Oberhausen..
Richter Peter Dück hat am Amtsgericht schon Unglaubliches erlebt. Einige besondere Gerichtsfälle stellt diese Zeitung vor. Teil eins handelt von einem zunächst mysteriösen schweren Verkehrsunfall.
Es war an einem Montag im März 2012. Auf der A3 kurz vor der Ausfahrt Holten rast ein Pkw mit hoher Geschwindigkeit auf einen Lkw zu, der auf dem Standstreifen gehalten hat. Das Auto fährt ungebremst auf den Lastwagen auf. In dem Pkw sitzen ein Mann (30) und eine Frau (27), die schwer verletzt werden. Der Unfall gibt der Polizei zunächst Rätsel auf. Erst später wird sich zeigen, welche menschliche Tragödie zu dem schrecklichen Unglück führte.
Gemeinsam in den Tod
Gut ein Jahr nach den Geschehnissen steht der junge Mann, der den Unfall bewusst provoziert hatte, vor Gericht. In der Verhandlung stellt sich heraus: Der Angeklagte und die Frau wollten aus Verzweiflung gemeinsam in den Tod gehen. Ihre Lage erschien ihnen ausweglos. „Der Mann hatte sich in seine Cousine verliebt“, erzählt Richter Peter Dück. Die Liebenden, beide Muslime, litten unter der Angst, dass jemand von ihrer Liebesbeziehung erfahren würde. War doch der Angeklagte auch noch verheiratet und Vater. Er glaubte, sich der Blutschande schuldig gemacht zu haben. Und war sich sicher, dass es für sie noch den Tod gibt.
„Die Beiden wussten keinen anderen Ausweg mehr, als sich das Leben zu nehmen“, sagt Dück über das Pärchen. So tranken sie erst Alkohol, setzen sich dann ins Auto und fuhren mit Vollgas auf den Lkw auf. „Zum Glück war es ein richtig schwerer Lkw“, sagt Dück. Der Wagen landete auf einer Wiese und wurde schwer beschädigt. Der niederländische Lkw-Fahrer kam jedoch mit dem Schrecken davon. Dück verdeutlicht, wie viel tragischer dieser Unfall für viele weitere Beteiligte hätte enden können, wenn der Pkw mit anderen Fahrzeugen kollidiert wäre.
Falsch verstandener Glaube
Während der Gerichtsverhandlung erlebte Dück dann einen Angeklagten, der sich nicht nur von den körperlichen Unfall-Folgen erholt hatte. „Ich danke Gott dafür, dass ich überlebt habe“, sagte er. Er wisse jetzt, sein Glaube sei nicht wichtiger als das Leben. Mit seiner Familie hatte sich der Mann wieder ausgesöhnt. Er hatte einen Job. „Wie wollen sie so jemanden bestrafen“, fragte der Richter mit Blick auf das, was der Mann durchgemacht hatte. Deshalb kam der Angeklagte glimpflich davon mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Seinen Führerschein musste er natürlich auch abgeben.
Dück zu der Tragödie: „Falsch verstandener Glaube ist immer ein schlechter Ratgeber.“