Oberhausen. Für angehende Lehrer entsteht in Oberhausen ein neues Unterrichts-Gebäude. Doch der Umzug verzögert sich, Unbekannte protestieren per Brief.
Man kann das Bauprojekt auf der Oberhausener Marktstraße praktisch nicht ignorieren. Die Bauzäune stehen mitten in der Fußgängerzone der Innenstadt. Täglich schieben sich die Menschenmengen daran vorbei. Demnächst sollen hier die dringend benötigten Lehrkräfte ausgebildet werden. Der Umzug des Lehrer-Ausbildungszentrums von der Duisburger Straße in die City war eigentlich schon im Laufe des Jahres 2023 geplant, lässt aber immer noch auf sich warten. Doch jetzt sorgt ein Protestbrief an NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) für Aufregung.
Nicht nur der Inhalt, sondern auch der geharnischte Tonfall des Briefes lassen aufhorchen. „Wir wollen gute Lehrerinnen und Lehrer werden, wollen in didaktischer und pädagogischer Hinsicht viel lernen. Unter den aktuell uns zur Verfügung gestellten Ausbildungsbedingungen ist das allerdings nicht möglich“, heißt es unter anderem in dem bemerkenswerten Brief an Dorothee Feller, der auch dieser Redaktion zugeschickt wurde. Die Autoren des Protestschreibens geben sich ohne ausdrückliche Begründung nicht zu erkennen, bleiben anonym. Der aktuelle Zustand sei „unerträglich“, heißt es darin. Die Ausbildung finde nur in Distanz per Videoschalte statt. „Seit drei Monaten stehen wir im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße.“ Unterzeichnet ist der Protestbrief mit „Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter ZfsL. Oberhausen“.
Neubau für Lehrerseminar: Stockender Fortschritt in der Oberhausener Innenstadt
ZfsL steht für Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung, auch Lehrerseminar genannt. Angehende Lehrerinnen und Lehrer werden hier 18 Monate lang auf ihren Schuldienst vorbereitet. Die Ausbildung findet in der Praxis in den Schulen und teilweise in den Seminaren mit Theorie-Blöcken statt. Nachdem das Oberhausener Lehrerseminar auf dem ehemaligen Babcock-Gelände an der Duisburger Straße eine unbefriedigende Heimat hatte, wurden Pläne für ein Gebäude an der Marktstraße 51 geschmiedet. Schon seit einigen Jahren befindet sich das Gebäude in Arbeit. Die Fassade ist schon hergerichtet, die Fenster eingesetzt.
Die feierliche Eröffnung des neuen Lehrerseminars wurde allerdings immer wieder nach hinten geschoben. Ursprünglich war sogar mal von 2022 als Fertigstellungstermin die Rede, zuletzt dann von der ersten Jahreshälfte 2023. Dass sich da Unmut bei den künftigen Lehrerinnen und Lehrern breit gemacht haben könnte, ist durchaus plausibel. Im Lehrerseminar herrscht allerdings seit Bekanntwerden des Briefes helle Aufregung: Wer hat den Protestbrief verfasst – und warum? Denn zu erkennen gibt sich der Autor oder die Autoren auch nach dem Versand des Briefes und nach internen Befragungen nicht. Die Befragten bestreiten, irgendetwas mit dem Brief zu tun zu haben. Im Gegenteil: Offizielle Sprecher der Referendarinnen und Referendare, wie David Josef Bönner, beteuern, dass der Inhalt des Protestbriefs nichts mit dem aktuellen Empfinden der angehenden Lehrkräfte zu tun hat.
Brief an NRW-Ministerin sorgt für Aufregung im Lehrerseminar
In einem eilig aufgesetzten Schreiben an Feller distanziert sich David Josef Bönner, Vorsitzender des Sprecherrates für das Seminar „Gymnasium und Gesamtschule“, von dem Inhalt des Schreibens. Die anonymen Autoren würden nicht für die Gruppe sprechen. „Wir wurden nicht über ein solches Schreiben informiert oder in die Verfassung des Briefes einbezogen.“ Das Beschwerdeschreiben sei ohne jegliche Absprache mit den Lehramtsanwärtern oder dem Sprecherrat erfolgt. Eine Umfrage zur Zufriedenheit unter seinen Kolleginnen und Kollegen habe vielmehr das gegenteilige Ergebnis zutage gefördert. Der Sprecherrat sei fest von dem neuen Standort überzeugt, die gegenwärtige Situation sei „nicht übermäßig belastend oder gefährdend für die Ausbildung“.
Der Sprecherrat-Vorsitzende betont auch die gute Zusammenarbeit mit Simone-Tatjana Stehr. Die neue Chefin der CDU Oberhausen und Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion leitet seit vielen Jahren als Direktorin das Lehrer-Ausbildungszentrum an der Duisburger Straße. Sie wehrt sich in einer Stellungnahme ihrerseits auf mehreren Seiten gegen die Vorwürfe des Protestbriefes. „Selbstverständlich nehmen wir Rückmeldungen ernst und wir fordern sie auch proaktiv ein. Schwer fällt es uns jedoch, einem anonymen Schreiben einen solchen Wert beizumessen. Die Beschwerdeführer suggerieren den Eindruck, legitimiert zu sein, im Namen aller ,Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter ZfsL Oberhausen‘ diese Beschwerde zu platzieren. Das ist nachweislich nicht der Fall. Der ,Hilferuf‘ an Frau Ministerin Feller erweckt zudem den Anschein, als wäre das Anliegen am ZfsL Oberhausen vorgebracht und ignoriert worden. Auch das ist ausdrücklich nicht der Fall.“
CDU-Chefin und Leiterin: Verfasser des Protestbriefes will Zentrum schaden
Nach Darstellung von Stehr findet der Großteil der Lehrer-Ausbildung an den Schulen vor Ort statt. Lediglich eine Seminarsitzung in der Woche müsste in Distanz stattfinden. Diese Art Unterricht sei jedoch durch die Pandemie erprobt und laufe geräuschlos und unaufgeregt. „Ein Element von vielen dafür verantwortlich zu machen, dass man angeblich ,abgehängt‘ wird, kann besorgt stimmen. Denn Distanzformate werden – auch für Schule selbst – zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Sie sind kein Indiz für Qualitätsverlust.“ In ihrer Reaktion gibt Stehr die Distanzierung der Sprecher wieder. Diese hätten das Vorgehen als „höchst problematisch“ bewertet.
Wer hat also den Protestbrief geschrieben? Stehr kommt zum Schluss, dass es jemand war, der dem Zentrum Schaden zufügen wollte. Der Verfasser habe nicht den Dienstweg gewählt, sondern sich direkt ans Schulministerium und an die Presse gewandt. Er wolle offenbar bewusst keine Gelegenheit geben, die Probleme zu lösen. Der Sprecherrat der angehenden Lehrer wiederum stellt in seinem Schreiben klar: „Der Verfasser ist kein Beauftragter unseres Lehramts.“
Und die Fertigstellung der neuen Lehrerseminar-Immobilie in der City? Dazu teilt Stehr mit: „Den Seminarbetrieb nach den Sommerferien am neuen Standort aufzunehmen, ist erklärtes Ziel. Die bisherigen Verzögerungen in der Fertigstellung liegen selbstverständlich auch nicht in unserem Interesse.“
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