London..
Kriegsveteranen, krebskranke Kinder, Lebensretter und vitale Hundertjährige: 8000 Briten, deren Energie allen Sportmuffeln Inspiration sein soll, tragen ab Freitag das olympische Feuer quer durchs Königreich. Unter ihnen ist auch Christine Knox, Grundschullehrerin aus der Oberhausener Partnerstadt Middlesbrough. Als Fackelträgerin will sie dafür sorgen, dass der Funke der Olympia-Begeisterung endlich im ganzen Land überspringt.
Der 17. Juni wird Christines großer Tag: Morgens schlüpft sie in ihre Uniform, einen weißen Trainingsanzug mit goldener Schrift - „Fackellauf“. Gleichzeitig machen sich Olympioniken aus ganz Nordengland auf den Weg nach Stockton, Christines Nachbardorf. Ein Läufer wird das olympische Feuer in den Ort tragen, dann ruhen alle Augen auf der 48-Jährigen. „Die Fackel selbst wird nicht übergeben“, erklärt sie, „stattdessen hat jeder Träger eine eigene, die er am Feuer des anderen entzündet.“ Eine Strecke von 300 Metern trägt Knox schließlich vor Tausenden Zuschauern die Flamme. Lampenfieber? „Niemals, das Gefühl kennen Lehrer nicht“, sagt sie lachend.
„Sport ist ein Patentrezept für Lebensqualität“
Wenn der nächste Läufer sein Feuer an ihrem entzündet hat, darf Knox die Fackel mit nach Hause nehmen. Dort könnte sie sich als Andenken an die 30. olympischen Spiele im staubigen Regal zur Ruhe setzen. Doch stattdessen läuft Knox mit ihr gleich am nächsten Tag weiter: „Den Kindern in der Schule habe ich schon versprochen, sie mitzubringen.“
Genau dieser Enthusiasmus ist es, der ihr mit 7999 anderen Briten eine Nominierung als Fackelträgerin beschert hat. In Dutzenden Schul-AGs motiviert Knox ihre Schüler zu mehr Bewegung. Als sie 2011 für die Krebsforschung beim Londoner Marathon angetreten ist, haben die Schüler über 4000 Euro an Spenden eingesammelt. Neben ihrer Arbeit an der Grundschule von Middlesbrough trainiert Knox regelmäßig: Drei Mal in der Woche läuft sie sechs Meilen, ein Mal elf Meilen, drei Mal geht sie ins Fitnessstudio. Ihre Botschaft lautet: „Sport ist ein Patentrezept für Lebensqualität – er macht glücklich, gesund und stiftet Freundschaften.“
„Ich bin stolz meine Gemeindevertreten zu können“
Fast jeden Briten erreicht das Feuer in einem Zehn-Meilen-Radius; in 1000 Städten und Dörfern macht es Station, bis es in 70 Tagen im Londoner Osten lodert. „Ich bin einfach stolz, meine Gemeinde als Fackelträgerin vertreten und die Kinder im Ort begeistern zu können“, sagt Christine Knox. Und selbst wenn die Mehrheit nichts von den Spielen wissen will, weil sie als Extravaganz in wirtschaftlich harten Zeiten empfunden werden, so könnte der Optimismus der Fackelträger sie in den noch verbleibenden Wochen bis zum Auftakt doch noch umstimmen. „Olympia ist sicher teuer“, sagt die Lehrerin aus Middlesbrough, „aber es ist eine gute Investition: Der Ruf Großbritanniens in der Welt wird besser. Und Geld geben die Gäste doch auch aus.“
Fackelträger gehen als gutes Beispiel voran
Vorbilder für alle Couch-Kartoffeln im Olympia-Gastland sind auch die anderen Fackelträger. Im Austragungsstandort Newham etwa trägt ein ehemaliger Obdachloser die Flamme – er hatte die Anwälte einer Kanzlei, vor der er die Obdachlosenzeitung ehrgeizig und gewitzt anbot, derart beeindruckt, dass sie ihm einen Bürojob angeboten haben.
Seitdem hat der 24-Jährige sein Leben wieder im Griff. Oder Jordan Clarke – ein Junge, der nach seiner Lebertransplantation 15 000 Euro für das Krankenhaus gesammelt hat. Oder Peter Burkill, ein British-Airways-Pilot, der 2008 einen Beinahe-Absturz über Heathrow verhinderte. Diana Gould, mit 100 Jahren die älteste Fackelträgerin, die nun auch andere Senioren inspirieren will. Und Ben Parkinson, 27 Jahre alt und bekannt als der am schlimmsten versehrte Kriegsveteran, der den Fackellauf auf Beinprothesen zurücklegen wird.
Olympiafeuer entzündet im Auftrag ihrer Majestät
Von allen 8000 Läufern ist nur ein Einziger ein Staatsgeheimnis: Wer am 27. Juli vor den Augen der Welt die Fackel in der Olympia-Arena entzündet und damit die Spiele offiziell eröffnet, wissen nur Eingeweihte. Gemunkelt wird, dass dieser Auftrag eine „Mission“ für Daniel Craig in der Rolle von James Bond sein könnte. Ob er die Queen samt Olympia-Flamme per Hubschrauber aus dem Buckingham Palast nach Ostlondon fliegt? Londoner wollen ihn bereits bei Proben über dem Palast erspäht haben ...