Oberhausen. Immer mehr Menschen erkranken an Burnout, dem völligen Zusammenbruch. Markus Hansen aus Oberhausen-Schmachtendorf hat 2012 eine Selbsthilfegruppe gegründet.
Sie standen meist beruflich voll „im Saft“ und wurden dafür gewöhnlich auch mit gehobener Position und gutem Gehalt belohnt. Sie schonten sich auch privat nicht, ignorierten oder verkannten die Warnsignale ihres Körpers (zum Beispiel Schwindel, Ohrgeräusche, Durchfall). Eines Tages kam dann der völlige Zusammenbruch, der Burnout.
Seit zwei Jahren kommen Betroffene in einer Selbsthilfegruppe zusammen, um sich vor oder nach ihrer Therapie auf dem Weg zurück ins normale Leben zu begleiten. Markus Hansen aus Schmachtendorf hat sie gegründet und ist bereits diesen Weg gegangen. Er kann heute offen darüber sprechen, auch deshalb, weil er sieht, dass weit verbreitete Vorurteile oder Unwissen über die Krankheit Betroffenen die Rückkehr so erschweren.
Im Wettbewerb bestehen wollen
„Ich war 15 Jahre lang Projekt- und Montageleiter bei einer Firma“, erzählt der 48-Jährige. „Ich hatte kein Familienleben, war nur unterwegs.“ Position und Gehalt stimmten, standen am Ende eines langen Aufstiegs. „Ich habe gar nicht gemerkt, was mit mir los ist“, sagt der dreifache Familienvater. Immer neue Aufgaben habe er übernommen, habe alles angenommen, was man ihm noch aufgebürdet hat. „Ich wollte ja besser sein als alle anderen.“
"Die Batterie war einfach leer"
Eines Tages habe er sich dann zuhause erschöpft auf die Couch gelegt und sei dort eine Woche lang liegen geblieben. Das war vor drei Jahren. Als riesiges Glück wertet er es heute, dass er über seinen Hausarzt auf Anhieb einen Therapeuten fand, der ihn sofort in eine Akut-Klinik einwies. Für acht Wochen.
„Die Batterie war einfach leer. Aber die Ladefähigkeit war nach dem Klinik-Aufenthalt wieder hergestellt“, sagt der gelernte Energieanlagenelektroniker. „Man wird entschleunigt und aufgebaut, bekommt wieder ein Selbstwertgefühl.“ Denn das sei nach dem Zusammenbruch völlig am Boden. „Ich war also in der Lage, wieder an mir zu arbeiten“, erzählt Markus Hansen. Diese Aufgabe könne einem Betroffenen auch niemand abnehmen.
Trotz Ergo- und Psychotherapie fehlte ihm etwas: der Austausch mit anderen Betroffenen, den es in der Klinik gegeben hatte. Für ihn musste er in Oberhausen erst einmal selbst sorgen, rief Ende 2012 mit Hilfe des „Paritätischen“ die Selbsthilfegruppe „Phoenix“ ins Leben.
Von rücksichtslosen Arbeitgebern und der eigenen Gier nach Mehr
Manche Arbeitgeber reagieren unangemessen, wenn ihr Leistungsträger plötzlich ausfällt. So war es bei Markus Hansen.
„Mein Arbeitgeber wollte mich einfach nur billig loswerden“, erinnert er sich. Er sei wie ein Gekündigter behandelt worden, habe seine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erst einmal einklagen müssen. „Kein seltener Fall“, sagt er, „dass Arbeitnehmer heute nur noch nach Kosten und Nutzen beurteilt werden.“
Das Stigma, nicht mehr voll belastbar zu sein
Hinzu komme das Stigma, nach Genesung nicht mehr voll belastbar zu sein. Hansen: „Das gipfelte in der Aussage eines Arbeitgebers, jemanden mit Traktor-Führerschein könne man doch keinen Ferrari mehr fahren lassen.“ Dabei hätten die meisten Betroffenen zuvor ja 200 Prozent gegeben, seien also selbst mit der Hälfte ihrer alten Arbeitsleistung immer noch vollwertige Kräfte.
Viele Betroffene, so Markus Hansen, würden anfangs einseitig ihrem Arbeitgeber die Schuld am Zusammenbruch geben. Auch ihm sei erst langsam gedämmert, dass er selbst auch verantwortlich dafür sei. „Natürlich nimmt der Leistungsdruck zu, muss immer mehr Arbeit mit immer weniger Personal erledigt werden“, sagt er. Natürlich verlagere sich die Kommunikation auf elektronische Medien. „Man ist ständig erreichbar und in dem Zwang, reagieren zu müssen.“ Es gebe also weniger Privatsphäre und weniger Regenerationsmöglichkeiten.
Die Medaille habe aber auch noch eine andere Seite: „Wir sind auch gieriger geworden.“ Hansen denkt da an Statussymbole wie Haus, Auto, Urlaub und aktuelles Handy. Und dann seien da noch Einflüsse, die man von zu Hause mitbringe: Perfektionismus, Idealismus, ein Helfersyndrom, das Unvermögen, Nein sagen zu können. „Erst wenn man das erkennt, kann man ja überhaupt für die Zukunft etwas ändern.“
Selbsthilfegruppe auch für Angehörige von Betroffenen
Seit kurzem gibt es in Oberhausen auch eine Selbsthilfegruppe für die Angehörigen von Burnout-Betroffenen: „Phoenix Family and Friends“ heißt sie. Sie trägt der Erfahrung Rechnung, dass die ganze Familie in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn eines ihrer Mitglieder einen Zusammenbruch erleidet und wieder aufgebaut werden muss.
Denn der gesunde Partner wird ja durch den Ausfall des kranken noch stärker belastet als zuvor. „Ich dachte anfangs, ich würde selbst daran zerbrechen“, sagt die Frau eines Betroffenen. „Ich war ja plötzlich für alles zuständig. Und ich wusste nicht, wie es im Inneren meines Mannes aussah, wie ich ihm helfen konnte.“ Man verstehe das einfach nicht.
Da sei der Austausch mit gleich Betroffenen sehr hilfreich. „Man kann dabei lernen, welche Fehler man im Umgang mit dem Kranken auf keinen Fall machen sollte, zum Beispiel zusätzlich auch noch an seinem Selbstwert zu zweifeln. Dagegen könnten es Kleinigkeiten sein, die ihn wieder aufbauen würden.