Oberhausen. Die Kirche in Oberhausen stellt fest, dass sich immer Menschen der Esoterik zuwenden. Stadtdechant Fabritz sieht daher erheblichen Handlungsbedarf. Etwa durch ganztägige Öffnungen von Gotteshäusern will man wieder mehr Zugang zu den Menschen finden.

Bereits seit 20 Jahren boomen die Angebote, die unter dem weiten Mantel des Begriffs „Esoterik“ ihren Platz gefunden haben. Im vergangenen Jahr erlebte die Szene nach Auskunft des Vereins Sekten-Info NRW einen besonders starken Aufwärtstrend. Jetzt will die katholische Kirche in Oberhausen reagieren.

Die Esoterik ist ein weites Feld. „Einer hat sie mal die Wiederverzauberung der Zivilisation genannt“, sagt Uta Bange, Diplom-Psychologin und psychologische Therapeutin beim Verein Sekten-Info.

Eine Wiederverzauberung, die den Machern hohe Umsätze und Gewinne beschert. „Pro Jahr werden in Deutschland zehn bis zwölf Milliarden Euro für esoterische Beratung oder Bücher ausgegeben. Das ist das gesamte Kirchensteueraufkommen von evangelischer und katholischer Kirche“, sagt Gary Albrecht, Sektenbeauftragter des Bistums Essen. „Große Buchhandlungen machen 30 Prozent ihres Umsatzes mit esoterischen Büchern und Ratgebern.“

Kulturelle Etablierung

„Inzwischen wird sogar schon von einer kulturellen Etablierung der Esoterik gesprochen“, meint Bange. Die Frage ist, warum sich immer mehr Frauen und Männer spirituellen Beratern, Wahrsagern oder Geistheilern zuwenden. Die Erklärungen der Fachleute: Vereinsamung von Menschen, Arbeitslosigkeit, die Bedrohung der finanziellen Existenz.

Einen weiteren Grund sieht Sektenexpertin Bange in der Entwicklung der beiden großen Kirchen: „Viele Menschen sind mit der Kirche nicht mehr zufrieden und suchen sich Alternativangebote.“ Denn die Frage nach dem Sinn des Lebens bewegt die meisten weiter, auch wenn sie sich von der Kirche abgewandt haben.

Der Oberhausener Stadtdechant Peter Fabritz sieht erheblichen Handlungsbedarf seiner Kirche. Er hat selbst erlebt, dass sich viele Katholiken auch der Esoterik zuwenden. Sie praktizieren dann „von allem ein bisschen“.

"Glaubensverständnis ist sehr rational"

Fabritz sieht in der zu starken Hinwendung der Kirche zur Rationalität einer der Ursachen für die Abkehr der Christen: „Früher war die Kirche für spirituelle Dinge zuständig, doch seit über 40 Jahren ist unser Glaubensverständnis sehr rational.“ Religion habe aber „in erster Linie auch etwas mit Emotionen, mit Gefühlen zu tun.“ Deshalb müsse man die Zelebrierung der Gottesdienste erneuern - und wieder zurückkehren zu alten Riten wie dem Gebrauch von Weihrauch, dem Tragen farbenprächtiger Gewänder.

Menschen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben, könne man durchaus wieder zurückgewinnen. Er habe es selbst oft erlebt, dass diese durch Zufall einen Gottesdienst besuchten und danach dann berührt nach Hause gegangen seien. „Deshalb müssen wir die Kirchen wieder zugänglicher machen“, sagt er. Und meint damit ganz praktisch, Gotteshäuser ganztägig zu öffnen: wie die Herz-Jesu-Kirche in der Stadtmitte.

Offene Kirchen begrüßt auch Bistums-Beauftragter Albrecht. „Wir müssen wieder vorurteilsfrei für alle da sein und auch die akzeptieren, die nicht so leben, wie wir uns das vorstellen.“ Damit spricht Albrecht auch geschiedene Wiederverheiratete oder homosexuelle Paare an.

„Zu oft Moralanstalt“

Der Priester sagt: „Viele erleben Kirche viel zu oft als Moral-, denn als Liebesanstalt.“ Wie Fabritz findet auch Albrecht: „Wir sind viel zu sehr kopfgesteuert, sollten Emotionen mehr Platz einräumen, das Gefühl und Herz ansprechen.“ Vor allem müsse die Glaubwürdigkeit der Kirche wieder hergestellt werden, die durch die Missbrauchs-Skandale schwer gelitten habe.

„Wo der Glaube schwindet, macht sich der Aberglaube breit“, sagt Abrecht. In einer komplizierten Welt habe der Mensch ein großes Bedürfnis nach Heilung und nach Geborgenheit.