Oberhausen.. Seit über einem Jahr kümmert sich Apostolos Tsalastras als neuer Kämmerer darum, die Finanzen der Stadt Oberhausen wieder in Ordnung zu bringen. Im Interview verteidigt er das größte Sparpaket in der Geschichte der Ruhrgebiets-Kommune und rechtfertigt auch neue Steuer- und Gebührenarten, wie etwa die Übernachtungssteuer oder Parkgebühren für Lehrer an Schulen.
Herr Tsalastras, Sie sind jetzt ein gutes Jahr Kämmerer in Oberhausen, der höchst verschuldeten Stadt Deutschlands. Trauen Sie sich da eigentlich noch auf die Straße?
Tsalastras: Selbstverständlich. Ich habe hier überhaupt keine Probleme mit den Menschen in der Stadt, obwohl ich es mit schwierigen und unpopulären Entscheidungen zu tun habe. Aber bisher begleiten mich die Oberhausener Bürger und Stadtakteure offen, verständnisvoll und unterstützend.
Sie muten allerdings den Oberhausenern eine Menge zu: Sie wollen den Bürgern noch mehr Steuern abknöpfen und kappen Dienstleistungen. Das ärgert doch viele?
Ja natürlich – und der Ärger ist berechtigt. Aber nicht ich mute den Leuten das alles zu, sondern die aktuelle Finanzlage vieler Städte im Ruhrgebiet macht die Zumutungen zwingend erforderlich. Die Sparpakete sind ja das Resultat des Strukturwandels – und der ist längst noch nicht bewältigt.
Welche Fehler hat Oberhausen aber selbst gemacht, dass es so weit in den Schuldensumpf abrutschte? Es gibt in NRW genug Kritiker, die Oberhausen Verschwendung vorwerfen.
In der Landesdiskussion wird Oberhausen deshalb so häufig genannt, weil wir früher Konflikte mit dem Land intensiver geführt haben als andere. Die Verschuldung ist aber kein besonderes Oberhausener Problem, das gesamte Ruhrgebiet ist betroffen. Das Problem kann keine Stadt alleine lösen, es muss regional angepackt werden.
Oberhausen hat ja unbestritten auch ein Einnahmeproblem, ist bei den Gewerbesteuereinnahmen zu schwachbrüstig. Sind die Wirtschaftsförderer nicht rührig genug – oder ist die Stadt für Firmen unattraktiv?
Nein, Oberhausen hat für Betriebe viele Standortvorteile, allen voran die verkehrsgünstige Lage. Trotzdem haben wir über alle Steuerarten hinweg eine schwache Einnahmesituation – ähnlich wie andere Ruhrgebietsstädte. Aber hier ist die Lage besonders schlecht, weil von der früheren Großindustrie fast nichts mehr übrig geblieben ist.
Und die Wirtschaftsförderer?
Die sind zwar recht rührig, aber wir können noch schlagkräftiger werden – deshalb haben wir Stadtmarketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung zusammengelegt. Wir müssen jetzt wieder aktiver werden, Fördermittel für den Strukturwandel einzuholen – das wird ja durchs Sparpaket wieder möglich gemacht.
Steuererhöhungen werden geprüft
Wegen ihrer Einnahmeschwäche versuchen die Revier-Städte viele Kleckersteuern einzusammeln: Die Sexsteuer, die Bettensteuer, die Erhöhung der Parkgebühren oder auch neue Parkgebühren für Lehrer. Was halten Sie davon?
Das sind keine Kleckerbeträge, sondern dringend nötige Einnahmen für die Stadt. Dabei schauen wir auf Entscheidungen in anderen Städten, denn wir wollen die Bürger hier nicht ausnehmen. So berechnen wir vergleichsweise sehr geringe Parkgebühren. Ich halte es sehr wohl für möglich, Parkgebühren von Lehrern zu nehmen, zumal die Parkplätze ungleichmäßig verteilt sind. Denn in der City haben die Lehrer an den Schulen kaum Parkplätze. Aber das prüfen wir im Augenblick, im Übrigen zahlen die Verwaltungsmitarbeiter auch für ihre Parkplätze.
Viele Nachbarkommunen haben ja versucht, die Einnahmen zu erhöhen durch Spekulationsgeschäfte mit Zinstausch-Verträgen, Cross-Border-Leasing-Aktionen oder die Aufnahme von Schweizer-Franken-Krediten. Das endete oft in Verlusten. Droht dies auch Oberhausen?
Nein, so etwas haben wir gar nicht gemacht. So etwas durften wir als Nothaushaltskommune auch gar nicht. Zudem ist mein langjähriger Vorgänger, Bernhard Elsemann, genauso wie ich bei solchen Themen sehr vorsichtig. Gerade auf längere Sicht sind die heutigen Finanzmärkte unkalkulierbar. Das Risiko ist viel zu hoch.
Sehen Sie durch die überregionale negative Berichterstattung über das arme Oberhausen in der letzten Zeit einen Imageschaden für die Stadt?
Für so eine hoch verschuldete Stadt wie Oberhausen ist es immer schwierig, ein glänzendes Image darzustellen. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir durch den Stärkungspakt des Landes und unser Sparpaket wieder aus den Schulden herauskommen. Wir haben aber auch viele positive Schlagzeilen gehabt – und das ist vor allem der Kultur zu verdanken, dem Gasometer, den Kurzfilmtagen, dem Theater.
Gleichwohl sind Sie von einer negativen Medienwelle zur Schuldenlage überrollt worden. Hat die Stadtspitze, haben Sie im Umgang mit den Medien Fehler gemacht?
