Oberhausen. In Sachen Sicherheit an der geplanten Betuwe-Linie haben die Niederlande klar die Nase vorn. Teilnehmer der Sicherheitskonferenz machen weiter Druck.

Selten dürfte der Blick auf eine Bahnstrecke wohl so viele Begehrlichkeiten geweckt haben wie beim Ausflug der Oberhausener Feuerwehr ins niederländische Zevenaar. Automatische Erdung, breite Rettungstüren, Videoüberwachung: „In Sachen Sicherheit ist das die Champions League“, sagt Gerd Auschrat, stellvertretender Leiter der Oberhausener Berufsfeuerwehr. „Und wir versuchen gerade mal, in die Landesliga aufzusteigen.“ Im Rahmen der dritten Notfall-Sicherheitskonferenz zur geplanten Betuwe-Linie hatte sich die Wehr gemeinsam mit Feuerwehr-Kollegen der betroffenen Betuwe-Anrainer, Vertretern aus Politik, Verwaltung und der Bürgerinitiativen auf den Weg in die Niederlande gemacht. Anders als in Deutschland gelten die Sicherheitsstandards im Nachbarland als vorbildlich.

Die sogenannte Betuwe-Linie bezeichnet die Güterverkehrsstrecke zwischen Oberhausen und der niederländischen Grenze bei Emmerich. Diese ist wiederum Teil der europaweiten Trasse zwischen dem Rotterdamer Hafen und Genua. Seit Jahren sorgen die Ausbaupläne dieser Strecke für Ärger bei Anwohnern und Sicherheitsexperten – seit Jahren kämpfen Bürgerinitiativen in den betroffenen Kommunen von Oberhausen über Dinslaken, Voerde und Wesel bis nach Emmerich dagegen. Zu den momentan zwei Gleisen soll ein drittes gebaut werden. Anders als in den Niederlanden, wo die gesamte Strecke als reine Güterverkehrslinie neu gebaut wurde, wird es in Deutschland eine Mischverkehrsstrecke geben – für den Güter- und Personenverkehr.

Kampf gegen Windmühlen

Mehr Züge, die zum Teil auch Gefahrgüter transportieren: „Das sorgt für ein erhöhtes Sicherheitsrisiko“, sagt Gerd Auschrat. „Und sollte es tatsächlich zu einem Unfall kommen, kann’s passieren, dass wir nicht helfen können.“ Die Voraussetzungen seien an vielen Stellen „katastrophal“. Was heißt das konkret? Was haben die Niederländer besser gemacht als wir? Gerd Au­schrat holt tief Luft und zählt auf: „Die niederländische Strecke ist automatisch geerdet. Die Kollegen können bei einem Unfall selbstständig den Strom abstellen.“ In Deutschland müssen Rettungskräften dagegen bis zu 30 Minuten auf den Notfallmanager der Bahn warten. In dieser Zeit müssten Retter im schlimmsten Fall neben der Strecke warten, bevor sie Brände löschen oder Verletzte bergen können.

„Neben unseren Gleisbetten wuchert oft das Grün“, fährt Auschrat fort. „So kommen wir nicht an den Unfallort.“ Ganz anders in den Niederlanden: Der Bereich neben der Strecke ist für Retter zugänglich, es gibt Löschbrunnen und ausreichend Platz für Einsatzfahrzeuge.

Notfalltüren in den Lärmschutzwänden sind im Abstand von 100 Metern eingebaut. In Deutschland sollen die Zugangstüren im Abstand von einem Kilometer entstehen, Rettungswege sind dementsprechend länger.

Viele Kompromisse

„Manchmal habe ich das Gefühl, wir kämpfen gegen Windmühlen“, sagt Branddirektor Gerd Auschrat. „Dabei bestehen wir gar nicht auf den gleichen Standards wie in den Niederlanden, wir sind schon viele Kompromisse eingegangen.“

Zuständig für die Planungen des Gleisausbaus ist das Eisenbahnbundesamt. Das hat, im Zuge des Planfeststellungsverfahrens, die Feuerwehren der Betuwe-Kommunen als Träger des öffentlichen Interesses in die Planungen mit einbezogen. „Unsere Berichte haben den Verantwortlichen aber ganz und gar nicht gefallen“, sagt Gerd Auschrat.

Es hapere – wie so oft – am Geld: Geschätzte 40 Millionen Euro würde die Umsetzung der Feuerwehr-Forderungen zusätzlich kosten. „In Relation zu den rund 1,5 Milliarden Euro Gesamtkosten halte ich das aber dennoch für vertretbar“, sagt Auschrat.

Wie geht’s jetzt weiter?

Mit Spannung erwarten die Beteiligten den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes. Der soll noch in diesem Jahr kommen. Sollte das Konzept der Feuerwehren in diesem Beschluss nicht ausreichend berücksichtigt werden, kündigen die Kommunen an, gegen den Beschluss zu klagen. Das bestätigte Holger Schlierf, Sprecher der Betuwe-Anrainer-Kommunen, bei der Sicherheitskonferenz in Oberhausen.

Das Verfahren zur Planfeststellung läuft bereits seit Jahren. „Die Verhandlungen waren oft mehr als zäh, die Fronten verhärtet“, erinnert sich Gerd Auschrat, der auch Sprecher der Feuerwehren im Arbeitskreis Streckensicherheit ist. „Unsere Konzepte wurden immer wieder abgeschmettert – mit dem Verweis auf die zu hohen Kosten.“ Zuletzt hatte es jedoch die Zusage gegeben, das Feuerwehr-Konzept noch einmal gründlich und wohlwollend zu prüfen.

„Wir sind schlicht nicht zuständig“

Bei den Verhandlungen wurden die Wehren ins kalte Wasser geworfen. Denn sie waren bei Sicherheitsfragen auf Bahnstrecken vorher nie beteiligt. „Wir sind schlicht nicht zuständig“, erklärt Auschrat. Doch im Rahmen der Planfeststellung kommen auch die Wehren zu Wort. So ein Planfeststellungsverfahren ist bei öffentlichen Bauvorhaben Pflicht. Und der Ablauf ist ein Verwaltungsakt, der strikte Regeln hat. Unter anderem müssen Bürger und Behörden gehört werden – im Fall der Betuwe-Planung also auch die Kommunen und die Feuerwehren.

Grundlage für das Sicherheitskonzept der Feuerwehren waren die Untersuchungsergebnisse ihrer niederländischen Kollegen. „Die haben wir auf unsere Verhältnisse angepasst“, erklärt Auschrat. „Wir mussten also nicht bei Null anfangen. Ein Kesselwagen in den Niederlanden brennt genau so wie ein Kesselwagen in Deutschland.