Oberhausen. Michael Evers ist Bestatter aus Oberhausen. Im Interview gibt er einen Einblick in seinen Beruf. Särge standen schon immer im heimischen Keller.
Als Kind hatten die Freunde von Michael Evers oft Angst, weil dessen Vater als Bestatter mit toten Menschen zu tun hatte. Dennoch ist der Sohn in die beruflichen Fußstapfen des Vaters getreten. Im Interview erzählt er, wie es war, als Kind in einem Haus zu leben mit vielen Särgen im Keller. Und wie er es schafft, täglich mit Trauer konfrontiert zu sein, ohne dabei selbst in Kummer zu versinken.
Herr Evers, Sie sind damit aufgewachsen - Särge, Bestattungen, Tod. Wie war es als Kind, zu wissen, dass der eigene Papa Bestatter ist?
Als Kind war mein Bezug zum Beruf meines Vaters zunächst ungewohnt. Im Freundeskreis löste sein Beruf sogar oft Angst und Unbehagen aus, weil der Tod ein Tabuthema ist. Aber für mich war es irgendwann normal; ich bin damit aufgewachsen und kannte es nicht anders.
Das hat sicherlich auch Ihr Verhältnis zum Thema Sterben von klein auf geprägt.
Ja, definitiv. Man muss sich das so vorstellen, dass Büro und Wohnung bei uns eins waren. Die Särge standen unten im Keller, da war sozusagen die Ausstellung. Dadurch bin ich von klein auf damit immer in Berührung gekommen - Särge waren für mich nichts Schlimmes. Anders als für meine Freunde, die das total beängstigend fanden. Aber wir haben nie Verstorbene bei uns zu Hause gehabt.
Wann war denn Ihr erster Berührungspunkt mit einem Verstorbenen?
An mein erstes Mal erinnere ich mich sehr gut. Ich müsste da um die 14 Jahre alt gewesen sein, da habe ich meinen Vater zu einer Überführung begleitet, also einen Leichnam vom Sterbeort abgeholt. Natürlich hat mich das geprägt - das muss man erstmal begreifen. Das war schwierig, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt ja schon Berührungspunkte mit dem Thema hatte.
Was gehört alles zum Beruf des Bestatters?
Der Beruf ist äußerst vielfältig. Bei einem Sterbefall kümmern wir uns zum Beispiel um die behördlichen Angelegenheiten, um die Dekoration der Trauerräume, Todesanzeigen in der Zeitung. Wir koordinieren die Termine und bereiten den Verstorbenen auf die Beerdigung vor, waschen den Leichnam und kleiden ihn an.
Das umfasst ja viel mehr, als man denken mag.
Und das ist auch genau das Schöne an dem Beruf, weil wir eben sehr vielseitig sind. Wir sind Schreiner, Dekorateure, Drucker, Floristen, Buchhalter und Seelsorger.
Seelsorger?
Ja. Bei uns können die Hinterbliebenen alles offen aussprechen. Die Freunde möchte man mit seiner Trauer irgendwann nicht mehr belasten, da tut es gut, in uns weitere Ansprechpartner zu haben. Man muss begreifen, dass das Leben weiter geht. Aber anders. Abhängig von der Beziehung zur verstorbenen Person fühlt man den Verlust deutlich. Manchmal kommen Leute einfach zum Reden zu uns, ohne speziellen Grund. Wir bemühen uns, Zeit dafür zu finden, denn sowas ist wichtig.
Und wie kommen Sie mit den emotionalen Herausforderungen klar?
Früher hat mein Vater mich vor schrecklichen Todesfällen beschützt. Aber besonders bei den ersten Unfallopfern realisierte ich, dass ich, um selber mit sowas klar zu kommen, darüber mit reden muss. Natürlich ist das nicht leicht für Freunde und Familie zu hören, wenn ich zum Beispiel über sichtbare Verletzungen rede. Es ist auch für mich nicht leicht, aber man darf nichts verdrängen. Es auszusprechen, erleichtert.
Sie scheinen gut mit all dem klarzukommen, gar nicht betrübt…
Es mag überraschend sein, aber die meisten Bestatter, denen man begegnet, sind oft gut gelaunt und humorvoll - es ist ein notwendiger Ausgleich. Die Erfahrungen in meinem Beruf haben meine Sichtweise auf das Leben grundlegend verändert. Es ist eine traurige Realität, die man nicht ändern kann. Was man aber ändern kann, ist die Art und Weise, wie man damit umgeht.
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