Oberhausen.. Elke Münich ist neue Dezernentin für Soziales, Bildung und Familie. Seit 2. Januar ist sie im Amt. Wir führten ein Gespräch mit der 52-Jährigen über die Zukunft der Schulen, die eiserne Sparpolitik und die soziale Lage in Oberhausen.
Elke Münich ist neue Dezernentin für Soziales, Bildung und Familie. Seit 2. Januar ist sie im Amt. Gespräch mit der 52-Jährigen über die Zukunft der Schulen, die eiserne Sparpolitik und die soziale Lage
Frau Münich, Sie sind nun ganz frisch im Oberhausener Rathaus angefangen – als Dezernentin für Bildung, Soziales und Familie. Sind Sie da aufgeregt?
Elke Münich: Jeder Neuanfang ist auch immer mit einer kleinen Aufregung verbunden. Nicht wegen der Inhalte, da bringe ich ja meine Fachkompetenz mit, wobei die Ausgestaltung natürlich in jeder Kommune anders ist. Aber die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten werde, sind alle neu für mich, ich muss alle neu kennen lernen. Ich freue mich darauf, aber ich weiß auch, wie aufwendig das ist, ich habe nämlich nicht so ein gutes Namensgedächtnis. Ich werde sicherlich zwei, drei Kontakte benötigen, bis ich mir die Namen zu den Gesichtern merken kann.
Sie haben sich freiwillig für diese verantwortungsvolle Arbeit in dieser hoch verschuldeten Kommunen beworben – was reizt Sie eigentlich an der Aufgabe?
Münich: (lacht) Ich bin nicht gezwungen worden. Trotz aller Schulden in Oberhausen muss Geld da sein, denn ansonsten gäbe es keine Kindertageseinrichtungen, Schulen oder Angebote für Menschen, die obdachlos sind oder Drogenprobleme haben. Dafür wird Geld benötigt und die Stadt Oberhausen hat dafür auch Geld. Mir ist natürlich bewusst, dass in der Ausgestaltung und in der Entwicklung von neuen Angeboten das Geld nicht so locker sitzt wie zum Beispiel in der Stadt Aachen, wo ich vorher gearbeitet habe.
Ich gehe aber davon aus, dass durch die Finanzsituation auch mehr Ideen entwickelt werden müssen und eine Form von Kreativität abverlangt wird, die nicht erforderlich ist, wenn das Geld vom Rat leichter zur Verfügung gestellt wird.
Insofern wird das für mich sicherlich eine große Herausforderung sein, aber nicht nur für mich alleine. Ich habe gute Führungskräfte an meiner Seite, die mich bei dieser Aufgabe unterstützen werden. Ich bin ganz zuversichtlich, dass dies gelingen wird, denn wenn ich durch die Stadt fahre, sehe ich so viele gute und auch neue Dinge. Deshalb weiß ich, da muss Geld vorhanden sein, auch wenn es vielleicht aufwendiger ist, es zu beschaffen.
Der Bereich, den Sie übernehmen, soll laut Haushaltskonsolidierungsplan drei Millionen Euro einsparen. Wo sehen Sie Sparpotenzial?
Münich: Ich sehe erst einmal kein weiteres Sparpotenzial außer das, was die Unternehmensberatung Consens erarbeitet hat. Und dieses Sparpotenzial geht ja einher mit notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen. Dazu gehört auch, dass erforderliche Stellen, die über das Consens-Gutachten herausgearbeitet worden sind, umgehend besetzt werden. Man benötigt nach meiner Einschätzung mindestens zwölf, wenn nicht 18 Monate, bevor die ersten Konsolidierungsmaßnahmen auch wirken können.
Der nächste Schulentwicklungsplan steht 2015 an. Wird es weitere Schulschließungen geben?
Münich: Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt wirklich noch nichts sagen, weil ich die Entwicklungszahlen der Schüler in Oberhausen noch nicht analysiert habe. Sicher ist, dass die Schülerzahlen insgesamt weiter rückläufig sind, aber ob sie so weit rückläufig sind, dass es zu einem weiteren Rückbau von Schulen kommt, weiß ich noch nicht.
Dennoch: Sie haben gesagt, Sie stehen zu dem Prinzip „Kurze Beine, kurze Wege“. Es könnte schwierig werden, das durchzuhalten. Wie viele Züge muss denn eine Grundschule wenigstens haben?
Münich: Also Zielperspektive sollten schon zwei Züge sein. Weil kleinere Systeme, also einzügige Grundschulen, für die Schulleitung mit ihrem Lehrerkollegium in der Regel schwieriger zu organisieren sind. Wenn zum Beispiel Lehrer krank werden oder wenn zusätzliche Aufgaben zu bewältigen sind.
Die Primus-Modellschule, in der Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen sollten, ist in Oberhausen gescheitert. Wie sehen Sie das?
Münich: Ich bin traurig, dass die Primusschule nicht zustande gekommen ist. Auf die Primusschule habe ich mich gefreut. Ich finde es faszinierend, dass sich die Stadt Oberhausen auf diesen Weg begeben hat.
