Oberhausen. Windmühlen wie die Baumeister Mühle in Oberhausen sind die Fabriken der vorindustriellen Zeit. Nur noch wenige können sie bedienen.
Rund 700.000 Menschen in Deutschland heißen mit Nachnamen Müller. Es ist der häufigste Familienname. Aber nur rund 600 Menschen üben diesen Beruf noch aus. Die wenigsten von ihnen können eine klassische Windmühle bedienen. Zwei junge Männer haben es wieder gelernt. Am Samstag haben Florian Birk (36) und Marcus Menke (29) aus Hannover in der Baumeister Mühle in Buschhausen ihre Urkunden als Hobbywindmüller erhalten.
19 Monate lang haben sie immer samstags vier Stunden lang abwechselnd in Oberhausen und in Steinhude in Niedersachsen dafür theoretisch und praktisch gelernt. Im Mai haben sie ihre Prüfungen abgelegt. Die Mühle am Steinhuder Meer ist noch voll in Betrieb, die Baumeister Mühle an der Homberger Straße zwar nicht, sie ist aber voll funktionsfähig. Seit 1995 ist sie von Grund auf saniert.
Sogar der Präsident des Mühlenverbandes reist nach Oberhausen
In den Kreisen der Bewahrer alter Mühlen sind die beiden Jungmüller bedeutend. Das kann man daran erkennen, dass der Vorsitzende des Rheinischen Mühlenverbandes, Reinhold Pillich aus Wegberg, nach Oberhausen gekommen ist, um die Urkunden zu überreichen und die beiden Männer in die Müllergilde aufzunehmen. Pillich ist zugleich Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung. Man habe Nachwuchssorgen, räumte er ein. „Es geht darum, das Wissen über das älteste Handwerk der Welt an die nächste Generation weiterzugeben“, betonte Pillich.
Denn eine Windmühle wie die Baumeister Mühle schaltet man nicht einfach per Knopfdruck ein oder aus. „Mit heutiger Technik hat sie nichts mehr zu tun“, sagte Marcus Menke, der von Beruf Maschinenbauingenieur ist. Das betrifft die beiden 1,2 Tonnen schweren Mahlsteine, bei denen der Abstand voneinander (maximal 15 Millimeter) darüber entscheidet, ob Vollkorn oder Weißmehl gemahlen wird. Und es betrifft das Ingangsetzen der Flügel in Abhängigkeit von der Windstärke. Bei mehr als Windstärke sieben müssen ihre Segel eingezogen werden, sonst könnte die Mühle im Sturm außer Kontrolle geraten.
Fachwissen in Oberhausen gelernt: vom Stert und vom Penbalken
So haben die beiden neuen Windmüller sich mit etlichen Fachbegriffen vertraut gemacht. Stert zum Beispiel heißt jener Balken, mit dessen Hilfe die Flügel in den Wind gedreht werden. Und im Penbalken sitzt ein stählernes oder hölzernes Lager für die Welle, die die Flügel antreibt. „Man sieht, wie jedes Zahnrad ineinandergreift, kann es notfalls selbst reparieren“, sagte Florian Birk. Er ist von Beruf eigentlich Lebensmittelchemiker.
Die Flügel der Baumeister Mühle sind mit Segeltuch bespannt. Es gibt aber auch Windmühlen, deren Flügel aus Türen bestehen. Sie jeweils nach der Windstärke aus- und einzuhängen, erklärten die beiden Jungmüller, das sei körperlich schwere Arbeit. Dafür genießen sie es, wenn sich eine Windmühle nur im Leerlauf bewegt. Man könne ihr dabei seelenruhig zusehen, das entschleunige.
Birk ist seit seiner Kindheit von den Windmühlen an der Nordsee fasziniert, die er im Urlaub kennengelernt hat. Menke, der aus dem Emsland stammt, ist mit ihrem Anblick in der Landschaft sogar aufgewachsen. Die beiden Partner haben sich entschlossen, die Müllerei zu ihrem Hobby zu machen. Weil Marcus Menke einige Zeit in Oberhausen gewohnt hat, kannte er die Baumeister Mühle. Ein Anruf bei Eigentümerin Angelika Baumeister genügte und die Mühle konnte besichtigt werden.
Niemand könnte sie sonst mehr bedienen
Daraus hat sich dann die Idee entwickelt, die Ausbildung zu beginnen. Hermann Baumeister stellte den Kontakt zum Rheinischen Mühlenverband her. Er sitzt dort im Vorstand. Und der Verband hat es dann organisiert, dass die beiden Lehrlinge sich von Axel Gindera, Rüdiger Hagen und ihm selbst ausbilden lassen konnten.
Damit ist die Chance gewahrt, dass die Kenntnis von der Bedienung einer Windmühle von Generation zu Generation weitergegeben wird, wenn auch vermutlich durch Birk und Menke in Niedersachsen, nicht am Niederrhein. Dazu stehen sie bereits mit dem Müller der Windmühle am Steinhuder Meer im Gespräch. Schließlich sind Windmühlen wichtige Zeugnisse vorindustrieller Produktion. Ihre Betreiber waren, wie später die Fabrikanten, in der Regel wohlhabende Leute. Niemand könnte Windmühlen sonst noch in Gang setzen.
Mühle in Buschhausen: Seit 1858 in Familienbesitz und über 100 Jahre lang in Betrieb gewesen
Die Baumeister Mühle ist 1848 gebaut worden. 1858 gelangte sie in den Besitz der Familie Baumeister. Über 100 Jahre lang war sie in Betrieb. 1961 wurde sie stillgelegt und verfiel. Sie musste schließlich in den 90er Jahren neu aufgebaut werden, dient aber nur zur Anschauung.
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