Oberhausen.. Clueso arbeitet nicht, der will nur spielen. Da ist ein riesengroßer Rest eines Jungen in dem Liedermacher, und der will raus. Das Ergebnis: Freestyle-Zugaben und cluesotische Fans in der ausverkauften Arena Oberhausen.

„Kommt gut nach Haus, fahrt schön vorsichtig“, hatte er gesagt. Aber als sich die ersten Stau-Allergiker schon auf die Socken gemacht haben, dreht Clueso nochmal so richtig auf: Schnappt sich nach dem ersten Zugaben-Set nochmal die Akustische, holt noch einmal den alten Rapper aus sich raus und legt eine Freestyle-Strophe nach der anderen hin - und sei es darüber, dass er das gar nicht mehr so kann, mit den Freestyles, was natürlich sein bester wird.

Clueso arbeitet nicht, der will nur spielen

Oberhausen liegt ihm zu Füßen, die ausverkaufte Arena ist total cluesotisch, und er hätte jetzt auch „Old MacDonald had a farm“ singen können, der Jubel und die weiblichen Hochleistungsschreie hätten immer noch kein Ende genommen. Aber Clueso und seine Jungs waren jetzt wirklich ausgepumpt, aus den angekündigten zwei Stunden waren eh schon fast zweieinhalb geworden. Ein satter, richtig runder Abend, wie man ihn gar nicht mehr so häufig erlebt, seit die Musikbranche wieder auf Konzerte angewiesen ist, um Geld zu verdienen und die Bands deshalb Abend für Abend zusehen, dass sie pünktlich von der Bühne kommen, morgen ist ja auch noch ein Arbeitstag.

Clueso arbeitet nicht, der will nur spielen. Oder sieht es nur so aus? Ach was, da ist ein riesengroßer Rest eines Jungen in ihm, und der will raus. Hinter der Bühne hüpft er sich noch vor dem ersten Ton hinter der Bühne die Hochspannung aus dem Leib, er tänzelt, mit Ausfallschritt, und - raus! raus! raus! „Dreh dich“, singt er, jetzt noch hinter einer weißen Leinwand, und die dichtgedrängten Cluesotiker vor der Bühne schütteln ihr Gesicht aus und tanzen, was sie haben.

Ein Perfektionist

Der Junge aus Erfurt, der gerade 31 geworden ist, trägt anfangs noch viel Samt auf seiner begnadeten Naturseelenstimme. Aber Clueso singt ja aus dem Bauch, reibt seine Kehle auf, die rau wird an den Rändern und immer mehr zur erogenen Zone, Song für Song, und der nächste, der zweite erst, ist das Programm, mit feiner Ironie: „Zu schnell vorbei“, der Hit des neuen Albums „An und für sich“, das (genau wie die Tour) ein bisschen länger gebraucht hat zum Rauskommen, weil der Junge eben doch ein Perfektionist ist, wenn es um den Sound geht.

Der ist an diesem Abend, von den massiv attackierenden Bässen abgesehen, so wie es sein muss für textsichere Gemeindemitglieder, die mit Groove auf eins-und die Hände zusammenbekommen: „Müsste gehen“. Wie man genießen kann, wenn man weiß, dass man geht: Clueso ist der Sänger, der das zerrissene, fragmentierte Leben der Gegenwart für einen Song wieder zusammenfügt, das Diffuse, das Flüchtige, das jeder spürt, der noch was spürt.

Vertonte Melancholie des Zufalls

Es ist die vertonte Melancholie des Zufalls und des Zu-viel-Wissens: Sehnsucht wird am schönsten, wenn sie fast erfüllt ist oder vorbei, vorbei. Diese Songs liegen ziemlich präzise eine halbe Spur neben den ausgeleierten Pop-Fahrrillen, aber eben doch in der Mitte der Straße, im Wind des Wohlgefühls, auch wenn die Gitarre (souverän im Stilmix von Joe Walsh bis Mark Knopfler: Christoph Bernewitz) Tempo und Riffs mal scharf anzieht.

„Chicago“, „Niemand an dich denkt“, „Gewinner“: Clueso bleibt der Wortmusiker, der Ganzkörpersänger: immer wippt was, und wenn es nur der Fuß ist, stimmt was nicht. Er singt mit den Kniekehlen, er gibt den Takt mit der schmalen Hüfte. Und es reicht eine einzige Breakdance-Einlage, um den Kreischfaktor für eine halbe Minute bis unter die Hallendecke zu jagen. Ob es für einen Live-Act so toll ist, die Jungs, die man sehen will, drei Songs lang hinter einer Gaze-Leinwand verschwimmen zu lassen, sei dahingestellt.

Weitere Konzerte von Clueso

Aber die Dramaturgie dieses Abends verträgt auch eine Portion Kunstwillen, zumal das Design der Projektionen zwischen Unterwasser- und Weltall-Fahrten perfekt ist, zumal am Ende, als Clueso und seine sechs Gefährten im Gegenlicht als Schatten sichtbar werden, das sind eben die „Zentimeter zwischen uns“. Am allerkleinsten sind sie an diesem Abend, als der Meister fragt, ob er mal fragen darf, wer denn schon das neue Album hat, das ja gerade mal drei Wochen draußen ist. Die Arm-hoch-Quote konkurriert mit sozialistischen Wahlergebnissen, und da entfährt ihm doch glatt: „Mein lieber Gesangsverein!“ Aber das stimmt ja auch.

Die nächsten Konzerte – Münster, Frankfurt, Berlin, Hamburg, München - sind ausverkauft, auch wenn die Auftritte in größere Hallen verlegt wurden; Karten gibt’s noch für Dresden (30.4), Freiburg (13.10), Würzburg (14.10.) Kempten (15.10.), Saabrücken (17.10), Koblenz (18.10.), Hannover (19.10.), Mannheim (21.10.), Magdeburg (23.10.) und Kassel (24.10.)