Im Music Circus Ruhr auf Zeitreise in die eigene Vergangenheit
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Oberhausen. Auf Zeitreise in die Vergangenheit waren fast alle Besucher der Revival Party des Music Circus Ruhr in Oberhausen. Auch bei WAZ-Redakteur Thomas Richter (44) weckte der Abend “zu Hause“ viele Erinnerungen an ausschweifende Party-Nächte und Begegnungen von vor 25 Jahren.
Reisen in die Vergangenheit sind doch möglich! Ich bin gerade von einer zurückgekehrt. Sie führte mich mitten hinein in den "Music Circus Ruhr". Der war für eine unvergessliche Nacht nicht nur ein fast vergessenes und nun – welch wunderbare Fügung des Schicksals – wiederbelebtes Tanz-Zelt.
Nein, vielmehr fand ich eine unter Kuppeln verborgene Zeitmaschine vor. Sie beamte mich und Tausende andere zurück ans Ende der 80er Jahre, führte eine Gruppe von gealterten und ergrauten Seelenverwandten wieder zusammen, die sich teils seit Jahrzehnten nicht gesehen hatten. Doch jeder Einzelne verspürte gleich nach dem ersten Schritt zurück in diese Manege der vergilbten Jugend ein wohliges, ja fast irritierend intensives Gefühl. Das Gefühl, wieder „zu Hause“ zu sein.
Zerstörer grandioser Erinnerungen
Als größter Zerstörer grandioser Erinnerungen entpuppt sich nicht selten dieses schnöde Biest namens Realität. Doch auch das Wissen um diese Weisheit kann nicht verhindern, dass die Erwartungen höher als der Gasometer sind, als im Freundeskreis voller Mütter und Mittvierziger die Botschaft die Runde macht, dass „das Zelt wieder öffnet“.
Sofort tauchen tief im Innern des Gedächtnisses verschüttet und verloren geglaubte Bilder vor dem geistigen Auge auf – in einer Intensität und Klarheit, die erschrickt. Was ich da so genau sehe? Etwa den Löwenkäfig. Jener bevorzugte Cocktail-Quell, der früher zuverlässig sprudelte und sinnevernebelnd den Durst unseres nachtaktiven Raubtierrudels stillte. Oder das DJ-Pult. Ein erhöhtes Podest, auf dem die Taktgeber der Nacht damals noch per Staubtuch ihre Vinylscheiben sauber putzten, ehe diese auf dem Plattenteller rotieren durften.
Doch die Erinnerungsflut spült auch Gesichter von jenen Menschen ans Ufer der Gegenwart, die an hunderten gemeinsamen Abenden zu mehr oder minder vertrauten Begleitern wurden. Wie würden die wohl heute aussehen?!?
Volle Tanzfläche und innige Umarmungen
Die Antwort auf diese von Neugier und Vorfreude gespeiste Frage erweist sich dann am Abend der Abende als eine vielschichtige. Sie lautet mal „toll“, mal „in die Jahre gekommen“, aber überraschend oft auch „kaum verändert“. Und diese Möglichkeit des sofortigen Wiedererkennens führt dazu, dass die meistgesehene Szene am Rande der proppevollen Tanzfläche und Theken innige Umarmungen freudestrahlender Gäste sind, immer gepaart mit dem Schlüsselsatz: "Ich wusste, dass Du auch hier sein würdest!"
Es bedarf der Erwähnung, dass viele Gruppen sofort ihre alten Stammplätze von früher ansteuerten. Etwa den rechten Manegen-Zugang. Oder die Sitzebene mit Stühlen, um das ermüdete Tanzbein mal kurz hochzulegen.
Eng am Original
Den "Music Circus"-Machern war es wichtig, in punkto neuzeitlicher Einrichtung und Ausstattung möglichst nah und eng am Original zu bleiben. Ein Vorhaben, das glückte. Das galt auch für besagten Raubtierkäfig, in dem die Partylöwen von einst herumstreunten und in ihrer gewohnten Masche auf Beutejagd gingen. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.
Revival-Party in Oberhausen
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Musik? Gab’s auch! Natürlich fast ausnahmslos das Erwartete. Simple Minds zum Mitklatschen. Depeche Mode zum Mitsingen. Prince zum Mitküssen. Und natürlich waren die Wartezeiten an Garderobe und Getränkeständen in den Hochphasen ein Gräuel. Und doch erwachte in den meisten schnell das Gefühl: Das will ich wieder öfter! Das darf nicht das erste und schon wieder letzte Mal gewesen sein! Für diese Zeitmaschine will ich sofort eine Zehner-Karte. Ach, was – sofort ein Jahresabo.
Bei der Heimkehr um kurz vor fünf am ersten Morgen des Monats Mai ertappe ich mich dabei, gedankenverloren und schweigend im Auto neben meiner Partnerin zu sitzen. "Ist irgendwas?", fragt sie mit leicht sorgenvollem Unterton. Ich lächle. „Aber nein! Ich freue mich nur, dass ich noch einmal in die alte Welt zurück durfte, in der ich als 20-Jähriger ständig war.“ Wir parken vor unserer Haustür.
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