Oberhausen. In Bildern wird deutlich, wie sehr viele Flüchtlings-Kinder leiden. Bei einem Projekt in Oberhausen wurden Gefühle zu Farben.

  • Kinder schaffen es oft nicht, ihre Gefühle in Worte zu fassen
  • Geflüchtete Kinder haben Schreckliches erlebt und gesehen
  • Bei einem Projekt in Oberhausen wurden ihre Gefühle sichtbar

Sie haben Angst vor der Dunkelheit und dem Meer. Tiere und der Wald bereiten ihnen Unbehagen. Und groß ist die Furcht vor „Männern, die komisch aussehen“. Man mag sich nicht vorstellen, was Kinder mit Fluchterfahrung durchleiden mussten, um aus einem Kriegs- oder Krisengebiet in Sicherheit zu gelangen. Ihre Emotionen in Worte fassen können die wenigsten, auch nicht in ihrer Muttersprache. Das Deutsche Rote Kreuz in Oberhausen geht daher einen anderen Weg, um Kindern in Flüchtlings-Unterkünften eine Möglichkeit zu geben, ihre Gefühle nach außen zu tragen: über Kunst.

Wie eine dunkle Wolke breitet sich ein Farbfeld auf einem der entstandenen Bilder aus, legt sich wie ein Schatten auf das benachbarte Rot. An anderer Stelle, in der äußeren Ecke, bringen gelbe Herzen mutmachende Farbe. Doch auch aus ihnen spricht die Traurigkeit: „Mein Herz ist nicht mehr rot“, hat das Mädchen ihr beim Malen erzählt, berichtet Jolanda Kuci, Projektleiterin im Bereich Bildung und Integration beim DRK Oberhausen.

In einem Kunstprojekt des DRK haben Kinder mit Fluchterfahrung ihre Emotionen aufgemalt.
In einem Kunstprojekt des DRK haben Kinder mit Fluchterfahrung ihre Emotionen aufgemalt. © Deutsches Rotes Kreuz | Kuci

Für die engagierte Flüchtlingshelferin und Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft an der Ruhrorter Straße sind Kunst- und Kulturprojekte nichts Neues. Seit 2017 organisiert das DRK im Rahmen des Programms Kulturrucksack NRW regelmäßig solche Projekte, in Zusammenarbeit etwa mit der Ludwiggalerie, dem Theater Oberhausen, dem Bürgerfunkstudio, der Malschule und dem Oberhausener Kulturbüro. Doch beim jüngsten Projekt sei auch sie, als erfahrene Kraft, überwältigt gewesen.

„Man sieht an den Bildern, wie sehr die Kinder leiden.“

Jolanda Kuci
Leiterin der Flüchtlings-Unterkunft an der Ruhrorter Straße

„Das berührt mich sehr“, sagt Jolanda Kuci und blickt auf drei großformatige Bilder, die in ihrem Büro auf einem Sideboard stehen. Entstanden sind sie in einem von insgesamt zwölf Workshops. Zehn Kinder mit fünf verschiedenen Nationalitäten im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren haben die Bilder gemalt. Ausgangsfrage: Welche Farbe haben die Emotionen?

Welche Farben haben Emotionen?

„Man sieht an den Bildern, wie sehr die Kinder leiden“, meint Jolanda Kuci. Viele von ihnen, vor allem Jungs, präsentieren sich nach außen als cool. „Aber im Herzen leiden sie.“ Die schlimmen Erfahrungen, die sie auf der Flucht gemacht haben – Gewalt, Todesangst, körperliche Erschöpfung – seien in den Kinderseelen gespeichert. „Das ist das erste Mal, dass ich selbst bei einem Kulturprojekt emotional geworden bin.“

Nicht nur die Bilder beschäftigen die Oberhausenerin. Auch während des Projektes kam sie ins Staunen. Denn wenn fünf unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, falle die Verständigung untereinander in der Regel sehr schwer. „Aber die Kinder haben sich beim Malen verstanden, ohne Worte. Sie durchleben ganz ähnliche Ängste, teilen oft die gleichen Wünsche.“

Zehn Kinder (zwei fehlen auf dem Foto) aus fünf verschiedenen Heimatländern haben in einem Workshop ihre Gefühle in Bilder gefasst. Von links: Yara, Ahmad, Helin, Taha, Mohammad, Gegeelen, Hassina und Sabah.
Zehn Kinder (zwei fehlen auf dem Foto) aus fünf verschiedenen Heimatländern haben in einem Workshop ihre Gefühle in Bilder gefasst. Von links: Yara, Ahmad, Helin, Taha, Mohammad, Gegeelen, Hassina und Sabah. © DRK Oberhausen | Jolanda Kuci

Den Kindern Liebe, Vertrauen und Respekt vermitteln

Ziel des Projektes sei es auch gewesen, soziale Bindung zu schaffen, respektvoll miteinander umzugehen, an sich selbst zu glauben, das Selbstbewusstsein zu stärken und Emotionen zu zeigen. „Das ist gelungen“, ist sich Jolanda Kuci sicher. Sie erinnert sich noch gut daran, wie emotional und stolz die Kinder reagierten, als sie ihre Bilder in einem goldenen Rahmen gesehen haben. „Da bin ich“, rief der elfjährige Sabah spontan aus, als er die Stelle des Bildes entdeckte, die er gemeinsam mit Yara und Taha gemalt hatte. Ein glücklicher Moment.

„Für Menschen, die still leiden, gibt es wenig Hilfe.“

Jörg Fischer
Leiter der Abteilung Wohlfahrtspflege beim DRK Oberhausen

So froh Jolanda Kuci über den Projektabschluss ist, so schmerzlich sei dem Team des Roten Kreuzes aber auch wieder bewusst geworden, wie herausfordernd ihre Arbeit ist. Viele Kinder brauchen psychologische Unterstützung. Aber Termine und Therapeuten sind schwer zu bekommen. „Für Menschen, die still leiden, gibt es wenig Hilfe“, sagt Jörg Fischer, Leiter der DRK-Abteilung Wohlfahrtspflege. Das treffe nicht nur sie, sondern sei bekanntlich ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Wir haben so gut es geht ein Auge auf die Kinder“, verspricht seine Kollegin Jolanda Kuci. Liebe, Vertrauen und Respekt möchte sie den Kindern vermitteln. Kunstprojekte können keine Therapie ersetzen. „Aber sie helfen, die seelischen Schmerzen zu lindern.“

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