Oberhausen.. Die Jüdische Gemeinde sorgt an 16 Tagen für „eine gegenseitige Bereicherung“. Vier Abende zu Literatur und Geschichte im Bert-Brecht-Haus.
Mehr als 360 Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Vorträge, Filme und Ausstellungen hatten die Jüdischen Kulturtage Rheinland aufgeboten. Das Großaufgebot des Vorjahres inspirierte die Jüdische Gemeinde Duisburg - Mülheim - Oberhausen, eigene Kulturtage zu gestalten: „Juden in der deutschen Kultur – eine gegenseitige Bereicherung“ heißt das 16-tägige Programm vom 11. bis 27. September mit 21 Terminen in drei Städten.
Mit hörbarem Stolz sagt Dimitrij Yegudin: „Für den Start ist das nicht wenig.“ Keine andere Gemeinde habe im Nachklang der Rheinischen Kulturtage ein eigenes Programm gestemmt. „Und wir machen es nicht für uns selbst“, betont der junge Gemeindevorsitzende. Es sei „hohe Zeit, sich auch kulturell zu präsentieren“, ergänzt Ludger Joseph Heid.
Gemeinde hat sich „vervierzigfacht“
Der Privatdozent verweist auf den umfassenden Wandel in den jüdischen Einheitsgemeinden: „Vor 25 Jahren begann eine neue Zeitrechnung.“ Mit heute 2600 Angehörigen habe sich durch die Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion die Größe der Duisburg - Mülheim - Oberhausener Gemeinde „vervierzigfacht“.
Die Kulturtage wollen, so der Privatdozent, „alle Facetten des reichen Kulturlebens vorstellen“ – und zwar in allen drei Städten. Oberhausen ist zunächst mit vier Terminen dabei, darunter zwei Autorenlesungen. Partner hier sind die Gedenkhalle und die Volkshochschule. Das Bert-Brecht-Haus am Saporishija-Platz ist denn auch Schauplatz dieser vier Abende zu Literatur und Geschichte.
Das Gesamtprogramm der 16 Tage beginnt am Sonntag, 11. September, im „Garten der Erinnerung“ neben dem Gemeindezentrum am Duisburger Innenhafen: Um 15.30 Uhr eröffnet die Ausstellung israelischer Künstler.
Als ersten Beitrag im Bert-Brecht-Haus liest am Mittwoch, 14. September, um 19 Uhr Prof. Daniel Hoffmann aus seinen „Autobiographischen Erinnerungen an das deutsche Judentum“, überschrieben: „Heimat, bist du wieder mein.“ Der 57-Jährige erzählt eine Geschichte deutsch-jüdischen Lebens im Schatten des Holocaust.
Szenischen Lesung zu Else Lasker-Schüler
Als „einen ganz wachen Kopf“ kündigt Ludger Heid den 92-jährigen Walter Kaufmann an – über Jahrzehnte ein Bestseller-Autor in Australien und der DDR. Als 15-Jähriger war er dem NS-Regime 1939 mit einem Kindertransport nach England entkommen. Nach Australien verschifft, schlug sich der Jugendliche zunächst mit Jobs in Werften, Schlachthöfen und als Straßenfotograf durch – um nach Kriegsende zur Arbeiterliteratur zu finden. 1957 übersiedelte er in die DDR, avancierte zu einem „Jack London“ der Ost-Literatur – blieb aber australischer Staatsbürger.
„Schade, dass du Jude bist“ überschrieb der in Duisburg aufgewachsene Walter Kaufmann sein schillerndes „Kaleidoskop eines Lebens“, zu erleben am Montag, 19. September, um 19 Uhr.
Die bekannteste jüdische Literatin des Rheinlandes, Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), porträtieren Ludger Heid und Karin Somner-Heid in einer szenischen Lesung am Donnerstag, 22. September, um 19 Uhr. Titel: „Ehrwürdige Monstrums, süße wilde Juden“.
Tags drauf, am Freitag, 23. September, um 17 Uhr berichtet der Historiker Heid von ostjüdischen Arbeitern im Ruhrgebiet 1914 bis 1923. Der Referent nennt diese Migranten „die Vorfahren der Zuwanderer aus der UdSSR“.
Die Kulturtage übrigens, sagt Dimitrij Yegudin, sollen auch 2017 und in den Folgejahren aufleben. Ludger Heid verspricht: „Wir wollen eine neue Tradition beginnen.“