Oberhausen.. Tochter rief für ihre Mutter bei der Palliativversorgung des Oberhausener St.-Clemens-Hospitals verzweifelt nach Hilfe. Wirkten Schmerzmittel nicht? Erika Lazar blieb lange bei Bewusstsein: „Ariane, ist das Sterben?“



Erika Lazar war eine Kämpfernatur. „Krank war meine Mutter fast nie“, sagt Ariane Hollbach. Zumindest habe sie es sich nie anmerken lassen. Wie schlimm es um die 65-Jährige tatsächlich stand, erfuhr Ariane Hollbach erst, als sie die schwer Krebskranke aus dem Krankenhaus zum Sterben nach Hause holte.

Dass dieser letzte Gang zu einem Alptraum werden würde, hätte die Tochter nie gedacht. Von der Palliativversorgung des St.-Clemens-Hospitals fühlt sich Ariane Hollbach im Stich gelassen.

Als Notfall ins Krankenhaus

Ursprünglich war Erika Lazar wegen akuter Magen-Darm-Probleme als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert worden. Doch als sie untersucht wurde, stellten die Ärzte rasch fest: Es gab kaum ein Organ mehr, das nicht von Krebs befallen war. Sie würde sterben, das war klar. „Doch meine Mutter klammerte sich an den letzten schönen Sommer, den ihr ein Mediziner in Aussicht gestellt hatte und so dachten wir alle, sie hätte noch Zeit“, erzählt die Tochter.

Mit dem Sozialdienst des St.-Elisabeth-Krankenhauses organisierte Ariane Hollbach die Heimkehr der Todkranken. Denn Erika Lazar wollte noch ein paar Tage zu Hause verbringen, „um sich verabschieden zu können“. Dann wollte sie sich auf den Weg ins Hospiz machen. Der Pflegedienst war engagiert, die dafür nötige Pflegestufe noch aus dem Krankenhaus heraus beantragt.

Der Sozialdienst hatte bereits Gespräche mit dem Hospiz geführt. Krankenschwester und Mediziner der Palliativversorgung des St.-Clemens-Hospitals waren informiert und kamen sofort nach der Entlassung vorbei, um die Medikamentenversorgung zu sichern.

Doch kaum war Erika Lazar drei Tage zu Hause, setzte unvermittelt die Sterbephase ein. Die Schmerzen, unter denen ihre Mutter dabei gelitten habe, seien unvorstellbar, sagt die Tochter. Und so spritzte die herbei gerufene Krankenschwester der Palliativversorgung an jenem Freitag auch rasch Morphium. „Die Krankenschwester sagte mir, dass meine Mutter jetzt ins Delirium fallen würde und nicht mehr viel mitbekäme“, erinnert sich Ariane Hollbach.

Doch weit gefehlt. „Auch eine Stunde nach der Medikamentengabe hatte sie noch Schmerzen.“ Ariane Hollbach meldete sich unverzüglich bei der Krankenschwester. Die habe sie aufgefordert, selbst einen Schlauch zu legen und der Mutter eine höhere Dosis zu verabreichen. Ariane Hollbach empört sich: „Ich bin doch gar nicht vom Fach!“ Sie räumt aber ein: „Die Krankenschwester hatte mir vorher schon gezeigt, wie das geht.“ Deshalb habe sie – zwar überfordert – aber doch getan, was die Pflegekraft ihr geraten hatte.

Aber auch eine weitere Stunde später sei ihre Mutter noch immer bei vollem Bewusstsein gewesen. „Ariane, ist das Sterben?“ habe sie immer wieder gefragt.

Verzweifelt habe sie die Krankenschwester aufgefordert, sofort den Arzt zu schicken. Der sei dann um 8 Uhr früh gekommen. „Von 2 Uhr nachts bis 8 Uhr hat sich meine Mutter gequält.“ Dann endlich erhielt Erika Lazar eine ausreichende Dosis. Sie verstarb am gleichen Tag. Den Todeskampf ihrer Mutter empfindet Ariane Hollbach als Alptraum. „Ich höre sie noch immer fortwährend stöhnen.“

Gerne hätte Ariane Hollbach aus privater Tasche Pflegekräfte bezahlt, die ihr in diesen schweren Stunden rund um die Uhr hätten zur Seite stehen können. „Aber auf diesen Wunsch ist leider niemand eingegangen.“

Das sagt das Krankenhaus zu dem Fall

Für die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung bezieht Petra Stecker (Gesamtleitung der stationären und ambulanten Altenhilfeeinrichtungen des Katholischen Klinikums Oberhausen, zu dem auch das St. Clemens Hospital gehört) Stellung.

„Die Wahrnehmung der Tochter war sehr unterschiedlich zu dem des Fachpersonals“, meint Petra Stecker. Deutete etwa die Tochter das geräuschvolle Atmen, das Stöhnen und Bewegen der Mutter als Schmerz, kommentierten dies Krankenschwester und Arzt als Reaktion des Körpers auf die Medikamente und Unruhe. Stecker weiß: „Schmerzfreiheit heißt nicht Bewegungslosigkeit“.

Die Frage der Mutter an ihre Tochter „Ist dies das Sterben?“ habe die Tochter als Ausdruck von Angst und Schmerzen interpretiert. „Der Palliativmediziner, der im Erstgespräch mit der Mutter über den Verlauf der Tumorerkrankung gesprochen hat, glaubt dagegen, dass sie Orientierung für sich suchte, um loslassen und sterben zu können“, führt Stecker aus.

Eine psychosoziale Begleitung habe nicht stattfinden können, da die Tochter, die mit der Situation zunehmend überfordert schien, Gesprächsangebote nicht angenommen habe und die Hilfe durch Trauerbegleiter des Ambulanten Hospizes nicht abgerufen habe. „Zusammenfassend sagen alle Beteiligten des Teams, dass aus Sicht der Patientin die Versorgung gut, fachgerecht und in ihrem Sinne gelaufen ist, weil ihr ein Sterben zu Hause ermöglicht wurde.“

Ariane Hollbach macht übrigens überhaupt keinen Hehl daraus, überfordert gewesen zu sein. Sie betont allerdings: „Als meine Mutter sich quälte, war weder eine Krankenschwester noch ein Arzt dabei, wieso glauben die, das jetzt beurteilen zu können?“

Um ihrer Mutter die Frage nach dem Sterbeprozess beantworten zu können, habe sie im Internet nachgesehen. „Aufgeklärt hatte mich vorher ja niemand.“ Gesprächsangebote für sie selbst habe es gar keine gegeben. Und was die Trauerbegleiter des Ambulanten Hospizes betrifft: „Wir waren in Kontakt, nur an dem vereinbarten Termin wollte meine Mutter eben keinen Besuch haben, deshalb sagte ich für sie ab.“

Die 45-Jährige: „Da ist etwas richtig schief gelaufen, ich hätte eine Entschuldigung erwartet.“

Stecker: „Wir sind sehr an einer persönlichen Klärung interessiert – bisher hatten wir Frau Hollbach telefonisch nie erreicht.“