Kommt jetzt wieder die Sekundarschule ins Spiel, fehlt eine solche Schule in Oberhausen?
Münich: Das kann ich noch nicht beurteilen. Oberhausen hat bereits vier Gesamtschulen, das ist schon eine ziemlich gute Versorgungsquote hinsichtlich einer integrierten Schulform. Und insofern weiß ich momentan gar nicht, ob auch noch Raum für eine Sekundarschule gegeben ist. Grundsätzlich finde ich, dass die Sekundarschule eine gute Ergänzung ist zu dem, was wir in NRW an Schulformen zu bieten haben: Wenn es dafür auch Resonanz in der Elternschaft gibt – warum nicht.
Die Leitungen der Oberhausener Realschulen stemmen sich vehement gegen die Umwandlung in eine Sekundarschule . . .
Münich: . . . das entspricht dem Landestrend. Die Vertreter der Realschulen haben aus ihrer Sicht gute Gründe, sich gegen eine Sekundarschule auszusprechen. Ich kenne die handelnden Personen in Oberhausen noch nicht, ich würde mir gerne erstmal selbst ein Bild machen und mit den Schulleitungen und der Politik sprechen. Meine Erfahrung ist, dass man in Schulen nichts gegen Widerstände nachhaltig auf den Weg bringen kann. Das Thema Bildung ist sehr sensibel, es wäre schade, wenn hier etwas übers Knie gebrochen wird.
Ihrer Ansicht nach sollte der Schulträger eine aktive Rolle spielen. Was meinen Sie damit?
Münich: Ein aktiver Schulträger ist die Stadt Oberhausen bereits jetzt schon. Schauen Sie sich an, welche Angebote die Stadt Oberhausen für Schulen vorhält: den schulpsychologischen Dienst, Schulsozialarbeit, Integrationshilfen über Hilfen zur Erziehung, offene Ganztagsgrundschulen, kommunales Integrationszentrum, Bildungsbüro. Das sind alles Angebote, die dazu beitragen sollen, Schule zu unterstützen. Ich bin davon überzeugt, dass – auch über eine andere Form des Dialoges – die Schulen und der Schulträger für die Kinder in dieser Stadt noch viel mehr tun können.
Sind die von Ihnen erwähnten Angebote nicht ohnehin Pflichtaufgaben?
Münich: Nicht alle der genannten Angebote gehören zu den Pflichtaufgaben der Städte, zudem sind die pflichtigen Aufgaben nach Art und Umfang nicht alle definiert. Ein Teil der Angebote, zum Beispiel das kommunale Integrationszentrum oder der schulpsychologische Dienst, erhalten Landeszuschüsse.
Ich trenne nicht gerne zwischen pflichtigen und freiwilligen Aufgaben, denn die Systeme sind so miteinander verwoben, dass eine Trennung oft künstlich ist und der erforderlichen Arbeit und Wirkung für die jungen Menschen nicht gerecht wird.
Ein großer Kostenfaktor für die Kommune ist die wachsende Zahl der Kinder, die aus schwierigen Familienverhältnissen herausgenommen werden müssen. Woran liegt das?
Münich: Es gibt offensichtlich mehr Kinder, denen es in ihren Familien nicht gut geht, und es ist Aufgabe des Jugendamtes, die Kinder zu schützen und sie in prekären Situationen aus ihren Familien zu nehmen. Die Oberhausener Zahlen kann ich noch nicht bewerten.
Aber wie kann eine Stadt wie Oberhausen die Kosten für die Unterbringung und Betreuung dieser Kinder künftig schultern?
Münich: Ich bin der Meinung, dass Oberhausen schon gute Konzepte hat. Zum Beispiel das Projekt „Kinder im Mittelpunkt“. Das Babybegrüßungspaket, das darauf abzielt, Familien möglichst frühzeitig nach der Geburt des Kindes Hilfen anzubieten oder auch aufzuzeigen, welche Unterstützungsmöglichkeiten in der Kommune vorhanden sind. Das sind sehr einfache, aber doch sehr wirksame Präventionsangebote. Wichtig ist das Prinzip: Ganz früh anfangen, damit spätere teure Hilfen vermieden werden.
Als Sozialdezernentin werden Sie auch mit dem großen Thema in Oberhausen befasst sein: mit der hohen Arbeitslosigkeit.
Münich: Dabei ist mir aufgefallen: In Aachen ist die Arbeitslosenquote fast genauso hoch wie in Oberhausen, aber der Blick darauf ist ein ganz anderer. In Oberhausen ist Arbeitslosigkeit und vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ein zentrales Thema, in Aachen ist es ein Thema neben anderen. Es ist wichtig, das Problem zu erkennen und es anzupacken. Wenn man allerdings öffentlich viel darüber spricht, wird dadurch ein negatives Bild von der Stadt zementiert. Der Blick wird konsequent auf das gerichtet, was schwierig ist. Und das stiehlt häufig auch Energie für das, was man Gutes tun kann. Ich würde mich freuen, wenn es gelingen könnte, den Blick stärker auf die Stärken der Stadt zu lenken als auf die Schwächen.