Oberhausen. Das vergangene Jahr 2023 könnte als ziemlich gutes Jahr in die Geschichte der Stoag eingehen - wenn nicht so viele Busse ausgefallen wären.
Fast so viele Fahrgäste wie vor der Corona-Pandemie nutzen Busse und Bahnen des Oberhausener Nahverkehrsbetriebs Stoag. Der Extra-Zuschuss der Stadt sinkt von einer zweistelligen Millionensumme auf ein paar Tausend Euro. Das Deutschlandticket lockte so viele neue Kunden ins öffentliche Nahverkehrssystem wie nie zuvor: Man könnte das Geschäftsjahr 2023 als hervorragendes Ereignis für Oberhausen werten, wenn dieser Herbst 2023 und Winter 2023/24 nicht gewesen wären.
„Wir hatten einen sehr hohen Krankenstand, der zum Teil bei 20 Prozent lag. Wir waren nicht in der Lage, unser Angebot aufrechtzuerhalten. Das hat sehr wehgetan“, sagt Stoag-Geschäftsführer Werner Overkamp bei der Vorstellung der Bilanz 2023. „Doch für unseren Betrieb ist es sehr schwierig, von heute auf morgen auf so eine Lage zu reagieren.“ Für die Stoag-Fahrgäste war der Ausfall von Bussen und Bahnen besonders schlimm, weil die Stoag es in vielen Fällen nicht schaffte, die in der Kälte an den Haltestellen wartenden Menschen darüber zu informieren. Der Ärger war groß, die Stoag war gezwungen, einen „Fahrplan light“ einzuführen, ein knapperes Angebot an Linien und Takten. „Erst dann konnten die Busse wieder zuverlässig fahren.“ Erst seit Anfang April fährt die Stoag wieder nach dem alten Fahrplan.
Zuschuss der Stadt beträgt in der Regel zwischen 6 und 10 Millionen Euro
Angesichts dieser Probleme ist es erstaunlich, welch gute Zahlen die Stoag im Geschäftsjahr präsentieren kann. Voller Freude kann Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras auf dieses besondere Jahr 2023 blicken: Nur 33.000 Euro muss er aus der Stadtschatulle an die Stoag überweisen, in den Jahren davor lag der Betrag zwischen sechs Millionen Euro (2011) bis 10,2 Millionen Euro (2022). Auf den Punkt formuliert das Overkamp so: „Das kann die Stadt für 2023 aus der Portokasse bezahlen.“
Allerdings ist dies ein nur kurzlebiger Effekt: Der Extrazuschuss aus der Stadtkasse fällt diesmal so knapp aus, weil vor allem die Gewinne der städtischen Töchter so deutlich gestiegen sind. Und die gehören ja eigentlich auch dem Kämmerer. Aber wie in vielen anderen Kommunen wird das notorisch verlustreiche Angebot des öffentlichen Nahverkehrs aus steuerlichen Gründen vorab verrechnet mit den Ausschüttungen der Stadttöchter. Die Beteiligungen sind bei der Stoag gebündelt und fließen ihr zugute, bevor der Kämmerer die fehlende Lücke schließen muss: Dank Sondereffekten erhielt die Stoag 21,4 Millionen Euro statt wie im Jahr davor knapp neun Millionen Euro.
Beispielsweise verdiente die Liricher Müllverbrennungsanlage GMVA durch den Verkauf des durch den verbrannten Müll entstandenen Stroms so viel Geld, dass sie fast zwei Millionen Euro mehr an die Stoag überwies: 5,1 Millionen Euro. Und die Energieversorgung Oberhausen (EVO) spendierte durch die Steag-Verkaufsgewinne etliche Millionen Euro mehr an ihre beiden Eigentümer: An die Stoag flossen 14 Millionen Euro. Die Dividende auf RWE-Aktien brachte 1,3 Millionen Euro ein.
