Mülheim. Das schauspielerische Talent von angeblich schwerverletzten Jugendlichen machte eine Feuerwehr-Übung in Mülheim sehr realistisch. Wie sie ablief.

Vor Panik rütteln mehrere Kinder in einem Innenhof der Mülheimer Gustav-Heinemann-Schule an einem Gitter, weil sie dringend Hilfe benötigen. Auf dem Gang sitzen weitere Jugendliche, die nach einem vermeintlichen Brand in der Schule bereits schwer mitgenommen aussehen. Das Gute vorweg: Die Kinder und Jugendlichen sind nicht wirklich verletzt. Sie sind Teil einer riesigen Übung, die Feuerwehr und (haupt- wie ehrenamtliche) Rettungsdienste am Samstagvormittag in Dümpten durchführten.

„Die Darsteller haben mich wirklich begeistert“, meinte Feuerwehr-Sprecher Dennis Goronczy. Nicht nur, dass die Kinder und Jugendlichen große Beulen und Blutflecken ins Gesicht geschminkt bekamen, manche schrien auch vor Schmerzen, andere zitterten vor Angst. „Das macht was mit einem und sorgt für zusätzlichen Stress“, so Goronczy – und nimmt sich selbst nicht aus. „Als ich die Kinder an dem Zaun rütteln gesehen habe, hat sich bei mir ein Schalter umgelegt und es war wie bei einem echten Einsatz.“

Warum die Logistik für die Mülheimer Feuerwehr zunächst am wichtigsten ist

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Kurz nach 10.30 Uhr ging der Notruf bei der Feuerwehr ein. Im Chemiesaal der Gustav-Heinemann-Gesamtschule ist es zu einer – natürlich fiktiven – Verpuffung gekommen, 25 Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin sind betroffen. Wegen der näheren Entfernung wird zunächst die Rettungswache zwei in Heißen alarmiert, die Einsatzleitung kommt mit ein bis zwei Minuten Verzögerung von der Hauptfeuerwache in Broich.

Da der Feuerwehr bei großen Gebäuden Mappen mit Lageplänen vorliegen, kann die Einsatzleitung schon unterwegs wichtige Vorbereitungen für die Anfahrt und das weitere Vorgehen vor Ort treffen. „Der logistische Aufwand ist am größten. Wenn ich unkoordiniert mit 20 bis 30 Einsatzwagen komme, dann parke ich mir die ganze Einsatzstelle zu“, verdeutlicht der Feuerwehrsprecher. Da die Zahl der Verletzten größer ist als die der Einsatzkräfte (hinzu kommen 50 Schülerinnen und Schüler, die unverletzt betroffen sind), wird zügig nachalarmiert.

Wärmebildkamera gegen Nullsicht: Feuerwehr rettet Schüler aus Chemiesaal

Mehrere Feuerwehrleute retten einen verletzten Schüler aus der Gustav-Heinemann-Schule in Mülheim. Dort war es am Samstag zu einer fiktiven Verpuffung gekommen.
Mehrere Feuerwehrleute retten einen verletzten Schüler aus der Gustav-Heinemann-Schule in Mülheim. Dort war es am Samstag zu einer fiktiven Verpuffung gekommen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Gleichzeitig setzt die Feuerwehr auch auf die Brandschutzkonzepte der Schulen. Im Optimalfall sollte iemand mehr im Gebäude sein, wenn die Rettungskräfte eintreffen. Diesmal ist das anders. Mit einer Wärmebildkamera betreten die Feuerwehrleute den Chemiesaal, um Schülerinnen und Schüler aus dem Raum zu retten. „Wir haben hier eine große, räumlich ausgedehnte Einsatzstelle, wo sich immer noch Kinder sammeln können“, verdeutlicht Goronczy die Schwierigkeiten.

