Oberhausen. Für die radiologische Praxis Borad ist das zweite MRT-Gerät der Durchbruch - und bringt Patienten neue Hoffnung, weniger lang warten zu müssen.
Das ist ungeheuer belastend: Selbst Patientinnen und Patienten mit Krebsverdacht müssen oft wochenlang auf ihre so wichtige Spezialuntersuchung beim Radiologen warten. Vor allem Termine für eine Magnetresonanztomografie (MRT) sind in den meisten Praxen auf lange Sicht ausgebucht.
Auch bei Borad, der radiologischen Praxis am Centro in Oberhausen, stehen die Telefone selten still. Ein zweites MRT-Gerät soll die Wartezeiten vor Ort jetzt verkürzen. Doch was hat überhaupt zu diesen Engpässen geführt? Und warum bezahlen Betroffene aus lauter Not diese Untersuchungen aus der eigenen Tasche?
Die Fakten schockierten: Die Radiologen-Gruppe 2020, ein deutschlandweiter Praxenverbund, kritisierte schon 2023: Wer als Kassenpatient eine Mammografie zur Brustkrebsdiagnose benötigt, muss sich je nach Bundesland zwischen 180 und 248 Tage gedulden (Quelle: Ärzte-Zeitung).. Inzwischen scheint sich die Situation zwar verbessert zu haben. Das bestätigt auch ein Blick in das Online-Buchungsportal Doctolib. Danach ist der nächste freie Termin für eine Mammografie in Oberhausen am 4. September um 9.20 Uhr zu haben (Stand: 29. Juli 2024). Doch was diese noch immer 36 Tage Wartezeit für Betroffene bedeuten, weiß auch Dr. Fridun Nazaradeh sehr genau. „Es ist die Hölle.“
Der leitende Arzt und radiologische Gesellschafter bei Borad rät in solchen Fällen: „Rufen Sie Ihre radiologische Praxis direkt an und sprechen Sie mit den Mitarbeitenden oder schreiben Sie eine Mail.“ Denn gerade bei ernsthaften Verdachtsdiagnosen würden die meisten Praxen schnell Unmögliches ermöglichen. Außerdem lohne sich stets ein Blick über den Tellerrand. „Manchmal gibt es in unserer Filiale in Bottrop, in anderen Praxen in Essen, Düsseldorf oder Herne einen früheren Termin.“ Wer dringend eine Untersuchung benötigt, kann sich aber auch an die KV-Terminservicestelle Nordrhein (TSS) wenden. „Es besteht seitens der Patienten aber kein Anspruch auf einen Wunscharzt oder einen Wunschtermin. Ebenso gelten bestimmte Anfahrtswege zu Radiologen von einer Stunde mit dem ÖPNV als zumutbar“, nennt KV-Sprecher Thomas Petersdorff die Bedingungen.
Privatzahler verdrängten gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten
Seit Juli 2022 konzentriert sich Borad auf seine rein ambulante Niederlassung am Westfield Centro in Oberhausen. Zuvor hatte sich die Praxis am Helios St. Elisabeth Krankenhaus Oberhausen auch um die Klinik-Patienten dort gekümmert. Doch diese Aufgabe hat das „Radiologie Institut Oberhausen“ (RIO) übernommen. Die Nachfrage in der Praxis am Centro war von Anfang an so hoch, dass das Unternehmen sich schon nach wenigen Wochen zur Erweiterung entschloss.
Insgesamt 2,8 Millionen Euro steckte Borad in seinen Umbau sowie das zweite MRT-Gerät. „Als unser Nachbar auszog, ging es mit dem Durchbruch und dem Ansetzen des neuen Modulbaus gleich los“, erzählt Nazaradeh. Das neue MRT sei jetzt in Betrieb und stemmt so wie das erste auch rund 40 Untersuchungen am Tag. „Die dauern in der Regel zwischen 15 und 20 Minuten.“ Schöner Nebeneffekt: „Früher haben unsere zwölf Mitarbeitenden in zwei Schichten von sechs bis 20 Uhr gearbeitet, jetzt konnten wir diese Arbeitszeiten für die zweite Schicht auf 18 Uhr verkürzen.“
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Auch bei Borad sind die Wartezeiten dennoch manchmal lang, variieren aber stark. „Einen Termin für ein Wirbelsäulen-CT erhält man bei uns im Schnitt innerhalb von drei Wochen, auf ein MRT für den Bauchraum muss man aber fast sechs Wochen warten“, erläutert Nazaradeh. Die Computertomographie (kurz CT) stelle eine spezielle Form der Röntgenuntersuchung dar, mit der sich Schnittbilder des Körpers erstellen lassen, sie eigne sich besonders gut für Knochen und Gefäße. Die Magnetresonanztomographie (MRT) arbeite dagegen mithilfe eines starken Magnetfeldes. Ohne den Körper schädlicher Strahlung auszusetzen, ermögliche ein MRT die genaue Darstellung von Organen und Gewebe.
