Schwarzarbeit verursacht einen jährlichen Schaden in Milliardenhöhe. Unterwegs mit den Zollfahndern
8 Uhr. Es regnet. Obwohl er in der Fahrerkabine sitzt, hat Heiner Klauke die Kapuze seines neongelben Regencapes tief ins Gesicht gezogen. Er greift zum Funkgerät. „Zwei von euch fahren in den ersten Eingang, der Rest kommt mit uns“, sagt er und beobachtet im Außenspiegel des T5-Transporters, wie zwei Einsatzwagen zwischen Bauzäunen verschwinden. „Bei der letzten Überprüfung war nur diese hintere Einfahrt da“, sagt Kollege Michael Kistner-Bahr und weist mit einem Nicken auf den schlammigen Weg, in den er den Transporter lenkt. Kaum hält das Fahrzeug, stellt sich Klauke einigen Männern mit Schutzhelmen vor. Die wissen längst, wer vor ihnen steht: „Zoll“ steht auf dem Einsatzwagen und darunter: „Zoll stoppt Schwarzarbeit“.
„Im Bausektor ist Schwarzarbeit noch immer am häufigsten“, sagt Zolloberinspektor Klauke von der Kontrolleinheit Prävention Emmerich, die zum Duisburger Hauptamt gehört. Sieben Tage die Woche fahren er und seine Kollegen Streife, kontrollieren u.a. Gaststätten, Taxifahrer und Spediteure, gehen Hinweisen aus der Bevölkerung nach: Jedes Jahr überprüfen sie über 10 000 Personen und haben 2008 knapp 4747 Ermittlungen abgeschlossen. Trotz der Kontrollen bleibt Schwarzarbeit ein Problem: Im Zuständigkeitsgebiet des Hauptzollamts lag der durch Schwarzarbeit verursachte Schaden 2008 bei 18,9 Millionen Euro.
Mehrmals monatlich sammeln sich die Zollfahnder zum Großeinsatz. So, wie heute: Mit fünf Einsatzwagen sind sie zur Baustelle hinterm Centro gefahren, wo sich ein kugelförmiges Gebäude in die Wolkendecke ragt und darauf wartet, dass aus ihm ein Casino wird.
Klein davor drücken sich zwei Container in diese Betonwelt, Klauke klopft an eine Türe. Roland Musiolik wirkt kurz irritiert. „Überprüfungen des Zollamts gibt es häufig. Das ist auch richtig“, sagt der Leiter der Baustelle, auf der derzeit drei Unternehmen arbeiten. „Wenn Firmen Arbeiter schwarz beschäftigen, bringt das die Branche in Verruf.“ Auf seiner Baustelle, sagt er, gehe alles mit rechten Dingen zu, und legt zum Beweis Baustellentagebücher und Wochenpläne vor.
Während Klauke diese überprüft, verteilen sich draußen elf Beamte mit Klippboards auf dem Gelände. Personenerfassungsbögen klemmen darauf, auf denen tragen sie Namen und Adressen, Arbeitgeber und Verdienste der umstehenden Bauarbeiter ein, lassen sich Personalausweise zeigen, fragen nach Pässen und Genehmigungen.
Einer versteckt sich hinter ein paar Steinen
Durch die Fetzen von teils recht gebrochenem Deutsch stampft ein Beamter, der einen älteren Mann im Schlepptau hat. „Der hat sich hinter ein paar Steinen versteckt“, sagt er über den Arbeiter, der Bosnier ist und damit „ein Negativstaatler“, erklärt Zollhauptsekretär Kistner-Bahr: „Er braucht ein Visum, um sich in Deutschland aufhalten zu dürfen.“ Das kann der Mann nicht vorweisen, auch eine Arbeitsgenehmigung hat er nicht dabei, zieht aber einen Führerschein hervor. „Der sieht gefälscht aus“, sagt ein Beamter, „das überprüfen wir.“
Anrufe bei der Dienststelle zeigen: Einen Schwarzarbeiter haben die Beamten nicht vor sich. „Der Mann hat eine Aufenthaltsgenehmigung, bezieht aber Hartz IV.“ Seit vier Tagen arbeite er auf der Baustelle, ohne es der Arbeitsagentur gemeldet zu haben. Das gibt ein Bußgeld. „Nun bleibt zu überprüfen, ob sein Arbeitgeber gegen die Sofortmeldepflicht verstoßen hat“, sagt Klauke, bevor er in den Transporter steigt. Heißt: Seit 2009 muss jeder Bauunternehmer seine Arbeiter am ersten Tag der Beschäftigung melden. „Sollte er das nicht getan haben, werden wir ein Verfahren einleiten.“
Damit geht es weiter: zur nächsten Baustelle.
25 Milliarden Euro Schaden für Fiskus und Sozialkassen
Das Hauptzollamt Duisburg ist auf mehrere Standorte verteilt. Neben Emmerich gehören die Standorte Straelen, Essen und Duisburg dazu. Insgesamt beschäftigt das Hauptzollamt rund 520 Personen. Zum Zuständigkeitsgebiet gehören Duisburg, Essen, Oberhausen, Mühlheim sowie die Kreise Wesel und Kleve. In diesen Städten lag der durch Schwarzarbeit verursachte Schaden laut der letzte Jahresbilanz (2008) bei rund 18,9 Millionen Euro. Deutschlandweit kosten die durch Schwarzarbeit hinterzogenen Steuern und Sozialabgaben den Staat bis zu 25 Milliarden Euro – im Jahr.