Oberhausen. In der Oberhausener Kulturfabrik K14 schauen Menschen gebannt auf die Ergebnisse. Die Enttäuschung ist groß. Der Blick geht nach Deutschland.

Es duftet nach Rührei, Pfannkuchen und Kaffee, die Lichter sind angenehm gedimmt im Oberhausener K14. Auf dem Bildschirm werden die ersten Ergebnisse der US-Wahl analysiert. Das kleine Public-Viewing in der Innenstadt hätte keine Minute später als sieben Uhr beginnen dürfen. Denn die Tendenz ist schon jetzt erkennbar und sorgt für lange Gesichter am Frühstückstisch: Donald Trump führt gegen Kamala Harris. Ein Morgen mit Schrecken beginnt in der Kulturfabrik.

Heinz Wagner organisierte sonst den fröhlichen Feierabendmarkt auf dem Saporischschja-Platz. Mit dem Verein CityO.-Management hat er erstmals ein „Election-Breakfast“ auf die Beine gestellt. Doch von guter Laune kann nicht mehr die Rede sein, als sich um halb acht die Anzeichen auf einen Sieg des Republikaners verdichten. „Das ist ein schrecklicher Morgen“, sagt Heinz Wagner, ehe die Veranstaltung mit Wortbeiträgen richtig anläuft. Er könne die Hälfte seiner Rede wegschmeißen, raunt er in den Morgen. „Da war noch Hoffnung drin.“

NRW-Generalsekretär zur US-Wahl: Nicht Inhalte, sondern Showmaster-Qualitäten zählen

Auch Frederick Cordes sieht ziemlich verkracht aus. Der Oberhausener ist seit kurzem Generalsekretär der NRW-SPD und hat bis drei Uhr morgens den Sender CNN geguckt. Als er wenige Stunden später die Wahlergebnisse erneut checkt, fährt ihm ebenfalls ein Schreck in die Knochen. „Es fühlt sich wie ein Kater an. Dass es so deutlich wird, hätte ich nicht gedacht“, sagt der SPD-Politiker mit müden Augen am Stehtisch. „Mein Eindruck ist, dass es nicht um Inhalte ging, sondern darum, wer der bessere Showmaster ist.“

ELECTION BREAKFAST in Oberhausen
Fühlt sich am Mittwochmorgen verkatert: Der Oberhausener SPD-NRW-Generalsekretär Frederick Cordes im Gespräch mit Organisator Heinz Wagner. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Die Gäste des Wahl-Frühstücks können sich im K14 einen fixen Eindruck machen vom bisherigen Wahlkampf. Die weiße Wand der Haupthalle ist mit Zeitungsartikeln beklebt. Ins Auge springt die Schlagzeile „Süchtig nach Irrsinn“, darunter eine obskure Collage von Donald Trump. Unterzeile: Egal, was der frühere Präsident mache, man könne nicht wegsehen.

So schauen auch an diesem Morgen die rund 40 Frühaufsteher gebannt auf den Bildschirm und wundern sich: Wie hat Trump es geschafft, die Mehrheit der Nation hinter sich zu bringen, obwohl seine Liste der Entgleisungen schier endlos lang ist? Auch Maria und Czeslaw Golebiewski, das Wirtspaar des bekannten Gdanska am Altmarkt, hat sich seine Gedanken gemacht. „Maria hat geglaubt, dass Harris gewinnt“, sagt Czeslaw Golebiewski. Er hat sich ein Schild umgehängt: „Parking for democracy only“.

Doch trotz Prozessen und Vergewaltigungsvorwürfen wird Donald Trump triumphieren. „Die Demokratie ist wichtig. Aber am wichtigsten ist für Leute doch die Tasche“, sagt der Wirt und klopft auf seine eigene. Ähnlich sei es in seinem Heimatland Polen, das einen Rechtsruck erlebt. Den Menschen fehle für alltägliche Dinge Geld, deshalb wählten sie die, die einfache Lösungen und Versprechungen anbieten. „Sie sagen: ,Du hast nicht schuld, das sind die anderen.“

Trump triumphiert in den USA: IHK-Präsidentin „menschlich enttäuscht“

ELECTION BREAKFAST in Oberhausen
Lange Gesichter beim „Election Breakfast“ in Oberhausen. Die Ergebnisse aus den USA drücken am frühen Mittwochmorgen im K14 die Stimmung. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Die Schuldfrage steht an diesem Mittwochmorgen nicht im Mittelpunkt, sondern die Frage nach der Zukunft. Als der orangefarbene Kopf von Donald Trump vor den amerikanischen Flaggen auftaucht, ist es 8.25 Uhr. Stolz und siegessicher spricht er zu seinen Anhängern. Was er sagt, ist auch ohne Ton zu erahnen.

