Oberhausen. Im Verfahren gegen zwei Ex-Mitarbeiter der Stadt übt ein Richter auch Kritik an einer städtischen Gesellschaft. 2000 hochwertige Handys verschwanden.
Erster Prozess im Fall der über 2000 verschwundenen, hochwertigen Mobiltelefone der Stadttochter Oberhausener Gebäudemanagement GmbH (OGM): Das Schöffengericht am Oberhausener Amtsgericht urteilte am gestrigen Mittwoch relativ milde: Die zwei angeklagten früheren OGM-Mitarbeiter erhielten Bewährungsstrafen.
Die 33-jährige Nadine K. und der 39-jährige Christian S. erhielten rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von je einem Jahr und zehn Monaten. Die Richter gingen in ihrem Urteil von nur 500 Fällen aus, bei denen die beiden zwei Jahre lang über ein Telekom-Geschäftskundenportal Handys auf Kosten der OGM gekauft und privat veräußert haben. Einnahme: 200.000 Euro.
Die Strafe wurde für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt und an monatliche Raten zugunsten der OGM geknüpft, mit denen die beiden den Schaden für ihren einstigen Arbeitgeber ausgleichen.
Angeklagte bisher unbescholten
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Der Vorsitzende Richter begründete sein Urteil damit, dass die bisher unbescholtenen Angeklagten gestanden haben. Zudem sei ihre Tat erst durch die „unfassbare Schlamperei“ der Telekom, bei der die Betrügereien lange Zeit unentdeckt blieben, und den „völligen Mangel an Kontrolle“ bei der OGM möglich gewesen. Den beiden Firmen bescheinigte der Richter damit eine erhebliche Mitschuld am Debakel: „Zwei durchschnittliche Angestellte mit Haus und Familie haben in einem System ohne jede Kontrolle die Gelegenheit zur Bereicherung gefunden, ohne diese gesucht zu haben.“
Über die OGM laufen alle Mobilfunkverträge für Diensthandys städtischer Mitarbeiter sowie vieler kommunaler Töchter. Die Angeklagten haben die Verträge über ein Telekom-Onlineportal verwaltet.
Zufällig auf Systemlücke gestoßen
Eher zufällig, erzählt Nadine K. mit leiser Stimme, sei sie auf eine Schwachstelle im Portal gestoßen, mit der laufende Mobilfunkverträge manipuliert werden konnten: Teure Geschäftskundentarife von 62 Euro im Monat konnte sie selbstständig auf 1,95 Euro im Monat herunterstufen, ohne dass die Telekom bei Vertragsabschluss mitgelieferte teure Smartphone zurückgefordert hätte.
Die Systemlücke habe sie sogar anfangs zugunsten der OGM genutzt: Unter Mitwissen ihres Abteilungsleiters hätten Nadine K. und Christian S. zahlreiche Verträge heruntergestuft und der OGM viel Geld gespart. Dafür habe es schriftliche Belobigungen und Prämien von bis zu 1000 Euro gegeben.
Immer mehr Kollegen wollten ein Telefon
Ihr früherer Abteilungsleiter habe Nadine K. und Christian S. bald darauf sogar beauftragt, unter Nutzung der Systemlücke neue Smartphones für Angestellte zu besorgen. Immer mehr Kollegen wollten ein neues Telefon. An Kontrolle mangelte es: Eine Datenbank darüber, wer bei der Stadt zu welchem Vertrag welches Handy führt, soll laut Christian S. ab 2011 nicht mehr gepflegt worden sein.
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Ab 2012 nutzten die Angeklagten die Systemlücke dann für eigene Zwecke, berichtet Christian S. ruhig. Zur Anklage gebracht waren 500 Fälle von 2012 bis 2014, in denen sie zu Lasten der OGM Handys bestellt und über Ebay verkauft haben. Die nachträglich herabgestuften Vertragsgebühren von nur 1,95 Euro monatlich zeichneten sie selbst ab. Erst Ende 2014 fiel der Telekom der Fehler bei dem voll automatisierten Prozess auf.
Mit dem Erlös der veruntreuten Handys in Höhe von 200.000 Euro soll Christian S. seine Spielsucht befriedigt haben. Seit Sommer sei er in Therapie. Nadine K. gab an, das Geld in Hausrenovierung und Urlaubsreisen gesteckt zu haben.
Auflösungsvertrag bei der OGM schon unterschrieben
Als der Betrug bekannt wurde, hatten S. und K. bereits einen Auflösungsvertrag bei der OGM unterschrieben. Beide arbeiten wieder in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Laut Schöffengerichtsurteil sollen sie in der Bewährungszeit monatlich 300 bzw. 150 Euro an die OGM zahlen, um den in der Anklage festgehaltenen Mindestschaden von 200.000 Euro wieder gut zu machen. Die OGM geht von einem höheren Schaden aus.
Für Nadine K. und Christian S. ist die Sache damit längst nicht abgeschlossen: Ihnen stehen weitere Gerichtstermine bevor. Auch hat sich das Finanzamt angekündigt.