32 Millionen Fahrgäste nutzten 2023 die Stoag-Busse und -Straßenbahnen
Fast auf das Niveau vor der Corona-Pandemie sprang die Zahl der Fahrgäste: Gut 32 Millionen Menschen fuhren 2023 mit der Stoag, das ist ein Plus von 15,4 Prozent. Die Stoag erklärt sich diesen Trend mit zwei Faktoren: das Ende aller Corona-Einschränkungen im Februar 2023 und die Einführung des günstigen und einfachen Deutschlandtickets. Dadurch stieg die Zahl der Abonnenten mit Monatstickets bei der Stoag um 13.000 auf rund 36.500 (ein Plus von über 55 Prozent). Davon haben fast 20.000 Menschen das Deutschlandticket für 49 Euro im Monat gekauft.
„Wir sind mit dem Verkauf der Tickets sehr zufrieden“, sagte Werner Overkamp - und sieht die Stoag als Treiber der Verkehrswende. „Das liegt auch an unserem Angebot, das trotz der Einschnitte vor zehn Jahren immer noch sehr gut ist. Und wir wollen dies schrittweise verbessern - auch durch neue städteübergreifende Linien.“ Tatsächlich fahren die Busse und Bahnen der Stoag im Jahr rund neun Millionen Kilometer durch die Stadt. Damit werden in Oberhausen die zweitmeisten Fahrplankilometer pro Kopf im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) gefahren.
Trotz alledem verzeichnet die Stoag seit vielen Jahren einen Rückgang an Fahrgästen: 2009 transportierte sie noch 40 Millionen, 2012 noch 38,4 Millionen, 2018 und 2019 waren es 34,5 Millionen, im vergangenen Jahr 32,3 Millionen. Auch Overkamp sieht hier noch Luft nach oben: Der Stoag-Chef erwartet in diesem Jahr zwar keinen zweistelligen Prozentanstieg mehr, hofft aber auf einen Sprung über das Niveau der Vor-Corona-Jahre: „Angesichts der Home-Office-Tage der Arbeitnehmer wäre dies durchaus bemerkenswert.“
Dass die Stoag nicht mehr an die uralten Tage anknüpfen kann, liegt vor allem an der gesunkenen Schülerzahl, aber auch an dem seit 2002 gesunkenen Angebot um circa 18 Prozent. Am wenigsten benutzten die Oberhausener die Stoag-Fahrzeuge im ersten Corona-Jahr 2020: Damals gab es nur 23,7 Millionen Fahrgäste.
Stoag-Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben beträgt 16,5 Millionen Euro
Doch wie viel kostet die Oberhausener Steuerzahler das Angebot der Stoag im vergangenen Jahr? Die Stoag erwirtschaftet durch den reinen Ticketverkauf (24 Millionen Euro) und Landes- wie EU-Zuschüsse über 40,6 Millionen Euro an Erträgen, muss aber durch Personal (27 Millionen Euro), durch Material (20,6 Millionen Euro) und Abschreibungen 57,1 Millionen Euro an Kosten verzeichnen. Die Lücke beträgt also 16,5 Millionen Euro. Das sind für alle Oberhausener im Prinzip die echten Kosten des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt. Diese Lücke wird für 2023 quasi komplett durch die von 8,8 Millionen Euro auf 21,5 Millionen Euro gestiegenen Beteiligungsergebnisse geschlossen.
Das wird in den nächsten Jahren nicht mehr der Fall sein: Die Stoag rechnet mit jährlichen Beteiligungserträgen zwischen zehn und elf Millionen Euro, die Stadt muss dann aus ihrem Etat 14 bis 23 Millionen Euro jährlich von 2024 bis 2028 dazuschießen. Aus der Portokasse kann dann Kämmerer Apostolos Tsalastras den Nahverkehr nicht mehr bezahlen.
Auch interessant
Mehr zum Thema Nahverkehr in Oberhausen
- Mit Kreditkarte im Bus bezahlen: Stoag schult Busfahrer nach
- Stoag-Chef: Deutschland-Ticket darf sich um 5 Euro verteuern
- Schülerticket verteuert sich für manche Oberhausener Familie
- Neues Ticket: Das ändert sich für Oberhausener Schüler
- Große Änderung: Diese Tickets verkaufen Busfahrer nicht mehr
- Busfahrer werden: So viel verdient man bei der Stoag
- Notfallplan: Mehrere Stoag-Buslinien fahren wieder normal
- Vorwürfe gegen Oberhausener Verkehrsbetrieb Stoag