Stattdessen ist die Stimme der Essener IHK-Präsidentin Jutta Kruft-Lohrengel zu hören. Die geschäftsführende Gesellschafterin des Autohauses Kruft spricht leiser, als es Trump vermutlich jemals könnte, aber nicht weniger deutlich. „Ich wundere mich, dass so ein starkes Land einen Menschen, der es mit der Moral und den Werten unseres Zusammenlebens nicht ernst meint, an die Spitze wählen kann. Davon bin ich menschlich enttäuscht.“

Als Unternehmerin und Sprecherin stellt Kuft-Lohrengel Europa, Deutschland und die Region, die sie vertritt, auf „raue Zeiten“ ein. Trump will Zölle erhöhen, um die inländische Wirtschaft zu stärken. „Zölle sind ein Instrumentarium aus dem Gruselkabinett des letzten Jahrhunderts“, sagt die IHK-Präsidentin. „Die eine Seite wird es tun, die anderen nachziehen. Das hindert den freien Markt und wird Auswirkungen auf unseren IHK-Kreis haben.“

Mehr zur US-Wahl

Noch tiefer getroffen ist Gesa Reisz, Leiterin der VHS Oberhausen. Als sie die Rednerbühne betritt, ist auch Trump im Swing-State Pennsylvania Sieger, das Weiße Haus ist ihm kaum noch zu nehmen. Bildung, Weiterbildung, der freie Zugang zu Informationen seien die Eckpfeiler einer Demokratie. Doch in den USA zeichnet sich ein ganz anderes Bild ab. Es gebe keine Schulpflicht, keine flächendeckende Bildungsförderung, dazu ökonomisch dominierte Medien. Vor allem für Frauen könne die Wahl Trumps schwerwiegende Folgen haben. Das zeige die Abtreibungsdebatte. „Ein Kind in den USA zu kriegen, ist lebensgefährlich, wenn Trump so weitermacht.“

EX-Oberbürgermeister von Oberhausener: Klimawandel größte Bedrohung

Im K14, dem ältesten soziokulturellen Zentrum Deutschlands, ist an diesem Morgen niemand, der Donald Trump unterstützt. Der einzige, der etwas gemäßigt in der Tonlage auftritt, ist Sparkassen-Chef Oliver Mebus. Für den Kapitalmarkt erwarte er keine gravierenden Auswirkungen.

Der Beitrag geht unter in den düsteren Prognosen, die andere entwerfen, vor allem der frühere Oberbürgermeister Burkhard Drescher. „Wir haben nicht richtig auf dem Schirm, dass die Menschheit vor existenziellen Bedrohungen steht: Dem Klimawandel und dem Ausbreiten von Kriegen.“ Dass Trump den Ukraine-Krieg binnen 24 Stunden beenden könne, sei „dummes Zeug“: „Putin reibt sich schon im Kreml die Hände, dass ein Unterstützer der Ukraine jetzt im Abseits steht.“ Zudem leugne der Republikaner den Klimawandel. „Dabei ist jedem klar, dass etwas passieren muss.“

Im Kontext der US-Wahl ging Dreschers Blick auch nach Deutschland. „Die Regierung hat nicht verstanden, worum es geht.“ Von oben würden Klima-Maßnahmen erteilt, statt die Menschen direkt vor Ort zu animieren. Es war an diesem Morgen nicht die einzige Parallele. Dass Donald Trump mit Populismus zu einer weiteren Amtszeit kommt, ist für SPD-Politiker Frederick Cordes ein warnender Fingerzeig für kommende Wahlen. Bei den letzten Landtagswahlen im Osten holte die AfD überaus starke Ergebnisse. „Das hat gezeigt, es geht um Angstmache und Protest.“