Selbstzahler legen bis zu 700 Euro für ein MRT auf den Tisch
Die Folgen der Corona-Pandemie seien bis heute spürbar. Noch immer gingen viele Patienten so spät zum Arzt, dass die Krankheitsbilder heute deutlich schwerwiegender ausfielen als vor der Pandemie. „Fast einmal wöchentlich müssen wir sogar einen Rettungswagen rufen, weil wir es nicht verantworten können, derartig kranke Menschen erst noch nach Hause zu schicken.“ Schlaganfälle, Aneurysmen (Gefäßausbuchtungen), vor allem aber Tumore seien die Hauptursachen dafür.
Rund 70 Euro erhält Borad von den Krankenkassen für eine MRT-Untersuchung, 55 Euro für ein CT. „Außerdem wird uns vorgeschrieben, wie viele Untersuchungen wir pro Gerät überhaupt machen dürfen.“ Überschreitet eine Praxis diese Grenzmarke, werde die Erstattungssumme von den Kassen reduziert. „Unsere Kosten laufen aber weiter - für das Personal, die Geräte, Strom, Wasser.“ Deshalb bevorzugten viele Anbieter am Ende eines Quartals oft Privatpatienten oder Selbstzahler. „Es geht schlicht um die Existenz.“ Eingeführt worden sei diese Form der Budgetierung übrigens schon 1993, von dem damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU).
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Privatzahler seien sogar bereit, je nach MRT-Untersuchung bis zu 700 Euro auf den Tisch zu legen. „Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die mit diesen Angeboten gezielt werben, wir machen das aber nicht.“ Tatsächlich habe eine Gesundheitsreform in den Niederlanden vor Jahren zu einem Einbruch der dortigen ambulanten Versorgung geführt. „Patienten konnten sich fast nur noch an die Krankenhäuser wenden, die Wartezeiten dort wurden immer länger.“ Deshalb seien diejenigen Niederländer, die es sich leisten konnten, auf radiologische Praxen ins Ruhrgebiet ausgewichen und hätten die Diagnostik dort selbst bezahlt. Einige Radiologen hätten sich auf diese lukrativen Behandlungen spezialisiert, „was logischerweise dazu geführt hat, dass die Kapazitäten für die heimische Bevölkerung rapide zusammengeschrumpft sind“.
Mittlerweile hätten die Niederländer ihr Gesundheitswesen aber reformiert und diese Fehlentwicklung beendet. „Denn meist kamen die Menschen ja erst, als sie selbst merkten, dass etwas nicht stimmt und damit vor allem oft in weit fortgeschrittenen Krebsstadien.“ Die Behandlungskosten in den Niederlanden seien entsprechend explodiert. „Ganz zu schweigen von den vielen Todesfällen.“ Eher selten würden sich dagegen Patienten aus der heimischen Region als Selbstzahler an eine radiologische Praxis wenden. „Das gibt es zwar auch bei uns, aber ob wir das machen, hängt stets von der medizinischen Notwendigkeit ab.“
Wie sinnvoll ist ein Ganzkörper-MRT aus Sorge vor Krebs wirklich?
Denn Nazaradeh warnt: „Wer sich auf ein Ganzkörper-MRT einlässt, das lediglich 20 Minuten dauern soll, muss wissen: Das kann gar nicht funktionieren.“ Selbst bei einem einstündigen Scan bleibe ein Restrisiko. „Besser ist es, sich jeweils auf einen bestimmten Körperbereich zu konzentrieren.“ Manchmal sei aber auch der Einsatz eines CT-Gerätes sinnvoller. „Ein CT aber ist eben auch mit Röntgenstrahlung verbunden und je mehr Röntgenuntersuchungen jemand erhält, desto größer wird schon alleine dadurch sein Krebsrisiko.“ Verantwortungsbewusste Mediziner lehnten Nachfragen von Selbstzahlern deshalb auch immer wieder ab. „Besser ist es, sich einen guten Hausarzt zu suchen., mit dem man über seine Sorgen offen sprechen kann.“
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