Oberhausen. Hoch oben auf dem Dach des Oberhausener Jobcenters hat vor fünf Jahren ein innovatives Gewächshaus eröffnet. Wie läuft das Projekt?

  • 2019 eröffnet mitten in der Oberhausener Innenstadt ein Dachgewächshaus
  • Seitdem kommen Forscher und Architekten aus der ganzen Welt nach Oberhausen
  • Experten entwickeln Methoden zur nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln in einer Großstadt

Wissenschaftler aus Schweden und Australien waren schon da, ebenso ein Forschungs-Team aus Frankreich, Architektenvereine aus ganz Deutschland und Studierende aus den USA. Als „Leuchtturmprojekt“ vor fünf Jahren mit viel Brimborium eröffnet, hat sich der Oberhausener Altmarktgarten auf dem Dach des Jobcenters offenbar tatsächlich zu einem Projekt mit Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinaus entwickelt.

Auf dem Dach des Jobcenters Oberhausen: Gewächshaus für 4,6 Millionen Euro

„Wir werden global wahrgenommen“, sagt Volkmar Keuter vom Oberhausener Forschungsinstitut Fraunhofer Umsicht, das den Dachgarten über den Dächern der Innenstadt als Reallabor nutzt. Hier werden seit fünf Jahren Technologien entwickelt, um eine in Gebäude integrierte Landwirtschaft zu ermöglichen.

Seit dieser Saison wachsen auch Chilis im Altmarktgarten auf dem Dach des Jobcenters Oberhausen.
Seit dieser Saison wachsen auch Chilis im Altmarktgarten auf dem Dach des Jobcenters Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Doch von vorn: Am 26. September 2019 wurde der etwa 1000 Quadratmeter große Dachgarten im Herzen der Innenstadt eröffnet. Rund 4,6 Millionen Euro haben Bau und Technik-Installationen gekostet, 2,3 Millionen hat die Stadt an Fördermitteln dafür erhalten. Entstanden ist nicht nur ein Gewächshaus, in dem Erdbeeren und Salatköpfe wachsen, sondern auch ein wissenschaftliches Labor, indem ein Expertenteam Methoden zur nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln mitten in einer Großstadt entwickeln.

Und das aus gutem Grund: Ballungszentren sind darauf angewiesen, von außerhalb mit Lebensmitteln versorgt zu werden. Doch auf lange Lieferketten wollen immer mehr Kunden – und dadurch auch Händler – in Zeiten des Klimawandels verzichten. Zudem steigt der Druck auf die klassische Landwirtschaft, wenn lange Dürrephasen oder heftige Unwetter zunehmend für Ernteausfälle sorgen.

Der Altmarktgarten auf dem Dach des Oberhausener Jobcenters kommt nicht nur bei Fachleuten der urbanen Landwirtschaft gut an, sondern auch bei Architekten.
Der Altmarktgarten auf dem Dach des Oberhausener Jobcenters kommt nicht nur bei Fachleuten der urbanen Landwirtschaft gut an, sondern auch bei Architekten. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Der Oberhausener Altmarktgarten, so hieß es bei der Eröffnung vor fünf Jahren, soll einen Beitrag leisten, um die globale Lebensmittelproduktion auch in klimatisch noch härteren Zeiten aufrechtzuerhalten. Ganz schön hehre Ziele, kombiniert mit vielen Vorschuss-Lorbeeren, die das Projekt vor fünf Jahren geerntet hat. Zu Recht?

Oberhausen: Internationale Forschungswelt schaut auf das Dach-Gewächshaus

„Für Oberhausen ist der Altmarktgarten ein echter Gewinn“, sagt Volkmar Keuter, der bei Umsicht den Bereich Umwelt und Ressourcennutzung leitet und maßgeblich für die Forschungsarbeit im Dach-Gewächshaus verantwortlich ist. Wenige, aber dafür umso lautere Kritiker beschweren sich immer wieder über die hohen Kosten des Projektes, die mit dem Verkauf von ein paar Erdbeeren niemals wieder reingeholt würden. „Ja, der Bau hat viel Geld gekostet“, sagt Keuter und sieht grundsätzlich das Problem, dass die Außenwirkung auf die internationale Forschungswelt durchaus eine andere ist als auf die Menschen in Oberhausen.

„Aber die Investition zahlt sich für die gesamte deutsche Landwirtschaft und somit auf die gesamte Brutto-Wertschöpfungskette in ganz Deutschland aus“, sagt Experte Volkmar Keuter. „Es ist sehr gut investiertes Geld für unsere Wirtschaft.“

Die Pflanzen treiben ihre Wurzeln im Wasser aus. So gibt es keine durch Erde verschmutzten Salatblätter.
Die Pflanzen treiben ihre Wurzeln im Wasser aus. So gibt es keine durch Erde verschmutzten Salatblätter. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Über die Jahre hat es ganz unterschiedliche Forschungsprojekte im Altmarktgarten gegeben, die auch bereits konkrete Erfolge feiern: So gehen in Oberhausen entwickelte, besonders ressourcensparende Gewächshaus-Dächer aus einem Glas-Folien-Gemisch bald in die Großproduktion. Entwickelt wurde das Material im Oberhausener Forschungszentrum Umsicht an der Osterfelder Straße. Im Reallabor Altmarktgarten wurde es im Ganzjahresbetrieb unter realen Einsatzbedingungen getestet – und für markttauglich befunden.

Zudem forschen gleich mehrere deutsche Fraunhofer-Teams an alternativen Proteinquellen. Proteine sind lebensnotwendig, deren Produktion wird aber durch extreme Wetterlagen sowie belastete Böden und Gewässer immer schwieriger. „Ein Lösungsansatz für diese Herausforderung liegt in der Erschließung neuartiger Proteinquellen als nachhaltige und massentaugliche Alternative zu tierischen Nahrungsmitteln“, erklärt Volkmar Keuter.

Aus dem Archiv: Tag der offenen Tür im Altmarktgarten auf dem Dach des Jobcenters im Mai 2022.
Aus dem Archiv: Tag der offenen Tür im Altmarktgarten auf dem Dach des Jobcenters im Mai 2022. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Auch Heil- und Medizinpflanzen wachsen im Forschungsbereich des Dachgartens. So arbeiten die Fachleute daran, Arnika effektiver und klimaneutraler anzubauen. Zudem sollen neue Erntemethoden dafür sorgen, dass ganz gezielt nur die wirkstoffreichsten Blüten gewonnen werden.

Apropos Ernte: Die wissenschaftlichen Projekte mögen bei vielen Menschen in Oberhausen weniger bekannt sein. Vom Ertrag aus dem Gewächshaus werden Oberhausenerinnen und Oberhausener schon jetzt satt: Rucola, Kopfsalat, Erdbeeren, Kräuter und Co. werden in den Küchen anliegender Restaurants bereits eifrig verwendet, etwa im Gdanska, im Café Tropical oder im sardischen Restaurant La Maddalena. Gespräche mit weiteren Gastronomen laufen.

Das ein oder andere Salatblatt bekommen sicherlich auch die künftigen Gäste zum Probieren: Die nächste internationale Wissenschafts-Delegation hat sich bereits angekündigt.

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