Oberhausen. Weitgehend verborgen vor der Öffentlichkeit breitet sich Armut in Oberhausen aus. Die Wut darüber wächst. Rare Einblicke in ein Leben im Abseits.
Die Wut ist groß – und sie wächst immer weiter. Im Verborgenen. Weil die, die es betrifft, gar nicht wollen, dass jemand weiß, wie es ihnen geht. Denn niemand soll sehen, dass sie angekommen sind, wo sie nie hin wollten: in der Armut. Sie, das sind Rentnerinnen und Rentner nach einem langen Arbeitsleben, junge Familien mit ein, zwei Kindern, berufstätige Alleinerziehende aus der Mitte der Gesellschaft.
Wie viele es sind, weiß niemand. Denn es gibt keine Statistiken über sie. Zweimal im Jahr aber sammelt die Caritas Oberhausen für Betroffene Spenden. Die Sommeraktion ist soeben beendet. Rund 40.000 Euro kommen bei solchen Sammlungen durchschnittlich zusammen. Die Hälfte davon ist für Einmalhilfen gegen eine Not gedacht, die sich wie ein unsichtbares Krebsgeschwür auch in unserer Stadt ausbreitet.
Eher zufällig erfahren Gemeindemitglieder von Notlagen
Dass sich eine Schieflage entwickelt hat, erkennen Christel Bennewa, Vorsitzende der Caritasgruppe Herz-Jesu, und Inga Kellermann, Leiterin Caritas & Quartier, auch beim Blick in die Spendenbriefe. „Es ist weniger geworden und es wird immer schwieriger, vor allem im Süden Oberhausens.“ Energiekrise und gestiegene Lebensmittelpreise hätten ihre Spuren in der Mitte der Gesellschaft hinterlassen. Besonders bitter treffe es diejenigen, die knapp über dem Bürgergeld liegen. „Es gibt immer mehr Oberhausenerinnen und Oberhausener, denen kleine Pannen große Sorgen bereiten“, weiß auch Inga Kellermann.
Doch merken soll das möglichst niemand. Da wird die kaputte Brille verschämt mit durchsichtigem Klebeband geflickt. Oder da ist die Rentnerin, die nicht weiß, wie sie den defekten Herd ersetzen soll, und der Nachbarin plötzlich erzählt, dass sie „diesmal nicht zum Kurs ins KAB Bildungswerk mitkommt“. Und der Familienvater, dem trotz des Vollzeitjobs die Mittel fehlen, seinen beiden Kindern die Klassenfahrt zu ermöglichen. Eher zufällig erfahren Gemeindemitglieder davon.
Geringverdiener gehen nach Vollzeit-Arbeit häufig leer aus
Glück, wenn dann jemand an die Caritas weitervermittelt. „Denn genau für diese Menschen sind unsere Spenden gedacht.“ Für die schnelle Soforthilfe eben. „Manchmal“, räumt Christel Bennewa ein, „wissen wir gar nicht, wo wir anfangen und wo wir aufhören sollen“. So groß sei die Not. Das liegt wohl auch in der Natur der Sache, die ja eigentlich eine Einmalhilfe bleiben soll. „Wir können kein System ändern, nur die Folgen abmildern.“
„Dabei sehen selbst wir nur die Spitze des Eisbergs. Die wirklich Armen sind meist auch wirklich einsam.“
So wachse die Wut im Verborgenen, gerade bei denen, die knapp über dem Satz für weitere Hilfen liegen. „Für eine Grundsicherung zum Beispiel.“ Sozialhilfeempfänger, meinen die Mitarbeiterinnen der Caritas, würden gut unterstützt. Doch Geringverdiener, die ihr ganzes Leben lang in Vollzeit gearbeitet hätten und jetzt mit ihrer viel zu kleinen Rente gar nicht auskommen könnten, gingen häufig leer aus. „Dabei sehen selbst wir nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Inga Kellermann. „Die wirklich Armen sind meist auch wirklich einsam und die kennen wir gar nicht, weil sie unsichtbar bleiben.“
Für alle, die sich dann doch zur Caritas trauen, gilt: „Es gibt kein Geld ohne eine Beratung“, betont Kellermann. Dabei würde auch nach weiteren Hilfen gesucht, würden Unterlagen geprüft: „Wir nutzen alle staatlichen Möglichkeiten.“ Kinder, Senioren, Flüchtlinge nehmen die Caritasmitglieder besonders in den Blick. Für Kinder haben sie schon neue Zimmer-Einrichtungen organisiert oder das Zeltlager auf Ameland bezahlt. Für Senioren eine Kursgebühr oder die Kosten für die neue Brille übernommen.
In einigen Fällen konnten die Caritas-Helfer dann sogar doch noch Wohngeld beantragen, mal schaltete sich auch die Schuldnerberatung ein. Doch immer wieder kommt auch dies vor: „Da kommen verarmte Menschen, die gar kein Geld haben wollen, sondern einfach nur ein offenes Ohr suchen.“ Und dann? „Wir haben sie zum Kaffeeklatsch in die Gemeinde eingeladen und über die so ganz besonderen Angebote wie die Mittagstische der städtischen Quartierbüros informiert“, erzählt Christel Bennewa.
Kontakt und weitere Informationen gibt es bei Inga Kellermann unter der Rufnummer 0208 9404-211 oder per Mail an: inga.kellermann@caritas-oberhausen.de
- Raus aus der Armutsfalle: Junge Eltern retten sich selbst
- Oberhausen: Bettelnde Menschen betteln nicht länger stumm
- Neue Armut durch teure Energie: So kann Oberhausen helfen
- Frühere Obdachlose kämpft in Berlin gegen Armut
- Was kann Oberhausen gegen die wachsende Armut tun?
- Stadt schlägt Alarm: Alleinerziehenden droht Armut