wollen die Tiere nur schnellstmöglich loswerden“, sagt Christina Budzynski. Ihr ist es recht: Sie habe schon alle möglichen Geschichten gehört, und oft habe sie die wahren Gründe erst später erfahren. Meerschweinchen sind nicht nur sensibel, sondern auch schlau: Sie verstecken ihre Schwächen, um nicht von der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Erkrankungen werden dann erst beim genauen Hinsehen sichtbar.
Viele Helfer im und rund um den Verein
Christina Budzynski und Nina Schwarz werden im Verein von Viola Schulz und Julia Zingsem (Facebook-Auftritt und Beratung) unterstützt. Rundherum hat sich der Oberhausener Verein ein Helfernetz aufgebaut. Jeden Samstag werden mit Unterstützung die Boxen gereinigt. Kranke und alte Tiere werden von Pflege-Familien aufgenommen.
Auf der Homepage www.notmeeris-ruhrgebiet.de informiert der Verein über Haltung, Kosten oder Vermittlungsgebühr und regelmäßige Termine. Wer den Verein unterstützen möchte, findet dort auch alle nötigen Angaben.
Meerschweinchen können bis zu zwölf Jahre alt werden. Der Verein Notmeeris Oberhausen hat deshalb auch eine Seniorengruppe eingerichtet. Doch bei den Käuferinnen und Käufern wird das mögliche Alter der Tiere oft nicht mitbedacht, beklagt Christina Budzynski. „Die Leute informieren sich vor dem Kauf nicht richtig.“ Folgekosten durch Tierarztbesuche und Behandlungen können weitaus höher sein als die Anschaffung der süßen Tiere. Auch der Verein hat jüngst erfahren, wie belastend die Kosten sein können. Die Tierärzte haben ihre Gebührenordnung überarbeitet, heißt, die Behandlungen sind teurer geworden. Eine Kastration kann rund 170 Euro kosten. Geld, das nicht jeder hat.
Ehrenamt: Zufall führte Freundinnen zur Tierrettung
Die Warteliste ist lang, Tiere werden nur vermittelt, wenn Voraussetzungen wie vier Quadratmeter dauerhafter Platz erfüllt sind. Der Verein kann etwa 45 Meerschweinchen aufnehmen. Dazu kommen noch Kaninchen, um die sich hauptsächlich Nina Schwarz kümmert. „Die letzten drei wurden gerade vermittelt“, berichtet die 39-Jährige. Platz für Neue, der meist nicht von Dauer ist. In Spitzenzeiten bevölkern schon mal 90 kleine Tiere die Anlagen im Garten. Es gibt Außenbereiche für den Sommer, eine Laube für weitere Tiere. Von den 4000 Euro Preisgeld soll unter anderem eine Lichtanlage angeschafft werden, damit es im Garten nicht so dunkel ist.
Dabei hat alles eher durch einen Zufall angefangen. Christina Budzynski besuchte als Jugendliche regelmäßig einen Pferdestall. „Da quiekte es - Meerschweinchen“, sagt sie. Irgendwann habe es nicht mehr gequiekt. „Das Meerschweinchen war alleine. So sollte das nicht sein.“ Sie kümmerte sich um einen neuen Weggefährten, bald wurde es eine Gruppe und schließlich eine Adresse für heimatlose Meerschweinchen. Nina Schwarz und Christina Budzynski lernten sich in der Jugendzeit kennen, doch erst 2012 stieg die 39-Jährige in die Tierhilfe ein. Noch ein Zufall: Sie wollte ein zweites Meerschweinchen haben. Als sie beim Vorgänger-Verein Notmeerschweinchen Deutschland ein Tier suchte, packte sie das Gefühl, dass sie den Tierchen helfen wollte. Das Gefühl lässt sie nicht mehr los - und bereitet ihr gelegentlich Kummer. „Es macht mich traurig, dass man nicht allen helfen kann.“