Oberhausen.

Als die Bergarbeiter in Oberhausen und Umgebung anfingen, mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten einzufordern, riskierten sie ihre berufliche Zukunft und sogar ihr Leben – nur weiß das heute kaum noch jemand“, sagt Klaus Oberschewen.

Damit sich das ändert, widmete der VHS-Fachbereichsleiter seinen Beitrag im neuen Stadtgeschichtsbuch Oberhausen den großen Arbeitskämpfen 1872 bis 1912.

Welche Bedeutung hat der lange Kampf der Arbeiter und ihrer Organisationen? fragte sich Oberschewen zu Beginn. Am Ende steht die Feststellung, dass „zahlreiche, in der Vergangenheit erzielte Erfolge heute fast selbstverständlich sind“. Dazu zählen: „Tarifverträge und Mitbestimmung, Kranken- und Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.“

Gegen harten Widerstand

Dazwischen liegt die Erkenntnis: „Die erste Generation der Ruhrbergleute konnte von diesen Fortschritten nicht einmal träumen – wenn damals der Vater einer sechsköpfigen Familie krank wurde, war das eine Katastrophe“, weiß Oberschewen. Dabei erstritten sich die Bergleute diese Erfolge einst gegen harten Widerstand. „Die Zechen-unternehmer gingen von Anfang an auf Konfrontationskurs zu den Arbeitern – bei Unruhen in Gelsenkirchen waren 1889 sogar drei streikende Bergarbeiter von der Polizei erschossen worden.“

Zum Hintergrund: In den Jahren 1870 bis 1873 stieg die Industrieproduktion um rund ein Drittel. Bereits 1872 wurden in Preußen doppelt so viele Aktiengesellschaften gegründet wie im Zeitraum von 1801 bis 1870 zusammen. „An den Bergleuten aber war dieser Aufschwung nahezu vorbei gegangen“, hält Oberschewen fest.

So fassten die Arbeiter für ihre erste umfassende Streikaktion in Oberhausen im Juni 1872 (der wegen der großen Unterstützung der katholischen Kirche auch Jesuitenstreik genannt wird) ihre Forderungen wie folgt zusammen: Lohnerhöhung von 25 Prozent, Acht-Stunden-Schicht. „Die Zechenleitungen besaßen dadurch, dass sie die Seilfahrten festlegten, ein Druckmittel, die Bergarbeiter willkürlich zur Verlängerung ihrer Schicht zu zwingen.“ Eine Regelung, die die Unternehmer erst nach dem anfangs erwähnten großen Bergarbeiterstreik im Jahr 1889 aufgaben.

Die Zechenunternehmer selbst waren ab den 1860er Jahren im Arbeitgeberverband gut organisiert. Ihre Personalabteilungen tauschten sich aus. „Das führte dazu, dass Streikführer, aktive Sozialdemokraten und Arbeiter, die sich gewerkschaftlich organisierten, durch schwarze Listen bekannt gemachten wurden, so dass sie auf fast allen Schachtanlagen keine Arbeit mehr bekamen.“

Von der Polizei vertrieben

Im Oktober 1877 war es etwa auf der Zeche Oberhausen zu einem Arbeitskampf gekommen. 23 der 16- bis 17-jährigen Bergleute hatten ihn begonnen. Weitere 90 Kumpel schlossen sich an, um Lohnerhöhungen durchzusetzen. „Die Bergleute, die sich auf dem Zechengelände versammelt hatten, wurden von der berittenen Polizei brutal auseinandergetrieben und suchten in umliegenden Wirtshäusern Zuflucht“, berichtet Oberschewen. „76 der Streikenden wurden sofort entlassen.“

Die Gewinne der Unternehmen kletterten auch in den Folgejahren, die Löhne entwickelten sich schleppend – während die Preise für Lebensmittel und für Mieten in die Höhe gingen. „Das rief erneut Unzufriedenheit hervor.“ Mittlerweile gab es im Revier drei große Bergarbeiterorganisationen: den Alten (sozialdemokratischen) Verband mit 60.000 Mitgliedern, den christlichen Gewerkverein (40.000 Mitglieder) sowie den polnischen Gewerkverein (10.000 Mitglieder).

„Damit waren 110.000 Bergleute organisiert – dem stand eine Gesamtbelegschaft der Ruhrbergarbeiter von 260.000 Mann gegenüber“, führt Oberschewen aus. Die Gewerkschaften sahen sich finanziell jedoch noch nicht für einen Dauerstreik gerüstet und rieten ab. Die Bergleute aber hatten die Nase voll: „Im Januar 1905 wurde im Revier der Generalstreik beschlossen“. Die GHH (Gute Hoffnungshütte) musste eine Walzstraße stilllegen, das Thomaswerk wurde mangels Kohle geschlossen.

Die Wohnung stand auf dem Spiel

Am 17. Januar meldete die Mülheimer Zeitung, dass die Verwaltung der Zeche Alstaden ihren Arbeitern, die in Koloniehäusern wohnten und streikten, androhte, ihre Wohnungen räumen zu müssen. „Denn die durften sie nur als Zechenmitarbeiter behalten. Wer streikte, musste mit dem Rausschmiss rechnen.“

Und obwohl nicht jeder Streik zum erwünschten Ziel führte: „Die Errungenschaften sind bis heute für alle Arbeitnehmer spürbar.“ Im Bewusstsein dieser Tradition gelte es für Arbeitnehmer und Gewerkschaften wachsam zu bleiben „gegen Billiglöhne und soziale Verelendung“.

Das neue „Stadtgeschichtsbuch Oberhausen 2012“ erscheint anlässlich der 150-jährigen Gemeindewerdung Oberhausens. Die Autoren arbeiten ehrenamtlich. Die Sparkassenbürgerstiftung hat einen Zuschuss gespendet, damit die vier Bände auf den Markt kommen können. Band 1 (Der Oberhausener Raum bis zur Industrialisierung), Band 2 (Die Industrialisierung des Oberhausener Raumes 1758 bis 1914) und Band 3 (Oberhausen im Zeitalter der Weltkriege 1914 - 1949) erscheinen im September.

Bei Band 4 (Oberhausen in der Zeitgeschichte der Bundesrepublik 1949 bis 2011) könnte sich der Termin noch verschieben. Alle vier Bände kosten 49,90 Euro (einer 15 Euro). Herausgegeben werden sie bei Aschendorff.