Oberhausen. Seit sechs Jahren kämpft Gabriele Schindler gegen den Schimmel in ihrer Wohnung. Der Vermieter will davon aber nichts wissen.

Immer wieder muss Gabriele Schindler (51) weinen. Sie fühlt sich hilflos. Schon vor Jahren gab es Schimmel in ihrer Wohnung. Er ist wieder da, nur diesmal fast unsichtbar. Aber ihr Hausarzt hat ihr bescheinigt, dass es Spuren davon schon in ihrem Blut gibt. Auch andere Laborproben deuten darauf hin. Nur kommt sie nicht raus aus dieser Wohnung.

Denn sie ist nicht nur seit fünf Jahren arbeitslos, sondern auch überschuldet. Das Jobcenter zahlt ihre Miete. Sie glaubt nicht daran, schnell eine andere Wohnung zu finden. Zuletzt war die Mutter eines Sohnes in der Sicherheitsbranche tätig.

Fast nur soziale Benachteiligte im Haus

An der Tür des Hauses Vikariestraße 1 in Osterfeld stehen 14 Namen. Schindler wohnt hier seit 21 Jahren. Viele ihrer Nachbarn sind Flüchtlinge, sprechen besser englisch als deutsch. Das viergeschossige Gebäude mit dem Flachdach wurde 1955 gebaut.

Die Verbraucherzentrale hat für Schindler 2016 ermittelt, dass ihr Stromverbrauch von damals fast 5300 Kilowattstunden für einen Zwei-Personen-Haushalt sehr hoch sei, jedoch kaum an ihren Stromverbrauchern liegen könne. Womöglich, so eine Erklärung, sind an ihren Stromzähler noch andere Räume angeschlossen.

Vor sechs Jahren fing es an

Was den Zustand des Hauses anging, schrieb die VZ: „Es gibt hohe Wärmeverluste durch ungedämmte Außenwände, schlechte Fenster und ungedämmte Dächer sowie sichtbare Feuchteschäden durch eindringendes Wasser.“

Auch die Wohnungsaufsicht der Stadt schritt ein. Die Mieterin hatte sie eingeschaltet. Die Beamten gaben der Eigentümerin auf, den Schimmel im Wohnzimmer zu beseitigen. Als Ursache dafür wurden zwei Risse in der Außenwand ausgemacht. Ansonsten ging man von einem Lüftungsproblem aus.

Wohnungsaufsicht: Alles in Ordnung

Was seitdem am Haus gemacht wurde, ist unklar. 2019 wurde es an die Firma Menzing in München verkauft, die aber weder über eine Internetseite verfügt, noch per Telefon zu erreichen ist. Die von ihr beauftragte Hausverwaltung in Duisburg lässt Fragen der Redaktion unbeantwortet. Sie teilte nur mit, das Thema sollte nicht in die Öffentlichkeit getragen werden. Außerdem verweist sie auf die heutige Sichtweise der Wohnungsaufsicht. Denn die sah im Februar keinen Grund mehr, erneut einzuschreiten.

Weder sei großflächiger Schimmelbefall festgestellt worden, noch größere Bauwerkschäden, hieß es. Tatsächlich ist die rückwärtige Fassade des Hauses neu gestrichen. Es wirkt wie aufgehübscht, womöglich, weil im direkt angrenzenden Nachbarhaus eine private Kindertagespflege einzog. Seltsam nur, dass im Keller Rattenköder ausliegen. Und dass im Trockenboden neben Schindlers Wohnung fingerbreite Spalten im Dach Licht (und Regen) hereinlassen.

Die Schnellast vom Winter auf dem Flachdach

Merkwürdig auch, dass sich hinter den Fußleisten ihrer Küche die Feuchtigkeit ertasten lässt und der bröckelnde Putz schwarz verfärbt ist. Die Osterfelderin steht fassungslos vor der sich ablösenden Tapete im Schlafzimmer und zeigt auf einen verrosteten Absperrhahn in der Wand. 2021, berichtet sie, habe alles mit der Schneelast auf dem Flachdach begonnen.

Laborproben bestätigen das. Schindler hat vor Monaten die Miete gekürzt. Damit konnte sie es sich leisten, mehrfach Abstriche aus ihrer und einer Nachbarwohnung einzusenden. Und danach ist in ihrer Küche der Befall mit einer Pilzgattung wahrscheinlich, die Feuchtigkeitsschäden im Gebäude anzeige. Das könne gesundheitsschädlich sein.

Ärzte warnen

Auch eine Art, die Allergien und Atemwegserkrankungen auslöst, war im Januar vertreten. Und im August wurde wieder eine „deutliche Besiedlung/Befall mit Schimmelpilzen“ festgestellt. An der Schlafzimmerdecke einer Nachbarin unter ihr fand sich im Februar ein Befall, der meist nach Wasserschäden auftrete. „Einer der am meisten krankmachenden Schimmelpilze“, hieß es. Im Haus leben viele kleine Kinder.

Noch deutlicher sind Schindlers Ärzte. „Ein Weiterbewohnen der kontaminierten Wohnung ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar“, hieß es in einem Attest im März. Und im Oktober: „Schimmelpilz-Antikörper waren sogar im Blut nachweisbar.“

Gabriele Schindler kann wieder die Tränen nicht zurückhalten. „Ich will nur noch raus. Ich will nicht an Krebs erkranken“, sagt sie. Dass das nötig ist, hat endlich auch das Jobcenter erkannt.

Nicht der erste Problemfall in Osterfeld-Mitte

In ihrer Not hat Gabriele Schindler die Sozialsprechstunde der Linken an der Elsässer Straße besucht. Ratsfrau Heike Hansen hat sich die Wohnung angeschaut. Sie war darüber irritiert, dass der Vermieter offenbar nicht direkt ansprechbar ist. Noch unschlüssig ist sich die Ratsfraktion der Linken Liste, wie sie reagiert. „Wir können ja keine Mieterberatung machen“, sagt Hansen.

Nicht auszuschließen sei, sagt Hansen, dass es mittlerweile ein Geschäftsmodell geworden sein könnte, mit Mängeln behaftete Immobilien an Bevölkerungsgruppen zu vermieten, die ihre Rechte kaum kennen und wahrnehmen können und dabei auf das Jobcenter angewiesen sind. Erst im Jahr 2019 hat die Redaktion über ein vergleichbares Problem, ebenfalls in Osterfeld-Mitte, berichtet.