Auf dem hinteren Schulhof sammeln sich die Verletzten. Die Feuerwehr spricht von Patientenablagestellen. „Das hat auch den charmanten Vorteil, dass sich dort eine Feuerwehrumfahrung befindet und wir mit den Einsatzfahrzeugen sehr gut dran kommen“, erklärt Einsatzleiter Christian Bartels.

Rot, gelb oder grün? Verletzte werden vor Ort kategorisiert

Die zuallererst an der Schule eingetroffenen Feuerwehrleute machen die Transportdringlichkeit der Opfer mittels Anhängekarten über ein Ampelsystem kenntlich. Rot heißt: Vorrangig versorgen! Später eintreffende Kollegen wissen dann sofort Bescheid. Die letzte Entscheidung darüber trifft aber der Notarzt. Nur er kann entscheiden, welche von den am schwersten Verletzten zuerst abtransportiert werden müssen.

Rettungskräfte betreuen auf dem rückseitigen Schulhof zunächst die am schwersten verletzten Schülerinnen und Schüler.
Rettungskräfte betreuen auf dem rückseitigen Schulhof zunächst die am schwersten verletzten Schülerinnen und Schüler. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Schon frühzeitig werden die umliegenden Krankenhäuser kontaktiert. „Es gibt im Vorfeld in der Leitstelle hinterlegte Betten der jeweiligen Krankenhäuser. Sie werden sofort angefragt, ob sie auch wirklich aufnehmen können. Es ist ganz wichtig, dass wir einen koordinierten Abtransport der Patienten haben“, erklärt Feuerwehr-Sprecher Dennis Goronczy. Für die Übung wurde das ebenfalls involvierte St. Marien-Hospital angefahren, außerdem wurde eine fiktive Klinik in der Hauptfeuerwache in Broich eingerichtet.

Was nach der ersten „Chaosphase“ in Mülheim passierte

Um 11.15 Uhr und damit eine knappe Dreiviertelstunde nach dem Notruf gestaltet sich die Lage auf dem Schulhof einigermaßen ruhig. „Die große Chaosphase ist jetzt vorbei“, schildert Goronczy. Die Einsatzkräfte kümmern sich nun in erster Linie um die „rot markierten“ Patienten. Sie werden erfasst und es wird dokumentiert, wo es hingeht. Das ist sowohl für die Krankenhäuser wichtig als auch für die Angehörigen. Die „grün-verletzten“ bekommen in erster Linie Decken und Zuspruch, später wird sich die Kapazität der Kräfte dann auf den „gelben“ Bereich verlagern.

35 Einsatzwagen waren in die große Übung der Mülheimer Feuerwehr am Samstag involviert.
35 Einsatzwagen waren in die große Übung der Mülheimer Feuerwehr am Samstag involviert. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Oft wird in solchen Fällen auch eine Hotline bei der Feuerwehr eingerichtet, über die beispielsweise Eltern erfahren, was mit ihrem Kind geschehen ist. Auch die Notfallseelsorge wurde mit etwa 20 Leuten sofort alarmiert.

Drei Monate Vorplanung vor der großen Feuerwehrübung

Etwa alle zwei Jahre führt die Mülheimer Feuerwehr eine solche Großübung durch. Drei Monate Vorplanung waren notwendig. „Im Kommunikationsbereich gab es ein paar Kniffe, dass manche Absprachen nicht richtig rüberkommen sind. Im Großen und Ganzen ist aber alles planmäßig gelaufen“, so Einsatzleiter Christian Bartels.

Eine Reihe an externen Beobachtern hat während des fiktiven Einsatzes alle Schritte überprüft. Außerdem werden die Kinder befragt, ob sie sich gut versorgt fühlten. Später wird es eine gemeinsame Bestandsaufnahme geben, um künftig Fehler vermeiden zu können. „Genau dafür machen wir es ja“, unterstreicht Goronczy. Bleibt nur noch eines: „Natürlich hoffen wir, dass ein solches Szenario niemals in Wirklichkeit eintritt.“

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