Oberhausen. Hava Y. ist Mutter von drei Kindern und lebt in Oberhausen von Hartz IV. Sie beschreibt, was das für das Familienleben bedeutet und wie ihre Kinder mit der teilweise belastenden Situation umgehen. Laut einer aktuellen Studie gelten insgesamt 186.000 Kinder im Regierungsbezirk Düsseldorf als arm.

„Meine Kinder sind nicht arm“, sagt Hava Y., „denn arm heißt für mich, nichts zu essen und zu trinken zu haben.“ Und an der Verpflegung mangelt es ihren drei Kindern nicht. Trotzdem müssen sie mehr Verzicht üben als ihre Freunde. Hava Y. ist 43 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann Ismail und den gemeinsamen drei Kindern in Oberhausen. So weit, so gut, könnte man meinen. Doch die Lage der Familie ist nicht unbedingt mit dem Prädikat „gut“ zu bewerten. Denn die türkischen Einwanderer leben von Hartz IV. Besonders für die Kinder eine Lebenssituation, die ihnen viel abverlangt, wie Mutter Hava Y. erzählt.

Insgesamt 186.000 Kinder im Regierungsbezirk Düsseldorf gelten laut einer Studie des Hans-Böckler-Instituts als arm. Grundlage für die Studie zur Kinderarmut in Deutschland war das Haushaltsnettoeinkommen von Familien. Demnach gilt ein Kind beispielsweise als finanziell arm, wenn das Haushaltsnettoeinkommen eines Elternpaares mit einem Kind unter 14 Jahren unter 1564 Euro liegt.

600 Euro pro Monat für fünf Personen

Hava Y. und ihr 40-jähriger Ehemann Ismail haben drei Kinder – acht, 17 und 18 Jahre alt. Das Haushaltsnettoeinkommen beläuft sich auf etwa 1700 Euro inklusive Wohn- und Kindergeld. „Davon gehen allein 1100 Euro für Miete, Strom und sonstige Fixkosten ab“, erklärt die Türkin. Somit blieben der fünfköpfigen Familie circa 600 Euro, um alle variablen Kosten, wie Lebensmittel, Kleidung oder die Freizeitaktivitäten der Kinder, abzudecken.

Nicht viel Geld, aber auch „nicht zu wenig, um damit auszukommen“, sagt Mike Laudon vom Arbeitslosenzentrum „Kontakt“ in Sterkrade, der täglich mit Menschen zu tun hat, bei denen das Budget knapp ausfällt. „Bezogen auf den Lebensstandard, den wir in Deutschland haben, ist der Betrag allerdings nicht ausreichend“, fügt er hinzu. Damit spricht er aus, was vorwiegend Kinder in Hartz IV beziehenden Familien täglich am eigenen Leib erfahren müssen: Ausgrenzung aus dem vermeintlich „normalen“ Alltag.

Dazu zählt zum Beispiel das Schulleben der Kinder. „Als mein Sohn neue Schulbücher bestellen musste, hat er sich geschämt, mit dem Antrag vom Amt in die Schule zu gehen“, beschreibt die 43-Jährige nur eine Situation, die sie betroffen macht. Die Kosten für die Schulbücher übernimmt das Amt, den Weg zum Schulsekretariat kann es dem Teenager nicht abnehmen. Dass sich ihr Sohn für die berufliche Situation seiner Eltern schämt, schmerzt Hava Y.. Schließlich hat sie selbst viel dafür getan, um nicht von staatlicher Unterstützung leben zu müssen.

Krankheit zwingt die Familie in ein Leben am Existenzminimum

Seit mehr als 30 Jahren lebt sie in Deutschland. Nach dem Ende ihrer Ausbildung zur Lebensmittelverkäuferin im Jahr 1990 fand sie in der Branche keinen Job. Also arbeitete sie vier Jahre lang in der Metallverarbeitung („Eine sehr harte Arbeit, besonders für mich als Frau“). Deshalb entschloss sie sich 1994 dazu, mit dem Verkauf von Kleidung auf Märkten in die Selbstständigkeit zu gehen. Nach fünf Jahren musste sie diese Arbeit quittieren und sich um die beiden Söhne (damals drei und vier Jahre alt) kümmern. Ihr Mann, der vorher die Kinderbetreuung übernommen hatte, fand einen Job als Metallverarbeiter. Bis 2002 führte die Familie also ein völlig normales Leben.

Dann sorgte der Bandscheibenvorfall von Ismail Y. für eine plötzliche Wende – Arbeitsunfähigkeit. Drei Jahre später – die Tochter war gerade geboren – erkrankt seine Frau an chronischem Bluthochdruck, sie kann ebenfalls nicht mehr arbeiten. Diese Verkettung von unvorhersehbaren Ereignissen zwang die fünfköpfige Familie in ein Leben von Hartz IV.

„Meine Kinder sollen eine gute Ausbildung machen können“

Und seither ist es knapp mit dem Geld. „Mein Mann und ich verzichten fast vollständig auf Neuanschaffungen, um den Kindern etwas zu gönnen.“ Es gebe schließlich auch gute Klamotten auf Trödelmärkten. Auf ihre Kinder sei sie sehr stolz, erzählt die Türkin. „Besonders die Jungs verstehen gut, dass wir keine neuen Sachen kaufen können“, bei ihrer achtjährigen Tochter sei das schwieriger. Wie jedes kleine Mädchen wolle sie Spielsachen und Stofftiere haben, „da blutet manchmal schon das Mutterherz“. Und auch bei Geburtstagsgeschenken ist nicht viel drin. In diesem Punkt seien ihre Kinder jedoch noch nie anspruchsvoll gewesen. „Sie waren glücklich, wenn wir gemeinsam essen gegangen sind.“

Bescheidene Wünsche. Ihre Mutter hingegen hat nur einen großen Zukunftswunsch: „Meine Kinder sollen eine gute Ausbildung machen können.“