Oberhausen.. „Emschertanz“ an Ripshorster Straße, Werkstraße und Thomasstraße. Ehemalige Hausbesetzer-Siedlung bietet Freiräume für Individualisten.
Längst hat es einen Generationswechsel in der Riwetho-Siedlung an der Ripshorster Straße gegeben. Davon zeugten am Samstag die vielen Kinder. „Emschertanz“ heißt das Siedlungsfest, das seit den ersten Tagen der Hausbesetzer-Siedlung gefeiert wird. Am Nachmittag zog es erst die Kinder mit Aktionen wie Kinderschminken und Malen an. Abends spielten dann Bands für die mehreren hundert Besucher, die nicht überall zu hören sind. Zum Beispiel „Resonanzen2“ mit Polka und einem singenden Akkordeonspieler.
Auch ehemalige Hausbesetzer sind normale Menschen. Nur in eine Neubau-Reihenhaussiedlung passen sie eher nicht. Aber von den 40 jungen Leuten aus der alternativen Szene, die 1981 die leer stehenden Häuser der alten Gutehoffnungshütte in Beschlag nahmen, sind 34 Jahre später nur noch zehn leicht ergraute Herrschaften geblieben. Schließlich sind sie ja nie Eigentümer geworden, sondern stets Mieter geblieben – wenn auch in der Selbstverwaltung einer Genossenschaft.
Selbstverwaltung in Genossenschaft
Die Werkssiedlung für Hüttenarbeiter entstand seit 1899 in drei Abschnitten. Von 33 Häusern sind bis heute 22 erhalten. „In den 60er Jahren ging sie auf Thyssen über“, berichtet Volker Wilke (55). Er ist einer der bis heute Aktiven. Thyssen investierte nicht. Daher waren die Mieten für Gastarbeiter erschwinglich. Ende der 70er Jahre entsprachen die Häuser mit den kleinen Zimmern aber auch ihren Anforderungen kaum noch.
Dafür gab es immer mehr junge Leute, die billigen Wohnraum suchten, um alternative Wohnformen auszuprobieren. Kurzerhand besetzen sie 1981 sieben Häuser.
Woanders wurde dagegen hart durchgegriffen, hier nicht. „Thyssen hatte ganz andere Sorgen“, sagt Volker Wilke. Da wurde um die 35-Stunden-Woche gekämpft. „Die Siedlung lag abseits, störte nicht.“
1983 erhielten die Bewohner dann Mietverträge: 80 Mark kalt für 50 Quadratmeter. Ein Spottpreis. Investiert wurde aber weiter nicht. „Wir waren froh, dass wir Ruhe hatten“, erinnert sich Wilke. Dafür entwickelte sich ein Gemeinschaftsgeist, der bis heute Früchte trägt. Wo existieren sonst schon Gärten, die nicht eingezäunt sind, gibt es gemeinsame Hühnerhaltung, dürfen andere Haustiere frei herumlaufen?
Centro-Vorläufer schreckte auf
Als Anfang der 90er Jahre der Vorläufer des Centro geplant wurde, horchten die Bewohner auf. Thyssen wäre auch die Siedlung gern an den Investor losgeworden. Aber das zerschlug sich. Um künftig von solchen Versuchen verschont zu bleiben, kam die Idee auf, die Siedlung in eine Genossenschaft umzuwandeln. Sie wurde 1998 gegründet. „2001 wurde gekauft und 2003 mit der Modernisierung begonnen“, sagt Volker Wilke. Und weil sie einmal dabei waren, erstellten die Genossen auch noch ein Gemeinschaftshaus. Erneut stand die Stadt ihnen bei, indem sie den Sozialhilfeempfängern unter ihnen den Eigenanteil von 10.000 Mark vorstreckte. Bis heute sind 17 Häuser modernisiert. Wilke: „Wo die Mieter nicht wollten, wurde das aufgeschoben.“
Die Genossenschaft wird bis heute ehrenamtlich geführt, steht wirtschaftlich auf gesunden Beinen. Sie ist bundesweit Modellprojekt für andere Siedlungen geworden. „So ein Projekt macht man nicht, wenn man nicht dahinter steht“, gibt Bewohnerin Andrea Rupprath zu bedenken.
Nur die Hausbesetzer von einst sind ruhiger geworden. Volker Wilke zum Beispiel schätzt das ruhige Sitzen auf der Terrasse mit dem Blick in seinen Garten. „Früher hab’ ich ja eher gehaust“, sagt er.