Oberhausen. Hermann Beyhoff, der Vater von Gerda Pörsch, fiel als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Die Liebe führte die Familie aus Oberhausen Jahrzehnte später an den Ort in Polen, an dem der Vater starb. Eine europäische Familiengeschichte.
„Und wenn ich 100 werde, denke ich noch daran.“ Gerda Pörsch ist 78 Jahre alt. Aber wenn sie von ihrem Vater erzählt, der im Krieg fiel, kommen ihr noch heute die Tränen. Was ist das aber auch für eine Geschichte. Und wie sehr bewegen die Zeilen aus den letzten Briefen Hermann Beyhoffs selbst nach 70 Jahren. „Meine herzallerliebste Mutti“, schrieb er im kalten Winter des Jahres 1944 an seine Frau. Und: „Wie schwer ist mir diesmal der Abschied von Euch gefallen, (...) Mutti, nun sind die schlimmsten Tage wohl vorbei.“
Beyhoff irrte. Seine schlimmsten Tage sollten ihm noch bevorstehen. Und sein Wunsch, seine Familie wiederzusehen, wurde ihm nicht erfüllt. Der Vater von fünf Kindern, der den letzten Heimaturlaub nur bekommen hatte, weil sein jüngstes Kind gestorben war, fiel in Polen.
Es grenzt an ein kleines Wunder
Dafür grenzt es schon beinahe an ein kleines Wunder, was da viele Jahrzehnte später geschieht. Gerda Pörschs Sohn Frank lernte bei einem Urlaub in der Türkei seine spätere Frau Ewa kennen. Ewa Pörsch, die gebürtige Polin, lebte damals in Wien.
Eine Fernbeziehung beginnt, ehe Ewa Pörsch nach eineinhalb Jahren nach Oberhausen zieht. Bei ihrer Schwiegermutter Gerda Pörsch entdeckt sie ein kleines Bild des verstorbenen Hermann Bey-hoff. „Das hatte meine Mutter in die Zeitung setzen lassen“, erzählt Gerda Pörsch.
Dann fällt Ewa Pörschs Blick auf den Namen des Ortes, in dem Bey-hoffs vorletzter Brief abgestempelt wurde: Zarnowica. Das ist nun rein zufällig ihre Heimatstadt. So kommt es, dass Pörschs gemeinsam nach Zarnowica reisen.
Ein Kreuz für die Toten im Wald
Dort treffen sie tatsächlich auf den Mann, der den Vater und Großvater in der Nähe dieses Städtchens begraben hat, damals 1944. Mitten in einem Wald steht die Familie vor einem Kreuz, das gläubige Polen für die toten Soldaten in eine Baumrinde ritzten. Hier an diesem Ort, den noch kein Fremder zuvor besuchte, wie ihnen der Pole versichert, liegt Hermann Beyhoff begraben.
Der Pole hatte auch die Erkennungsmarke des deutschen Soldaten durchgebrochen und eine Hälfte an die Behörden weitergeleitet, so dass das Rote Kreuz benachrichtigt wurde. Das DRK allerdings hatte sich erst 1950 an Pörschs Mutter gewandt. Erst nachdem ein Kriegskamerad Bey-hoffs das DRK gebeten hatte, die Frau seines gefallenen Kollegen zu suchen. Dieser Kriegskamerad wusste auch, was 1944 geschah.
Ableben ungewiss
In einem Brief erzählt er, dass die deutschen Soldaten auf der Flucht vor den russischen Truppen waren. Hermann Beyhoff wurde an einem Bein schwer verwundet. „Er konnte gar nicht mehr laufen“, heißt es im Brief. So habe man ihn in eine Decke gewickelt zurücklassen müssen. Beyhoff habe gebeten, ihn zu erschießen. Aber das hätten sie nicht fertig gebracht.
Wie das Leben des 33 Jahre alten Pioniers dann endete, ist ungewiss. Ob er erfroren ist, seiner Verletzung erlag oder von den Russen erschossen wurde, niemand wird es je erfahren. Dabei hatte der Kaufmann aus Alstaden doch nur einen Wunsch: „Ich hoffe, dass dieser Krieg bald vorüber ist und wir dann das Leben führen können, das wir uns vorgestellt haben“, schrieb er in einem seiner letzten Briefe.
Gerda Pörsch aber erinnert sich immer wieder an diesen Tag, an dem sie den Vater zum letzten Mal zum Bahnhof brachten. „Das Gepäck auf dem Schlitten“, sagt sie. Sie sei erst drei Jahre alt gewesen, als der Vater eingezogen wurde. Sechs lange Jahre kannte sie ihn nur von Front-Urlauben. Dennoch ist ihre Erinnerung ungetrübt.