Oberhausen.. Ein ganzes Theater rockt. Die Zuschauer in Oberhausen hat es aus den Sitzen gerissen. Jetzt rasen sie dahin auf dem „Highway to Hell“. Der Ruhrgebiets-Kult-Autor Frank Goosen ist unter ihnen, ist begeistert von der Bühnenfassung seines Romans „So viel Zeit“.
Nach der Premiere des Stücks am Samstagabend im Theater Oberhausen wird der Bochumer Autor Frank Goosen sagen: „Das ist kongenial umgesetzt.“ Seine Figuren habe er wiedererkannt. Und: „Für die Musik finde ich keine Worte. Wen die nicht bewegt, der ist tot.“ Ja, selbst seine 90-jährige „Omma“, die in der ersten Reihe gesessen habe, hätte viel Spaß gehabt.
Ja, wenn selbst 90-jährige „Ommas“ rocken, kann es dann so schlimm sein, das Älterwerden? „Die Omma“, sagt Goosen, „ist immer jung geblieben im Kopf.“ Die Protagonisten des Stücks, alle um die Mitte Vierzig, dümpeln dagegen so vor sich hin. Bis zu dem Moment, in dem die Musik ihr Leben verändert. Musik kann trösten, sie kann vielleicht sogar Leben retten.
Große und kleine Tragödien
Und es ist wirklich eine Frage wert, wie es das Ensemble des Theaters immer wieder schafft, so begnadet zu spielen. Da ist aber auch kein einziger Ausreißer dabei. Da ist die Doppelkopfrunde, die beschließt, eine Rockband zu gründen. Da sind Bulle (Torsten Bauer), Rainer (Henry Meyer), Thomas (Peter Waros) und Konni (Klaus Zwick). Später kommt dann noch Ole (Jürgen Sarkiss) dazu. Wie diese Fünf den so völlig unterschiedlichen Charakteren Farbe verleihen, die Zuschauer mit den großen und kleinen Tragödien der Protagonisten, mit ihrem Leid und Freud in Bann schlagen, ja eine regelrechte Sogkraft entwickeln, das ist einfach nur fantastisch. Klasse auch Konstantin Buchholz als Daniel, Rainers Sohn, sowie Elke Weinreich, der in gleich drei Rollen zu sehen ist.
Goosen und der Ruhrpott
Nicht zu unterschätzen sind auch die Frauen in diesem Männer-dominierten Stoff. Denn dreht sich nicht immer alles um die Liebe, die sterbende, die frische, junge. Susanne Burkhard steht als Ursula Gregorius, Konnis Kollegin und spätere Freundin, auf der Bühne. Laura Angelina Palacios spielt Thomas’ Freundin, Elisabeth Kopp Rainers Frau. Sie ist es auch, die für einen der vielen bewegenden Momente des Stücks verantwortlich zeichnet „Das Muttersein“, sagt sie „macht einsam, alt und blöd.“ Und was ist, wenn die Kinder aus dem Haus sind? „Ich habe noch so viel Zeit, so viel Zeit, die gefüllt werden will.“
Die Musik verändert das Leben aller. Nur Stoney (Martin Müller-Reisinger), der Rowdie der Band, schlurft als selbstverständlicher Anachronismus durch die Welt. Lange Haare, wilde Tattoos und eine herrlich stereotype Coolness. Wunderbar wie Martin Müller-Reisinger das spielt.
Gigantische Musik
Gigantisch ist natürlich auch die Musik, in dem Stück, bei dem Peter Carp Regie führte und für das seine Schwester Stefanie Carp die Bühnenfassung schrieb. Peter Engelhardt (Gitarre), Stefan Lammert (Schlagzeug), Johannes Nebel (Bass) und Kai Weyner (Keyboards) lassen gemeinsam mit Sänger Jürgen Sarkiss die Rock-Musik der 70er Jahre leben. Gut, manchmal hakt es da ein wenig. „Child in Time“ von Deep Purple etwa ist ein extrem schwieriger Stoff. Und Peter Engelhardt und Jürgen Sarkiss, so gut sie auch sind, sind kein Richie Blackmore und kein Ian Gillan. Deren Energielevel und Intensität zu erreichen, ist auch beinahe unmöglich.
Aber unterm Strich: Wen stört das? Musik muss gefallen. Und den Zuschauern hat es gefallen. Das merkte man deutlich am stürmischen Applaus und den „Standing Ovations“.