Das sehe ich nicht so. Durch die EU-Krise, die kritische Finanzlage der Kommunen und die Ost-West-Debatte zum Solidarpakt haben sich viele Journalisten für Oberhausen interessiert. Es war wichtig aufzuzeigen, dass man die Lage der Kommunen ernst nehmen muss und die Förderung nicht mehr nach Himmelsrichtung erfolgen darf. Die reale Situation der Städte ist in Berlin immer noch nicht richtig angekommen.
Wenn Sie das ganze Sparpaket betrachten, was waren für Sie die schmerzvollsten Einschnitte?
Zum einen alle Steuererhöhungen, die für die Stadt negative Effekte haben können. Wenn Betriebe zwischen zwei gleich guten Standorten wählen können, spielt die Höhe der Gewerbesteuer schon eine Rolle. Sorgen bereitet haben mir auch die notwendigen Einschnitte im Jugend- und Sozialbereich. Wir müssen da sehr vorsichtig sein, aber es ist auch ein Bereich mit sehr hohem Ausgabevolumen.
Ich glaube aber auch an positive Auswirkungen des Sparprozesses. Man kann durch intelligente Reaktionen auf den demografischen Wandel, wie etwa die Konzentration von öffentlicher Infrastruktur, sparen und gleichzeitig etwas qualitativ Besseres schaffen – wie bei uns im Sportbereich.
Kritik am Sparkpaket
Rechnen Sie mit scharfem Gegenwind, wenn Ihr Sparpaket nun konkret wird?
Wir werden sicher Diskussionen haben, wenn die Punkte in der Praxis umgesetzt werden. Das war beim Bäderkonzept mit Schließungen, Renovierungen und Neubau von Schwimmbädern auch so.
Es gibt nun erste deutliche Kritik auch von den Grünen, dass Sie zu viel im Jugendbereich sparen wollen.
Ich verstehe die Debatte nicht. Keine einzige Veränderung bei den diskutierten Maßnahmen ist auf Kürzungen durchs Sparpaket zurückzuführen. Es wird bei den Präventionsprojekten im Volumen von 1,2 Millionen für 2012 kein einziger Cent im Rahmen des Sparpakets gekürzt.
Intern gab es auch im Theater Unmut, dass man hier noch einmal spart. Droht unser erfolgreicher Intendant Carp hier wegzugehen?
Wir haben den Vorschlag, durch Kooperationen oder Fusionen mit Theatern der Nachbarstädte zwei Millionen Euro pro Jahr zu sparen, gemeinsam mit dem Theater erarbeitet. Carp meinte richtig, es gäbe nichts Schlimmeres, als wenn einfach sukzessive ohne Konzept gekürzt würde. Wir können durch Zusammenarbeit den Oberhausenern auch künftig gutes Theater anbieten.
Der Wille zur Kooperation ist aber bei den Nachbarn nicht ausgeprägt.
Na ja, wenn die Not am größten ist, wächst auch der Wille zu Kooperationen. Es muss für alle Seiten positive Effekte haben. Es darf nicht sein, dass alle Revierstädte nur für sich ihre Haushalte kürzen: Dann macht man nur flächendeckend Substanz kaputt – das schadet allen massiv.
Halten Sie Ihre Doppelrolle als Kulturdezernent und Kämmerer eigentlich für sinnvoll? Die Kultur will doch immer nur Geld ausgeben, der Kämmerer will eisern sparen – das kann keine einzige Person schultern.
Es ist gut, als Kämmerer die Nöte anderer Bereiche zu sehen. Man darf nicht nur die Kasse im Blick haben, sondern muss die ganze Stadt betrachten, um sie noch lebensfähig zu halten. Deshalb sind die Erfahrungen in der Kultur sehr wertvoll.
OB-Wahl 2015
Wie empfinden Sie als wichtiger Mann in der Stadtspitze und als Parteimitglied Ihre Oberhausener SPD? Müsste die Basis mehr eigene Vorschläge entwickeln oder mischen sich schon viel zu viele ein?
Die Partei in Oberhausen ist sehr kreativ und munter, aber bei ihr streitet man sich im Vergleich zu anderen Unterbezirken hauptsächlich nur intern und nicht in der Öffentlichkeit. Man macht vieles unter sich aus. Das ist für die Regierungsfähigkeit einer Partei sehr gut. Denn die Bürger mögen solchen Streit nicht.
Sie sind sehr häufig auf Oberhausener Veranstaltungen zu sehen – wie schaffen Sie den Spagat, in Hilden zu wohnen und hier so lange zu arbeiten. Schimpft Ihre Frau da nicht?
Ich glaube, das funktioniert nur dann, wenn der Partner großes Verständnis für die berufliche Tätigkeit hat. Da meine Frau selbst politisch aktiv ist, kann sie das gut einschätzen. Sie ist in Hilden Ratsmitglied und Fraktionsgeschäftsführerin. Ihre Berufstätigkeit hängt an ihrem Mandat – und daher können wir leider nicht nach Oberhausen ziehen.
Geht Ihre Zuneigung zu Oberhausen so weit, hier auch als Oberbürgermeister zu kandidieren? Klaus Wehling will ja zur OB-Wahl 2015 nicht mehr kandidieren.
Wer kandidiert, das wird in den Parteigremien entschieden. Deshalb spekuliere ich darüber nicht. Aus der Position des Kämmerers in so ein Amt einzusteigen, ist eh’ äußerst schwierig. Ich halte eine Kandidatur meiner Person für extrem unwahrscheinlich.
Würde Sie das reizen, Chef der gesamten Verwaltung zu sein?
Ich schaue in meinem Leben immer, was so auf mich zukommt. Das habe ich auch in meinem bisherigen Berufsleben so gehalten. Wenn ich zu bestimmten Themen gefragt werde, entscheide ich mich in diesem Augenblick. Von Karriereplanung halte ich nichts.