Oberhausen. Ein Lebenswerk geht auf Reisen: Warum Spiele-Tester und -Entwickler Peter Neugebauer aus Oberhausen sein Archiv nach Thüringen verschenkt.
Es sind grad keine leichten Zeiten für Peter Neugebauer aus Oberhausen-Schmachtendorf. Im Haus des pensionierten Gymnasiallehrers stapelt sich sein liebstes Hab und Gut in braunen Umzugskisten; bereit, um abgeholt zu werden und für immer aus seinem Leben zu verschwinden.
Seine heißgeliebte, umfangreiche Sammlung an Gesellschaftsspielen abzugeben, fällt ihm nicht leicht – doch es muss sein: Rund 10.000 Exemplare von analogen Brett-, Würfel-, Karten-, Knobel- und Ratespielen füllen jeden freien Quadratmeter auf drei Etagen, bis buchstäblich unters Dach. Nicht nur Neugebauer, auch seine Ehefrau Gaby findet: Das geht so nicht mehr weiter.
50 Jahre lang hat Peter Neugebauer seine Spielesammlung ausgebaut, hat immer mehr Schränke und Regale angeschafft dafür und im Jahr 2000 sogar ein eigenes Gartenhäuschen als weiteren Archiv-Ableger. Liebevoll hat er die Schachteln nach Spielverlagen sortiert. „Nichts ist doppelt“, erklärt er stolz.
Doch jetzt sind es nur noch wenige Exemplare, die darauf warten, verpackt zu werden für die Reise, die sie bald antreten. Es falle ihm nicht mehr ganz so schwer wie bei den ersten Kisten, sagt Neugebauer, „aber es drückt schon aufs Gemüt“. Die liebevoll kuratierte Sammlung ist sein Lebenswerk und er muss sich nun davon trennen. Sein Trost: „Es kommt in gute Hände.“
Oberhausener Spiele-Sammlung wird in Thüringen Teil einer Erlebniswelt
Aus Oberhausen wurden die bisher gepackten 570 Kisten am vergangenen Pfingstwochenende auf den Weg nach Altenberg in Thüringen gebracht. Zumindest im ersten Lkw, für den zweiten wird das Ehepaar noch etwa 300 weitere Kisten packen. Zum Glück helfen Freunde und Bekannte, wie René, der Nachbarsjunge.
In Altenberg wird das Oberhausener Spiele-Archiv von Vertretern der „Stiftung Lesen“ empfangen und soll dann Teil eines Projekts werden, aus der altehrwürdigen Skatstadt eine moderne Spielestadt zu machen. Im alten Parlamentsgebäude des ehemaligen Herzogtums Sachsen-Altenburg, dem Josephinum, soll mit Fördergeldern eine Spiele-Erlebniswelt entstehen. Neugebauers Spiele-Schatz wird ein Teil davon.
Wann genau es mit seiner Spiel-Leidenschaft angefangen hat, kann Peter Neugebauer nicht sagen. „Ich habe immer gespielt“, erinnert er sich. Als Kind wuselte er in der Gaststätte seiner Eltern, dem Deutschen Haus in Sterkrade, zwischen den Tischen umher, als die Erwachsenen dort knobelten und Skat spielten.
Als es dann mit den Mädchen losging, habe er trotzdem weitergespielt – „und in der Uni hab ich die anderen damit infiziert“. Das schaffte er auch bei seiner Gaby, die er im Tanzkurs in der Tanzschule Michalek kennenlernte, als sie beide 17 Jahre alt waren.
Spiel-Experte Peter Neugebauer aus Oberhausen half bei der Entwicklung der „Siedler von Catan“
„Ich fand es toll“, erzählt Gaby Neugebauer von der Zeit, in der sie nicht nur mit ihrem neuen Freund, sondern auch gleich mit dessen ganzer Familie lustige Abende am Spielbrett erlebte. „Bei uns zu Hause wurde auch gespielt“, sagt sie, „aber ganz normale Spiele wie Mensch ärgere dich nicht. Peter ging damals schon auf Flohmärkte und suchte nach Besonderem.“
Alles, was er dort erstand, pflegte Neugebauer in sein eigenes Spiele-Archiv ein. Zunächst ganz viele Kinderspiele, später dann auch die für Erwachsene. Sein Hobby begleitete ihn während der gesamten Laufbahn als Lehrer für Pädagogik und evangelische Theologie.
Spiele-Fan Neugebauer wollte jedoch nicht nur privat am Küchentisch spielen. Er ging auf Messen, knüpfte Kontakte zu Spiele-Verlagen und Vertretern von Publikationen. Dies brachte ihm bald seinen Zweitjob ein: als Spiele-Tester und Rezensent.
Unzählige Artikel hat er in den vergangenen 40 Jahren in Fachzeitschriften und Fan-Magazinen veröffentlicht. „Das macht mir am meisten Spaß“, sagt er. Klaus Teuber, dem Erfinder der berühmten „Siedler von Catan“, half er bei der Entwicklung des Bestsellers. „Wir haben getestet, getestet, getestet.“ Die Männer wurden Freunde und gründeten sogar eine GmbH, mit der sie Texte über Spiele herausbrachten. Im vergangenen Jahr starb der Spiele-Autor Teuber.
Die Expertise, die mit dem Würfeln, Knobeln und Taktieren kam, führte dazu, dass Peter Neugebauer sich bald zutraute, eigene Spiele zu entwickeln. Rund 30 davon schafften es auf den Markt. Das erfolgreichste, „Kleine Fische“, verkaufte sich 280.000 Mal.
Wenn die Spiele abgeholt sind, werden die Neugebauers wahrscheinlich erstmal durchatmen. Sie werden viel Platz haben plötzlich, für den Gaby Neugebauer schon einige Ideen hat („Endlich mehr Deko“). Und dann? „Es geht alles weiter“, kommt die Antwort unisono. Die Treffen mit Freunden, mit denen sie schon seit der Jugend Spieleabende veranstalten. Die neuen Spiele, die der Paketbote ins Haus bringt, damit Peter Neugebauer erst sorgfältig die Anleitung studieren und dann mit seiner Frau die erste Runde starten kann.
Ans Aufhören denkt der 67-Jährige jedenfalls noch lange nicht. Und er glaubt auch nicht daran, dass es mit den Gesellschaftsspielen demnächst zu Ende geht: „Es gibt eher eine Rückentwicklung, von digitalen zu analogen Spielen. Viele suchen, weil sie schon im Beruf acht Stunden am Tag elektronisch gefordert sind, nach Entschleunigung.“ Ein Glück für die Neugebauers, die ihr Hobby weiter ausleben können. Die Regale werden nicht lange leer bleiben.
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